Do 18.09.2008
Am 16. September fand in St. Pölten eine Demonstration über den Erhalt der Glanzstoff statt, an der sich etwa 40 Menschen beteiligten. Symbolisch wurde die Glanzstoff in einem Sarg zu Grabe getragen.
Dementsprechend gedämpft war die Stimmung, stehen doch immerhin die Existenzen von 327 Arbeitern und Angestellten und deren Familien auf dem Spiel. Die Stimmung im Werk ist schlecht, die meisten Arbeiter und Angestellten der Glanzstoff denken, es sei zu spät für Kampfmaßnahmen und haben sich bereits mit der Werkschließung abgefunden. Viele Arbeiter sind im Krankenstand. Gewerkschaft und Betriebsrat haben es bis jetzt verabsäumt, kollektiven Widerstand zu organisieren.
Die Beschäftigten fühlen sich – zu Recht – von der Gewerkschaft im Stich gelassen. Der ÖGB hat bis jetzt keinen Finger für den Erhalt der Arbeitsplätze gerührt, nicht einmal auf seiner Homepage findet sich eine Stellungnahme zum Thema. Anscheinend lässt das Schicksal dieser Menschen die ÖGB-Spitze kalt. Aus ihrer Sicht ist die Sache offenbar mit der Ausverhandlung eines „Sozialplans“ erledigt. Doch 327 Menschen im Interesse des eigenen Profits arbeitslos zu machen, ist ganz und gar nicht sozial. Der bestehende „Sozialplan“ ist bereits eine Zustimmung zur Werksschließung. Anstatt die Beschäftigten zu organisieren und gemeinsam mit ihnen den Kampf für den Erhalt des Werkes zu führen, hüllt sich die ÖGB-Spitze in Schweigen.
Von Anfang an hat die Plattform „Pro Glanzstoff“ versucht, mit Betriebsrat und Gewerkschaft zusammen zu arbeiten. In einigen Gesprächen machten Betriebsrat und Gewerkschaft den Glanzstoffarbeitern, die in der Plattform „Pro Glanzstoff“ aktiv sind, die Hoffnung, sie würden in den Kampf um den Erhalt des Werkes einsteigen. Die AktivistInnen der Plattform „Pro Glanzstoff“ wurden bitter enttäuscht und versuchen jetzt aktiv Druck auf Betriebsrat und Gewerkschaft auszuüben. Die Demonstration war ein Ausdruck dafür: Sie hatte die ÖGB-Zentrale in St. Pölten als Ziel, wo eine Kundgebung stattfand, um die ÖGB-Spitze vielleicht endlich doch noch zum Handeln zu zwingen. Die Zeit ist mittlerweile knapp geworden, im Dezember soll das Werk geschlossen werden. Auf der Kundgebung fand sich der zuständige Sekretär der Chemiegewerkschaft ein, der die Demonstration als ein falsches Zeichen bezeichnete und uns mit ausweichenden Antworten zur Haltung des ÖGB abspeisen wollte. Doch diese wollten nicht klein beigeben und luden ihn ein, im Anschluss zum Treffen von „Pro Glanzstoff“ zu kommen und konstruktiv beim Aufbau von Widerstand mitzuarbeiten.
Die Debatte beim „Pro Glanzstoff“-Treffen verlief im wesentlichen zwischen zwei Lagern: Auf der einen Seite standen die Beschäftigten sowie die AktivistInnen von „Pro Glanzstoff“ (unter anderem LINKE-Kandidat Kazim Yilderim), denen es darum ging, eine weiterführende Strategie zu entwickeln und nächste Aktionen zu planen. Auf der anderen Seite standen der zuständige Sekretär der Chemiegewerkschaft sowie der Arbeiter- und der Angestellten-Betriebsrat der Glanzstoff, die immer wieder davor warnten, den Beschäftigten im Betrieb „falsche Hoffnungen“ zu machen und dies als Rechtfertigung für ihre Untätigkeit benutzen wollten. Der Gewerkschaftssekretär erklärte das Schweigen des ÖGB unter anderem damit, dass es dazu nichts zu sagen gebe: „Denn solange es keinen willigen Käufer für die Glanzstoff gebe – so sein Argument – könne man etwa auch nicht fordern, dass die Glanzstoff in öffentliches Eigentum überführt werden solle“. Doch lediglich die Bitte an den Staat, das Werk zu übernehmen, wird nicht zielführend sein. Der Staat wird sich dazu nur dann bereit erklären, wenn der entsprechende politische Druck dazu aufgebaut wird. Die Gewerkschaftsführung ist jedoch offensichtlich nicht daran interessiert, ernsthaft gemeinsam mit der Belegschaft Widerstand zu organisieren.
Der Arbeiterbetriebsrat sah sich mit massiven Vorwürfen der anwesenden Arbeiter bezüglich der vorigen Betriebsversammlung konfrontiert. Diese war auf Druck der „Pro Glanzstoff“-Arbeiter zustande gekommen, um allfällige Kampfmaßnahmen zu besprechen und den Betriebsrat zu ermächtigen, diese zu organisieren. Der Betriebsrat hatte jedoch das Management eingeladen, das die Hauptzeit der Versammlung beanspruchte, worauf für die Arbeiter keine Zeit mehr blieb, das eigene Vorgehen unter Ausschluss des Managements zu besprechen. Schließlich erklärte sich der Betriebsrat bereit, gemeinsam mit den Arbeitern von „Pro Glanzstoff“ eine weitere Betriebsversammlung einzuberufen, die nun im Interesse der Beschäftigten stattfinden soll. Die Arbeiter wollen diese Möglichkeit auch dazu nutzen, den frustrierten KollegInnen ein Angebot zu machen, gemeinsam zu kämpfen und sich zu organisieren. Denn eines ist klar: Cornelius Grupp will noch bis Mitte Dezember einige Produktionsaufträge erfüllen – das ist der Hebel, wo die Belegschaft wirtschaftlichen Druck machen kann.
Insgesamt war die Demonstration und die anschließende Diskussion unter den gegebenen Umständen ein Erfolg. Durch die Hinhaltetaktik der Gewerkschaft ist die Zeit mittlerweile knapp geworden und viele Beschäftigte haben den Mut verloren, was sich unter anderem in der geringen Beteiligung an der Demonstration ausdrückte. Nichtsdestotrotz ist die Festlegung einer weiteren Betriebsversammlung sowie die Planung einer weiteren Demonstration (diesmal mit Gewerkschaftsunterstützung) ein Erfolg, der lediglich auf den Druck der „Pro Glanzstoff“-Arbeiter und –AktivistInnen auf Betriebsrat und Gewerkschaft zurückgeht.
Denn selbst wenn eine Werksschließung vielleicht nicht mehr verhindert werden kann, so kann durch Kampfmaßnahmen mehr erreicht werden – so etwa ein besserer „Sozialplan“ – als durch Untätigkeit und bereitwillige Zustimmung zu den Plänen von Grupp. Denn wie viel in einem Arbeitskampf erreichbar ist, hängt immer auch davon ab, wie viel Druck die Belegschaft auf den Unternehmer ausübt. Auch wenn es schon sehr spät ist:
Noch zahlt es sich aus für die Glanzstoff zu kämpfen. Alle KollegInnen in der Glanzstoff, die das wollen, müssen aufpassen, dass die kommende Betriebsversammlung nicht wieder „umfunktioniert“ wird. Das heißt vor allem, bei Einladung, Tagesordnung und Moderation dabei zu sein. Mit Aktionen aus dem Werk, die Grupp wirtschaftlich spürt und einer starken Demonstration, die eine österreichweite Solidaritätsbewegung auslösen könnte, gibt es eine Chance, die Arbeitsplätze noch zu erhalten.