Di 05.04.2011
Die ganze Welt verfolgt die Ereignisse in der arabischen Welt. Dort gibt es kaum eine Regierung, die nicht zittern muss, vom oft jahrzehntelang aufgestauten Zorn von Jugendlichen und ArbeiterInnen weg gespült zu werden. Tunesien und Ägypten machten den Anfang. Doch die Liste der Länder, die ihrem Beispiel folgen wollen, ist lang: In Bahrain, Jemen, Oman, Libyen, Irak, Iran, Marokko, Algerien, Syrien usw. kam es bisher zu Protesten und Aufständen. Die blutige Repression vieler Regimes hat die ArbeiterInnen und Jugendlichen im arabischen Raum bis jetzt kaum aufhalten können. Zu groß ist das Verlangen nach Freiheit, Demokratie, Bildung und Arbeitsplätzen – nach einer menschenwürdigen Zukunft.
Revolution? Machbar!
Vor allem eines ist der Welt in Ägypten und Tunesien vor Augen geführt worden. Revolution – Das ist kein verstaubter Absatz in Geschichtsbüchern und kein utopischer Wunschtraum linker TräumerInnen. Revolution – Das ist der Motor der Geschichte, und der beginnt wieder zu rattern. Wer könnte nach den Ereignissen im Nahen/ Mittleren Osten noch behaupten, Revolutionen seien „unmöglich“ oder „Hirngespinste“? Und wer kann nach der Erfahrung mit der brutalen Unterdrückung durch Regimes noch ernsthaft meinen, dass Revolutionen „blutrünstig“ seien?
Die Bewegungen haben bereits viele Verbesserungen erkämpft. So erhöhte der Sultan von Oman die Arbeitslosenunterstützung auf 400$, während der saudische König 36 Milliarden Dollar in Wohnen, Arbeitslosenunterstützung und Lohnerhöhungen stecken will. Die Regimes machen weitreichende Zugeständnisse, um die eigene Haut zu retten. Doch in Tunesien und Ägypten hat sich gezeigt, dass diese Taktik nicht aufgeht: Die Bewegungen haben an Mut und Stärke dazugewonnen. Das alles zeigt, dass die Reformen Nebenprodukte der Revolution sind. Wollen die Verbesserungen beibehalten und ausgebaut werden, braucht es aber einen Sturz der Regimes und der herrschenden Wirtschafts- und Ausbeutungsverhältnisse. Und es braucht eine Regierung unter Kontrolle der ArbeiterInnen und der Jugendlichen die Wirtschaft und Gesellschaft demokratisch verwalten. Sonst kann es passieren, dass Kräfte wie das Militär die Revolution vereinnahmen und ein Regime nach ihren Vorstellungen einsetzen.
Demokratie wird nicht importiert sondern erkämpft!
Ständig wird uns von rechter Seite oder von bürgerlichen Medien weisgemacht, AraberInnen seien ungebildete „Kameltreiber“ bzw. „Hinterwäldler“ oder religiöse FanatikerInnen, die von Demokratie und Kultur nichts wissen wollen. Es wird sogar gewarnt, sie würden „unsere Kultur“ von Demokratie und Freiheit unterwandern. Doch den selbsternannten VerteidigerInnen der „abendländischen Kultur“ wird von den arabischen Revolutionen der Mund gestopft: Sind es doch genau diese Menschen, die sich nun von den Ketten der Diktaturen befreien und für Demokratie und Freiheit kämpfen, während westliche Regierungen den Despoten die Stange halten. Und haben doch gerade die rechten Hetzer von FPÖ und BZÖ gute Verbindungen zu jenen Diktaturen, die gerade gestürzt werden.
Die erfolglosen Kriege auf der einen Seite (Bsp. Irak, Afghanistan) und die Revolutionen auf der anderen haben es gezeigt: Demokratie wird nicht durch westliche Interventionen „importiert“, sondern von den Menschen selbst erkämpft! Das ist auch der Grund, warum die Intervention des Westens in Libyen nicht der Sache der Revolution dienen wird. Den an dem Angriff beteiligten Mächten geht es nicht um Menschenrechte.Eine „Intervention“, die tatsächlich den libyschen Massen helfen würde, wäre z.B. der gewerkschaftliche Boykott des Exports von libyschem Öl oder das Einfrieren der Konten des Gaddafi-Regimes durch Bankangestellte.
Lernen wir von den arabischen ArbeiterInnen und Jugendlichen!
Die Bewegungen im arabischen Raum können große Siege erzielen, wenn sie sich in demokratischen Gewerkschaften und neuen politischen Parteien der ArbeiterInnen und der Jugend formieren. Die arabischen Revolutionen motivieren Menschen in allen Teilen der Welt, gegen die Krise des Kapitalismus zu kämpfen. Ägyptische GewerkschafterInnen solidarisierten sich bereits mit den DemonstrantInnen in Wisconsin, USA. Zeit, dass jede Stadt ihren Tahrir-Platz bekommt!
Wenn wir mit Sympathie auf die Bewegungen im arabischen Raum sehen dürfen wir nicht vergessen, dass mitten unter uns viele Menschen aus gerade diesen Ländern leben. Oder aus der Türkei, wo vor einem Jahr einer der größten Arbeitskämpfe der letzten Jahrzehnte bei Tekel stattfand. Sie sind nicht primär „AusländerInnen“, sondern MitschülerInnen und KollegInnen. Sie sind unverzichtbare MitstreiterInnen im Kampf für soziale Verbesserungen! Wir haben die selben Interessen: Einen sicheren Job, gute Bildung und gesicherte Wohnsituation. Der ÖGB hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Es ist seine Aufgabe, die neu entstehenden freien Gewerkschaften in der arabischen Welt zu unterstützen und migrantische und inländische ArbeiterInnen hier gemeinsam zu organisieren sowie gemeinsame Kämpfe zu organisieren.