Di 06.06.2006
Was für eine Woche! Sonntags kann die – zu diesem Zeitpunkt noch als Landesvorstand abgesetzte – Spitzenkandidatin der WASG Berlin, Lucy Redler, bei Sabine Christiansen vor 3,8 Millionen Fernsehzuschauern die Hartz IV-Politik der etablierten Parteien anklagen und zur Großdemonstration gegen die Merkel-Münte-Koalition aufrufen. Mittwochs wird der Landesvorstand der WASG Berlin durch einen Beschluss des Landgerichts wieder in sein Amt eingesetzt. Donnerstags entscheidet der Landeswahlausschuss endgültig, dass die Berliner WASG bei den Abgeordnetenhauswahlen am 17. September antreten kann. Samstags demonstrieren über 15.000 im strömenden Regen gegen die sogenannten „Reformen“ der Bundesregierung. Und heute liegt die WASG Berlin in einer repräsentativen Meinungsumfrage erstmals bei fünf Prozent der Stimmen!
„Sollen sie doch in ihrem eigenen Saft schmoren“, hatte Klaus Ernst, Bundesvorstands-Mitglied der WASG nach der Landgerichts-Entscheidung am Mittwoch ausgerufen. Nach eigenem Saft sieht das gar nicht aus. Schon auf der Großdemonstration gegen Sozialabbau am Samstag war der Info-Stand der WASG Berlin umlagert und stieß auf größtes Interesse. Viel Zuspruch erfuhr auch Spitzenkandidatin und SAV-Mitglied Lucy Redler, der immer wieder wildfremde Menschen während der Demo auf die Schulter klopften und viel Glück wünschten. Dies ist auch Ausdruck der Anerkennung und Verankerung, die die Berliner WASG unter Gewerkschaftsaktivisten und sozialen Bewegungen hat. Dies zeigt sich auch bei der Zusammensetzung der Landesliste: Hier finden sich aktive GewerkschafterInnen wie der verdi-Betriebsgruppenvorsitzende an der Charité, Carsten Becker, die GEW-Aktivistin Renate Herranen und die S-Bahn-Betriebsrätin Kerstin Fürst neben dem stadtbekannten Antifaschisten Michael Kronawitter, profilierten Berliner Linken wie Michael Prütz und Sebastian Gerhardt und dem Aktivisten des Bürgerbündnisses gegen Privatisierung, Hermann Werle. Die WASG Berlin stellt unter Beweis, dass sie das Potenzial hat, um die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken und ins Abgeordnetenhaus einzuziehen.
Nach den Entscheidungen der Woche ist das Hin und Her um die Kandidatur endlich vorbei. Es gibt Gewissheit, dass die WASG Berlin kandidiert und auch der letzte Zweifler weiß nun, dass der Landesverband standhaft ist und gegen alle Widerstände an seinen politischen Prinzipien festgehalten hat.
Lucy Redlers Auftritt bei Sabine Christiansen hat nicht nur Argumente an Millionen ZuschauerInnen vermittelt, sie hat auch den von Hartz IV und Armut Betroffenen aus der Seele gesprochen und gleichzeitig unter Beweis gestellt, dass die WASG Berlin eine ernstzunehmende Kraft ist. Dutzende Emails und Anrufe, Menschen die nach der Sendung ihren Eintritt in die WASG erklärten unterstreichen die Wirkung des Fernsehauftritts.
Schon am Freitag Abend zeigte sich das Potenzial der Berliner WASG, als bei einer relativ kurzfristig eingeladenen ersten Wahlkampfveranstaltung knapp 150 Personen anwesend waren (und das parallel zum letzten Testspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft). Die Stimmung im Saal war hervorragend, die DKP-Vertreterin hatte sogar zwei Flaschen Sekt mitgebracht.
Die Umfrage ist nur eine Umfrage und es wird bis zum Wahltag möglicherweise noch niedrigere Umfragewerte geben. Aber eines kann nun niemand mehr behaupten: die WASG sei chancenlos. Fünf Prozent bevor der Wahlkampf überhaupt losgegangen ist werden nicht nur eine große Motivation für die WASG-Mitglieder sein. Zu wissen, dass der Einzug ins Abgeordnetenhaus realistisch ist, wird viele Menschen dazu bringen, diesmal doch zur Wahl zu gehen und WASG anzukreuzen – darunter zweifelsfrei auch das eine oder andere unzufriedene Mitglied von LPDS und SPD.