Do 02.03.2006
Erzählt man als Österreicher vom Australienurlaub, kommen fast immer drei Reaktionen: Crocodile Dundee, Kängurus und die Australien Open, meistens sogar in dieser Reihenfolge. Es ist fast schon bedrückend im Rahmen einer Reise schließlich mitzukriegen, wie wenig auch politisch interessierte Menschen, über die bewegte Vergangenheit und Gegenwart des Landes wissen.
Rote Fahnen – selbst im Zoo
Besucht man als Gewerkschafter Melbourne, die Hauptstadt von Viktoria im Südosten des Landes, so stößt man schnell auf die kämpferische Gewerkschaftstradition. Sogar im Tiergarten weht die rote Fahne der Bauarbeitergewerkschaft. “Die Umbauarbeiten an diesem Tiergehege werden von einem gewerkschaftlich organisierten Betrieb durchgeführt“, soll die Fahne ausdrücken. Fahnen und Transparente von Gewerkschaften begegnet man an vielen Ecken und Enden. Man wird ebenso daran erinnert, dass die ersten Australier keine Verbrecher waren, sondern Gefangene eines unverhältnismäßig brutalen englischen Strafgesetzes das schon den Diebstahl von Lebensmittel mit vielen Jahren Gefängnis bestrafte. Abertausende meist arbeits- und obdachlose Jugendliche wurden so nach Australien verschifft. Dazu kommt der Widerstand und die Unterdrückung der Ureinwohner, die großen Bergarbeiterstreiks, der Kampf um den 8-Stundentag u.v.m.
Kampf um soziale Rechte neu entfacht
Im November 2005 beschloss die rechtskonservative Regierung unglaubliche soziale und politische Verschlechterungen. Geplant sind unter anderem: ein für Unternehmer großzügiges Schadenersatzrecht gegen einzelne ArbeiterInnen bei Streiks, die Möglichkeit dem Arbeitnehmer zu verbieten über den Inhalt seines Arbeitsvertrags mit dritten Personen (Gewerkschaft, KollegInen, Rechtsanwälten) zu sprechen, Einschränkungen für Betriebsräte, und vieles mehr. Bei einem Sozialsystem das weniger auf Gesetzte sondern auf von Gewerkschaften erkämpfte und überwachte kollektivvertragliche Regelungen beruht, sind solche Angriffe besonders dramatisch. Kämpferische Gewerkschafter, Basisaktivisten in Betrieben und linke Gewerkschaftsgruppen konnten, unterstützt vom Unmut in den Betrieben den australischen Dachverband der Gewerkschaften in den Kampf zwingen. So gingen am 15.11. 05 vormittags mehr als eine halbe Million Menschen (bei knapp 20. Millionen Einwohner) auf die Strasse. In Melbourne (mit knapp 2 Millionen Einwohnern) waren es über 250.000 Menschen. Da die Demonstration vormittags stattfand wurde in vielen gewerkschaftlich gut organisierten Großbetrieben die Arbeit unterbrochen. Die Socialist Party (SLP-Schwesterorganisation in Australien) beteiligte sich in drei Städten (Sydney, Perth und Melbourne) an den Demonstrationen.
Die Arbeit unserer Schwesterpartei
Die Arbeit der SP ist geprägt vom Kampf gegen Rassismus einerseits und der Arbeit in verschiedenen Gewerkschaften anderseits. Mehrere GenossInnen haben Funktionen in der traditionell linken Bauarbeitergewerkschaft oder andern Gewerkschaften. Ein großer Erfolg gelang der Ortsgruppe in Melbourne mit dem Einzug in den 9 köpfigen Stadtrat von “Yara“, einem Stadtteil von Melbourne mit 100.000 Einwohnern der vor allem ImmigrantInnen, ArbeiterInnen, studentischen Jugendlichen und Künstlern geprägt ist. Die Stadtratsarbeit reicht von der Mobilisierung für die Rechte von Straßenmusikanten, Anrainerbeschwerden bis zu verschieden Gewerkschaftsthemen.
Kampf gegen rassistische Ausschreitungen
Am 9.2. könnten Antirassismus, Gewerkschaftsarbeit und Stadtrat optimal verbunden werden. Stephen Jolly der SP-Stadtrat in Yarra, nahm die rassistischen Ausschreitungen an den Stränden von Sydney im letzten Dezember zum Anlass, zu fragen, wie Gewerkschaften gegen Rassismus kämpfen sollten. Er lud 2 große Gewerkschaften und Vertreter der muslimischen Gemeinschaft in die Gemeindehalle. Durch den Cartoonstreit bekam das Thema neue Nahrung und über 200 Menschen erschienen. Viele Basisaktivisten und Betriebsräte muslimischer und nichtmuslimischer Herkunft legten dort ein Bekenntnis für den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und die neoliberalen Attacken der australischen Regierung ab. Nachzulesen auf der Homepage der Elektrikergewerkschaft ETU.
Wer die österreichische Gewerkschaftspolitik gewohnt ist, wird in Australien immer wieder von der Spontanität, dem unbürokratischen Zugang und der Offenheit australischer Gewerkschafter überrascht sein. Man fliegt zurück mit dem Gedanken, was alles möglich wäre, wenn die österreichischen Gewerkschaften ihren sozialpartnerschaftlichen Weg endlich verlassen würden.