Di 10.10.2006
Die Berliner Wahlen endeten mit einer schallenden Ohrfeige für die Parteien des Establishments im Allgemeinen und die Linkspartei.PDS im Besonderen. Der Tagesspiegel titelte: Das große Misstrauensvotum.
Totale Absage an Establishment
Die regierende Linkspartei.PDS halbierte ihre Stimmenzahl von ca. 370.000 auf ca. 185.000 Stimmen. Die ebenfalls regierende SPD – die sich als große Wahlsiegerin feiert – verlor ebenfalls etwa 55.000 Stimmen. Nimmt man 42% NichtwählerInnen, die 13,7% für jene Parteien, die an der 5%-Hürde scheiterten, und die 3 % ungültigen Stimmen hinzu, kommt ans Licht, dass weit weniger als die Hälfte der Stimmberechtigten für eine im künftigen Abgeordnetenhaus vertretene Partei stimmten.
Eindrucksvolles Lebenszeichen der Linken
Die erstmals antretende WASG konnte aus dem Stand 52.000 Erststimmen und 40.600 Zweitstimmen erringen (3,8% bzw. 2,9%). Der beste Direktkandidat kam auf über 10% in seinem Wahlkreis. WASG-Spitzenkandidatin Lucy Redler (auch Mitglied der SAV, Sozialistische Alternative, Schwesterorganisation der SLP) erreichte in ihrem Wahlkreis mehr als 7% der Stimmen. Darüber hinaus zog die WASG in sieben Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) mit insgesamt 14 Abgeordneten ein. Drei dieser Abgeordneten sind auch Mitglieder SAV. Das Argument von Lafontaine und Linkspartei.PDS, dass die WASG Mitschuld am Verlust von 185.000 Stimmen trage, wird durch folgende Zahl ad absurdum geführt: Nur jedeR dritte WASG-WählerIn wählte beim letzen Mal PDS, das entspricht etwa 17.000 Personen. 2 von 3 WASG-WählerInnen konnten also neu für die Linke gewonnen werden.
Wermutstropfen und Widerstände
Der einzige Wermutstropfen an dem hervorragenden Ergebnis ist das Nichterreichen der undemokratischen 5%-Hürde. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Erstens machte die WASG-Bundesspitze um Lafontaine Wahlkampf für die Linkspartei.PDS mit der sie fusionieren möchte, obwohl diese am massiven Sozialabbau in Berlin beteiligt ist. Das ging so weit, dass Inserate mit WASG-Logo geschaltet wurden, die zur Wahl der Linkspartei.PDS aufrufen. Das Wahlkampfbudget beschränkte sich ohne bundesweite Unterstützung auf magere 55.000 Euro. Zweitens existiert die WASG in ihrer Berliner Eigenständigkeit erst seit gut 6 Monaten, ein relativ kurzer Zeitraum also um bekannt zu machen, was anders an dieser WASG ist. Drittens – und das ist wohl der wichtigste Grund – ist das Vertrauen der BerlinerInnen in politische Parteien im Allgemeinen nach Jahren des rot-roten Kahlschlags tief erschüttert. Immer wieder mussten die GenossInnen bei Wahlkundgebungen hören: “Eure Ideen sind gut, aber warum sollen wir euch glauben, dass ihr nicht nach der Wahl genauso überlauft wie all die anderen Parteien?”
Die WASG Berlin muss erst beweisen, dass sie nicht nur im Wahlkampf Streikende (z.B. bei der Charite oder Bosch-Siemens-Haushaltsgeräte) aktiv unterstützt und Kämpfe (z.B. gegen Wohnungsprivatisierung des rot-roten Stadtsenats) initiiert, sondern nach der Wahl – durch 14 Mandatare in BVVen gestärkt - den Widerstand weitertreibt und Stachel im Fleisch der Berliner Politikerkaste bleibt. Der enorm gesteigerte Bekanntheitsgrad und das mehr als respektable Wahlergebnis sind dafür ein guter Grundstein.