Mo 31.10.2011
Tilman Ruster (Till) ist Aktivist bei der Sozialistischen LinksPartei. Im Rahmen der Proteste gegen den Ball des „Wiener KorporationsRings (WKR)“, einen Ball rechtsextremer, deutschnationaler Burschenschaftler, wurde er festgenommen. Nun erwartet ihn ein Strafverfahren.
SLP: Warum genau bist du am 28.01. überhaupt auf die Straße gegangen?
Till: Der „WKR-Ball“ ist eine Veranstaltung von großer Bedeutung für die extreme Rechte in Österreich, inzwischen aber auch in ganz Europa. Auf der Gästeliste finde sich sowohl klassische Rechtspopulisten wie von FPÖ, Front National aus Frankreich usw. als auch offen auftretende Faschisten. Über diese Vernetzung gelangt rechtsextremes und faschistisches Gedankengut immer stärker in die Mitte der Gesellschaft. Verstärkt wird das noch dadurch, dass das Ganze in der Hofburg stattfindet, dem vermutlich repräsentativsten Gebäude der Republik.
SLP: Hast du dafür ein Beispiel?
Till: Wenn der Kärtner FP-Chef Dörfler offen die Auflösung der Gewerkschaften fordert zum Beispiel. Das ist ein Kernpunkt auf der Agenda jeder faschistischen Diktatur. Hier wird auch deutlich, wie konkret die Bedrohung durch rechtsextreme und faschistische Ideen ist: Es geht um die Verteidigung erkämpfter Rechte, unseres Lebensstandards. Dafür wollte ich demonstrieren.
SLP: Und wie kam es dabei zu deiner Festnahme?
Till: Gemeinsam mit ca. 200 weiteren AntifaschistInnen demonstrierte ich von der U6 Burggasse aus Richtung Innenstadt. Als wir auf der Westbahnstraße waren stürmten plötzlich hunderte Polizisten in voller Kampfmontur auf uns zu. Wie viele Andere auch versuchte ich vor diesem Angriff in ein Lokal zu entkommen. Da packte mich ein Wega Beamter und ich wurde heftig auf den Boden geworfen und von mehreren Beamten niedergehalten. Obwohl ich vor Schmerz geschrien habe, haben die nicht locker gelassen.
SLP: Wie ging es weiter?
Till: Die Polizei schirmte mich von fremden Blicken ab. Von da an wurde mir ständig der Arm verdreht und mir wurde in die Waden getreten. Warum ich festgenommen wurde sagte mir lange Niemand. Ich habe mehrmals nach der mir zustehenden Vertrauensperson verlangt – vergeblich. Später wurde ich dann auf die Roßauer Lände in eine Zelle gebracht. Ich musste mich für eine Durchsuchung ausziehen und alles was ich bei mir hatte wurde mir abgenommen. Ich war mehrere Stunden alleine in der Zelle – ich hatte die ganze Zeit das Gefühl es geht darum, mich zu demütigen und fertig zu machen.
SLP: Was wird dir vorgeworfen?
Till: Zuerst hieß es ich hätte an einer aufgelösten Versammlung teilgenommen, das wäre eine Verwaltungsstrafe gewesen. Später kam die Polizei offenbar darauf, dass sie die Versammlung nie aufgelöst hatte. Nach fünf Stunden Haft wurde mir dann endlich beim Verhör gesagt ich hätte einen Beamten „tätlich angegriffen“, also einen Polizisten vor die Brust gestoßen. Außerdem hätte ich mich gegenüber der Polizei „aggressiv verhalten“, ich hätte Demosprüche gerufen und mit den Händen gefuchtelt.
Ich glaube meine Festnahme war eher Zufall: Die Polizei hat versucht die Kontrolle über die Situation zu bekommen und wollte vielleicht die Leute in meiner Umgebung mit der Festnahme einschüchtern. Um mich persönlich ging es vermutlich gar nicht, sondern darum die Proteste zu unterdrücken.
SLP: Dein Gerichtsverfahren ist für den 8.11. angesetzt, was kommt da auf dich zu?
Till: Die Höchststrafe für den „tätlichen Angriff“ sind sechs Monate Haft. Möglich ist aber auch eine Geldstrafe, da geht es bis ungefähr 1000€ rauf, außerdem wäre ich vorbestraft. Das bleibt lange in den Akten und kann in Zukunft große Probleme machen, z.B bei der Jobsuche. Sollte ich von diesem Vorwurf freigesprochen werden greift die Sache mit dem „aggressiven Verhalten“. Da droht dann noch eine Verwaltungsstrafe von bis zu ca. 250€.
Teuer ist aber vor allem die Verteidigung durch einen Anwalt. Der Tarif liegt bei rund 400€ für 30 Minuten Verhandlung. Ich bin Student – bitte woher soll ich das Geld nehmen? Finanzielle Verfahrenshilfe wurde mir auch nicht gewährt, da beim Bezirksgericht keine Verteidigungspflicht besteht. Ich hab das Gefühl, dass hier politische – speziell antifaschistische – Arbeit bestraft wird. Das ist absurd. Nach Eigendefinition hat sich dieser Staat den Antifaschismus zum Ziel gemacht. Bei jedem Anlass, wie der Mauthausenbefreiungsfeier oder dem November-Progrom Gedenken wird das betont. In der Praxis sieht das aber doch anders aus: da wird dann brutal gegen die Anti-WKR Proteste vorgegangen.
SLP: Ist es nicht üblich in solchen Fällen eine Diversion anzubieten? Also ein außergerichtliches Angebot der Staatsanwaltschaft um den Prozess und die Kosten zu vermeiden?
Till: Die Staatsanwaltschaft hat mir angeboten 40 Sozialstunden zu leisten. Dazu wäre dann noch die Verwaltungsstrafe gekommen. Selbst der mir von der Staatsanwaltschaft vermittelte Vermittler von Sozialarbeit meinte das sei sehr hoch bemessen – außerdem ist dass ja auch so was wie ein Schuldeingeständnis. Ich habe aber nichts getan, als friedlich gegen den WKR-Ball zu demonstrieren.
Das eigentlich absurde an der Sache ist aber der Versuch mir gemeinnützige Arbeit für mein antifaschistisches Engagement zu verpassen. Tatsächlich sehe ich meine politische Arbeit auch als gemeinnützig, sonst würde ich sie nicht machen.