Fr 20.01.2006
Die kürzlich gewählte Präsidentin war seit ihrer Jugend Aktivistin der Partido Socialista – PS (Sozialistische Partei Chiles). Bachelet ist die Tochter eines linken chilenischen Luftwaffengenerals, der an den Folgen der Folter im Gefängnis starb, nachdem er während des Militärputsches 1973 verhaftet wurde. Bachelet selbst wurde ebenso wie auch ihre Mutter gefoltert und beide mussten ins Exil fliehen. Bachelet ist alleinerziehende Mutter und teilt diese Erfahrung mit mindestens 30% aller chilenischen Haushalte. Nach den Wahlen zeigten die unzähligen Siegesfeiern der Parteimitglieder, wie ihr Werdegang Bachelet dazu befähigte politisches Profil zu erlangen. Zweifellos werden hohe Erwartungen an die neue Regierung gestellt. Viele ChilenInnen sind voller Hoffnung, dass sich unter dieser vierten Concertacíon-Regierung die Dinge im fortschrittlichen Sinne verändern werden. Concertacíon-Regierung meint, dass es sich um die sogenannte Koalition der Parteien für Demokratie handelt, zu der die Christdemokraten (PDC), die Partei für Demokratie (PPD), die Sozialdemokratische Radikale Partei (PRSD) sowie die Sozialistische Partei Michel Bachelets (PS) gehören.
Es gibt aber auch noch eine andere Seite in der politischen Biografie Bachelets, die erahnen lässt, welche Richtung die neue Regierung tatsächlich einschlagen wird. Zu einer Kursänderung im Gegensatz zu den vorangegangenen neoliberalen Concertacíon-Regierungen wird es wohl kaum kommen. So war die designierte Präsidentin vor ihrer Wahl bereits Ministerin für Verteidigung und Gesundheit. Und in diesem Amt versagte sie bereits in eindrucksvoller Weise. Von einer neuen oder verändernden Politik ließ sie nichts durchblicken und von einer Abkehr vom neoliberalen Kurs des ehemaligen Präsidenten und Vorsitzenden der PS, Ricardo Largos, kann absolut keine Rede sein. Während der Rechts-Entwicklung der chilenischen Sozialistischen Partei tat sich Michel Bachelet nicht eben dadurch hervor, dass sie die Entartung ihrer Partei in der Regierung kritisierte. Das Paradoxe an allen bisherigen Concertacíon-Regierungen ist, dass sie sich stets die „soziale Gerechtigkeit“ auf´s Tapet geschrieben und statt dessen den Graben zwischen arm und reich nur noch weiter vergrößert haben. Stets wurden die bevorzugt behandelt, die sowieso schon die Kontrolle über die wichtigsten Wirtschaftsbereiche vom Bergbau über das Finanzwesen bis hin zum Einzelhandel gewonnen haben: die Großkonzerne und die Oligarchen. Zudem haben die multinationalen Konzerne ihren Einfluss auf die chilenische Volkswirtschaft weiter ausbauen können. Ein Ergebnis von alledem ist, dass Chile mittlerweile in der Vermögensverteilung schlechter dasteht als Äthiopien. In Lateinamerika kann das nur noch von Brasilien unterboten werden. In Chile erhalten 20% der Bevölkerung 60% des Vermögens. Unter der Militärdiktatur Pinochets wurden zwei neoliberale Modelle kapitalistischer Akkumulation (=Anhäufung von Kapitalvermögen) eingeführt, die beide von den Concertacíon-Regierungen weiter geführt wurden und das chilenische Gesamtvermögen deutlich in eine Richtung verschoben haben. Dabei muss nun betont werden, dass nichts in Bachelets Wahlprogramm darauf hinweist, an diesem (un-)sozialen und wirtschaftlichen Modell etwas zu ändern. Sie ist im Gegenteil vor die Mikrofone getreten und hat verkündet, dass für die chilenischen wie internationalen Konzerne dieselben Spielregeln gelten werden wie bisher.
Bekannte chilenische Konzernchefs haben bereits zum Ausdruck gebracht, dass sie großes Vertrauen in das von Bachelet zusammengestellte „Wirtschafts-Team“ legen. Dieses Team besteht in erster Linie ausgerechnet aus den Teilen der vormaligen Concertacíon, die den Wirtschaftsliberalen zuzurechnen sind. Doch den Lakmustest geben wieder einmal die internationalen Märkte wie z.B. Wall Street. Hier interpretierte man den Wahlausgang in Chile eher uneinheitlich.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Menschen auf kurzfristige Entwicklungen häufig enttäuscht, aufmüpfig oder frustriert reagieren. Die chilenischen Wahlen haben nun gezeigt, dass das Hauptproblem, dem sich die Arbeiterklasse gegenüber sieht, der Mangel an politischer Repräsentanz ist. Alle Parteien, die sich vormals als Vertreter der „Arbeiter und Armen“ betitelt haben, sind ihrer aktiven Mitgliedschaft abhanden gekommen. Die Entwicklung der PS geht soweit, dass von einer Umwandlung zu einem Honoratioren-Club gesprochen werden kann, der nur darauf bedacht ist, seine Mitglieder zu bereichern, sie mit Direktorenposten in den alten Staatsbetrieben auszustatten, die sie selbst mittlerweile wiederum privatisiert hat. Diese alten Parteien haben es aufgegeben, neue aktive Schichten für sich zu gewinnen. Auch ist der Anspruch auf Unabhängigkeit längst Schnee von gestern und die Partido Comunista – PC (chilenische kommunistische Partei) hat sich für ihren Teil auf das beklagenswerte Überbleibsel einer ehemaligen Massenpartei reduziert, bei der die Massen unterdessen außerhalb der Partei agieren. Dass die PC-Führung im zweiten Wahlgang zur Wahl Bachelets aufgerufen hat, zeigte zuletzt auch ihrer Mitgliedschaft, dass die Partei nicht mehr den politischen Willen hat, gegen die kapitalistischen Verhältnisse zu kämpfen. Seit Jahrzehnten hat die Wendehals-Politik der PC-Führung nun zum ersten Mal zu einer tiefen Krise auch in der Parteilinken und in den Jugendorganisationen geführt.
Um eine allzu große Enttäuschung über die Regierung Bachelet zu verhindern, muss sehr schnell der Anlauf für eine neue Arbeiterpartei unternommen werden. Weite Teile der ArbeiterInnen und auch der Jugend, die kurz davor stehen zu frustrieren, in Apathie zu verfallen oder politischer Demoralisierung zu unterliegen sind das Alarmsignal! Eine solche neue Organisation könnte ein demokratisches und sozialistisches Programm vorwärts bringen und müsste dabei unabhängig von den Koalitionen bleiben, die nur die Macht der herrschenden Klasse zementieren, gemeint ist sowohl die rechte Allianz wie auch die Concertacíon.