Di 07.11.2006
Eine Art blinder Panik ergreift Teile der politischen Elite der USA, gleichzeitig gibt es beispiellose und offene Auseinandersetzungen zwischen Blair und seinen Vertretern und Generälen in der Britischen Armee. Seit einiger Zeit äußern sich pensionierte Generäle offen kritisch zu Bushs Politik im Irak. Jetzt ist die Rede von „neuen Taktiken“ und einem schnelleren “Zeitpunkt für den Rückzug von Truppen”. Warum der plötzliche Umschwung? Weil die Auswirkungen des aufkommenden blutigen Bürgerkrieges im Irak, der Besatzung und zivilen Opfer, sozialer Zersetzung und Chaos im Irak bedeuten, dass die Ablehnung der imperialistischen Besatzung des Iraks immer neue Stufen erreicht. Dies ist besonders der Fall in den USA, wo nächste Woche die Senatswahlen als auch die Wahlen zum Repräsentantenhausstattfinden werden. In den letzten Paar Wochen hat es einen Stimmungsumschwung in der US- Bevölkerung gegeben, was den Krieg im Irak betrifft.
Unglaublicherweise war Bush sogar gezwungen, in einem Bundesweiten Fernsehinterview einige Vergleiche zwischen der Situation, mit der seine Regierung konfrontiert ist und der Lyndon Johnsons während des Vietnam – Krieges, als die Tet - Offensive gestartet wurde, zu ziehen. Diese war eine simultaner Angriff der Nationalen Befreiungskräfte der nordvietnamesischen Armee und des Vietcong gegen 41 Städte unter US-Protektion gewesen. Währen sie eine militärische Niederlage für die Nordvietnamesen darstellte, war sie auch eine riesige Propagandaniederlage für den US – Imperialismus gewesen und wirkte als Katalysator, um die öffentliche Meinung in den USA gegen den Krieg zu wenden.
Dies ist das erste Mal, dass ein langjähriges Mitglied der Bushregierung in der Öffentlichkeit irgendeinen Vergleich mit dem Vietnam – Krieg gezogen hat, der eine historische Niederlage für den US- Imperialismus war. Es ist ein Hinweis auf die Krise, der sich der US- Imperialismus gegenüber sieht, dass es Bush selbst war, der den Vergleich anstellte.
Ein noch schlimmeres Eigentor für Bush war das Interview, welches Alberto Fernandez, der „Director of public diplomacy at the state department"s bureau of near eastern affairs“ beim Sender Al- Dschasira gab, in welchem er die US-Politik im Irak als “arrogant” und “dumm” beschrieb. Nicht überraschend, das er später seine Aussagen widerrief.
Durchschnittlich werden am Tag hundert irakische ZivilistInnen umgebracht– eine trockene Statistik, die kein richtiges Gefühl für den absoluten Horror und des Kummer vermittelt, den tausende irakische Familien jede Stunde jeden Tages durchmachen aufgrund der Katastrophe, die der Imperialismus geschaffen hat.
Während es einen Aufstand gegen die amerikanische und die britische Besatzung gibt, herrscht der brutale Bürgerkrieg vor, der sich ständig ausbreitet und immer brutaler wird, vor dem Hintergrund des sozialen Zusammenbruchs und krimineller Banden, die im ganzen Land operieren und Arbeiterfamilien terrorisieren. Die irakische Armee und Polizei sind sowohl von schiitischen wie auch sunnitischen Milizen infiltriert worden, die sektiererische Angriffe verüben und ethnische Säuberungsaktionen aufziehen. Die Anzahl verschiedener Sicherheitskräfte steigt jeden Tag an, da Politiker und Mitglieder der korrupten Elite Maßnahmen ergreifen, um sich selbst und ihre Interessen zu schützen.
Sogar „Politikinitiativen”, die der US-Imperialismus und seine britischen Verbündeten unternehmen, enden im Desaster. Im letzten Monat gab es mit über 78 Personen den bisherigen Höchststand an amerikanischen Todesopfern. Und dass, obwohl 12 000 zusätzliche US- Soldaten nach Bagdad geschickt worden sind, um dabei zu helfen, den Aufstand zu zerschlagen. Der Gewaltpegel ist angestiegen und Major General Caldwell sagte, dass die Operation „nicht unsere gesamten Erartungen erfüllt hat, was ihre Bestärkung des Gewaltrückgangs betrifft”.
Über diese Katastrophen wird in den Fernsehnachrichten in der ganzen Welt jeden Tag berichtet. In den USA wurden die Ablehnung des Krieges, Sexskandale und massive Korruption die treibenden Kräfte für einen Zusammenbruch der Unterstützung für die Bush - Regierung. Bush wird nun von 52% der Bevölkerung negativ wahrgenommen und der Zuspruch für den von den Republikanern geführte Kongress liegt bei 16%, ein historisches Tief. Die Liste der republikanischen Senatoren und der Kongressabgeordneten, die auf die Notwendigkeit für eine taktische Wende für den Irakkrieg hinweisen, wächst von Tag zu Tag. Sie werden wahrscheinlich keine Regierungspensionen nach dem Wahltag beziehen, da die meisten Experten prophezeien, dass die Republikaner möglicherweise sowohl die Kontrolle über den Senat, als auch über das Repräsentantenhausverlieren.
Die „Iraqi Study Group“, die vom Kongress ins Leben gerufen worden war und von James Baker geführt wird, dem ehemaligen Staatssekretär unter Bush senior, hat Bush Junior weitere schlechte Neuigkeiten beschert. Es ist ziemlich klar, dass diese Gruppe von alteingesessenen Mitgliedern der politischen Elite der USA nicht glaubt, dass die gegenwärtige US –Strategie funktionieren wird und dass ein Rückzug nötig ist. Dies spiegelt eine breitere Stimmung unter Teilen der herrschenden Klasse der USA für die Notwendigkeit wider, die Situation in den Griff zu bekommen, bevor die Bush – Regierung noch tiefer in den Sumpf Irak versinkt. Jedoch nimmt selbst Baker wahr, dass der US – Imperialismus vor dem Rückzug eine Art Vorwand finden leisten muss, dass ein “Sieg”, wie hohl immer, verkündet werden kann. Baker hat bereits gesagt, es gäbe „keinen Trick 17 für die Lage. Es ist sehr, sehr schwierig.”
Undichte Stellen im ISG schlagen vor, dass sich die USA zu ihren Basen im mittleren Osten zurückziehen sollte oder eine Annäherung an Iran und Syrien, um dem Aufstand Herr zu werden. Selbst Baker spielte bereits auf die Absetzung der Maliki – Regierung an wegen ihres Versagens, mit dem Aufstand und dem aufkommenden Bürgerkrieg umzugehen. Einige internationale Kommentatoren haben eine Militärjunta gefordert, um die Ordnung wiederherzustellen. Selbst Bush und Blair haben die Idee einer so genannten “Demokratie” aufgegeben und wollen stattdessen “Stabilität”. Doch selbst unter Einsatz brutaler Militärmacht würde ein Militärputsch nicht in der Lage sein, Ordnung in einem Land mit solch einer ethnischen Vielfalt zu schaffen, wo bewaffnete Milizen vorgeben, die jeweilige Gruppe zu präsentieren.
Andere Vorschläge beinhalten die Spaltung des Landes in drei Teile: einen kurdischen Norden, einen sunnitischen Gürtel und einen schiitischen Süden. Dies ist ein Rezept für Blutvergießen großen Ausmaßes – es wäre in Teilen eine Wiederholdung des menschlichen Katastrophe die die Aufspaltung des asiatischen Subkontinentes 1948 in Indien und Pakistan mit sich gebracht hatte, die 10 Millionen Flüchtlinge geschaffen hat und über 1 Million Tote bei den Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen.
SozialistInnen und GewerkschafterInnen, junge ArbeiterInnen und Studentinnen weltweit müssen für den sofortigen Rückzug der imperialistischen Besatzungskräfte aus dem Irak kämpfen. Aber dies ist nur ein Teil des Kampfes. Eine Bewegung der Beschäftigten und jungen Menschen muss innerhalb des Iraks aufgebaut werden über ethnische und religiöse Grenzen hinweg, der sich gegen die reaktionären bewaffneten Milizen und den brutalen Bürgerkrieg wendet. Dazu muss für ein Programm, wie Iraks reichen Naturressourcen für die Bedürfnisse der Abeiterklasse zu nutzen sind, die die Mehrheit der Bevölkerung ausmacht, gekämpft werden- ein Massenprogramm zur Schaffung von Arbeit, Wohnungsbau und Nahrungsversorgung, Energieversorgung und medizinischer Versorgung. Solch ein sozialistisches Programm würde die Rechte aller ethnischen und religiösen Minderheiten garantieren und für den Aufbau einer multi-ethnischen Verteidigungskraft eintreten, um alle Arbeitergemeinden gegen jede Art von ethnischen und religiösen Säuberungsaktionen der Milizen zu verteidigen. Nur wenn der Irak in den Händen der Arbeiterklasse ist und seine Wirtschaft und die Gesellschaft demokratisch kontrolliert werden, können Korruption und Gewalt, welche die Landschaft überzogen haben, für Jahrzehnte vermieden werden.