Stellungnahme der Sozialistischen LinksPartei anlässlich des Todes von Papst Johannes Paul II

SLP-Bundesleitung

Nach dem Tod des Papstes scheint eine Welle der Trauer die Welt erfasst zu haben. Wir versuchen die Ursachen für diese Trauer, aber auch das Wirken von Papst Johannes Paul II näher zu beleuchten.
 
1. Warum trauern Millionen?

  •  Hunderttausende standen in Rom Schlange, um einen

    letzten Blick auf den toten Papst werfen zu können. Millionen wollten zum

    Begräbnis kommen oder es zumindest live im Fernsehen mitverfolgen. Die Tränen

    all dieser Menschen sind nicht gespielt. Es ist echte Trauer, die sie erfasst.

    Aber woher kommt diese Trauer und wer trauert? War Papst Johannes Paul II ein

    besserer Papst als seine Vorgänger? Ist es Massenhysterie? Sind alle die trauern

    religiöse FanatikerInnen? All diese Erklärungsmuster greifen zu kurz. Neben

    jenen, die trauern „müssen“, wie die religiösen WürdenträgerInnen, sind viele

    „normale“ Menschen, auch fortschrittliche, die den Papst in manchen Fragen

    sogar kritisierten, die echte Tränen vergießen.

  • Die mediale Vermarktung dieses Papstes und seines

    Ablebens ist enorm. Durch die Medien wurde Papst Johannes Paul II zu einem

    Papst dessen Wirken man fast „hautnah“ miterleben konnte. Er wurde –

    insbesondere in den letzten Jahren – zum „guten Menschen“ schlechthin

    hochstilisiert, seinen Krankheiten und Leiden wurde ein fast heiliger Charakter

    verliehen. Der Vatikan ist neben dem Kirchenstaat auch ein Wirtschaftsimperium,

    der dieses Medienspektakel und dieses Bild ganz bewusst gezeichnet hat – auch

    als Gegengewicht zum durch diverse Kirchenskandale angegriffenen Kirchenimage.

  • Die Trauer der Menschen drückt aber auch den Wunsch

    nach Antworten, nach Lösungen, nach einem Ausweg aus den immer erdrückender

    werdenden Problemen aus. Die Diskussion um „Werte“, die auch im US-Wahlkampf

    eine zentrale Rolle gespielt hat, kommt nicht von ungefähr. Sie ist die

    Reaktion auf einen immer brutaleren Kapitalismus, in dem der Mensch immer

    offensichtlicher keine Bedeutung als Mensch mehr hat, sondern nur als

    ProduzentIn oder KonsumentIn. In einer zunehmend „entmenschlichten“ Welt können

    Religionen – seien es etablierte oder sogenannte „Sekten“ – wieder verstärkt

    Zustrom verzeichnen, weil sie als Hort der Sicherheit auftreten. Diese

    Zuwendung zu Religionen ist auch eine Reaktion auf das Wegfallen bzw. die

    Korruptheit der großen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung. Früher konnten

    diese Antworten geben (keine religiösen sondern solche, die den

    Klassencharakter des Systems deutlich machten), heute sind sie selbst Teil und

    Umsetzer des brutalen Kapitalismus. 

2.      Ein heiliger Mann?

  • Der Papst hat, obwohl zweifellos ein Konservativer, in

    manchen Fragen sogar reaktionärer, sich scheinbar kritisch zu Fragen wie Armut

    und Krieg geäußert. Papst Johannes Paul II hatte quasi „für jeden“ etwas zu

    bieten und konnte daher dieses Vakuum, das die ArbeiterInnenorganisationen

    hinterlassen haben, zumindest teilweise füllen.

  • Bei näherer Betrachtung seiner Positionen wird aber

    deutlich, dass auch Papst Johannes Paul II ein Systemerhalter war.

  • Im „Kalten Krieg“ (dem Konflikt zwischen den

    westlichen-kapitalistischen und den stalinistischen Staaten) präsentierte er

    sich als Vertreter der „Freiheit“ gegen „den Kommunismus“. Gerade in Polen

    bedeutete der starke ideologische Einfluss der katholischen Kirche in der

    Bewegung gegen das stalinistische Regime, die entscheidende Stärkung zum Teil

    extrem rechter, traditionell antisemitischer Kräfte in der Solidarnoc. Ebenso

    ist es durchaus diskussionswürdig, ob nicht gerade der Einfluss des Papstes

    dieser Bewegung Anfang der 80er Jahre ihre revolutionären Elan nahm und damit

    ihre Unterdrückung durch das Kriegsrecht ermöglichte. Karl Wojtyla Positionen

    waren zweifellos zutiefst antikommunistisch, d.h. gegen sozialistische und

    kommunistische Befreiungsideen gerichtet (die auch von den stalinistischen

    Machthabern bekämpft wurden). Bei den BündnispartnerInnen im Kampf gegen den

    „Kommunismus“ hatte er keine Berührungsängste und unterstützte auch blutigen

    Diktaturen, z.B. in Lateinamerika.

  • Papst Johannes

    Paul II hat, auch wenn er sich scheinbar für „die Armen“ einsetzte, das

    kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem praktisch nie in Frage

    gestellt. Er hat sich sogar offensiv und radikal gegen dessen KritikerInnen

    ausgesprochen, selbst wenn sie aus den eigenen Reihen kamen, wie die

    VertreterInnen der Theologie der Befreiung in v.a. Lateinamerika.

  • In Sexualfragen waren seine Positionen zutiefst

    menschenverachtend – durch das Verbot von Verhütungsmitteln förderte er die

    Verbreitung von Geschlechtskrankheiten (insbesondere Aids ist in Afrika eine

    tödliche Massenseuche) und von ungewollten Schwangerschaften. Der Umgang mit

    sexuellen Übergriffen in den eigenen Reihen (Kindesmissbrauch) war allerdings

    weit weniger streng. Seine Gleichstellung von Abtreibung und Holocaust stellt

    eine Verharmlosung des Nationalsozialismus dar, die all seine

    „Versöhnungsversuche“ mit dem Judentum ad absurdum führen.

  • Kirchenintern stärkte er den konservativ-reaktionären

    Teil durch die Ernennung zahlreicher Kardinäle und Bischöfe und setzte

    deutliche Zeichen durch die Selig- und Heiligsprechung von diversen

    Ultrarechten.

 
3.      Keine wirklichen Antworten auf die Fragen!

  • Auch wenn sich bei Papst Johannes Paul II Aussagen

    gegen Krieg, Hunger und Ausbeutung finden lassen, so war doch sein gesamtes

    Wirken auf den Erhalt dieses Systems – des Kapitalismus – der diese Übel mit

    sich bringt, gerichtet. Er hat nicht jene Bewegungen unterstützt, die dagegen

    ankämpften, sondern stets jene Regimes, die es verteidigten. Seine Appelle gegen

    die Armut konzentrierten sich darauf, das jene, die mehr haben, Almosen geben

    sollen und jene die nichts haben, beten sollen. Ein Konzept das schon die

    letzten Jahrtausende – egal von welcher Religion vorgebracht – nur den

    Herrschenden/Reichen genützt hat.

  • Das Vertrösten auf ein Jenseits, auf einen göttlichen

    Willen und Sinn war in der Vergangenheit immer ein Herrschaftsinstrument. Papst

    Johannes Paul II ist hier keine Ausnahme.

  • Die Lösung von Problemen wie Umweltzerstörung, Krieg,

    Ausbeutung, Seuchen liegt darin, die Ursachen zu erkennen – nämlich ein System

    in dem Menschen Profite auf Kosten von Menschen machen. Ein System dass nicht

    „gottgegeben“ ist, sondern verändert und bekämpft werden kann wenn sich

    Menschen zusammenschließen und für ihre Rechte eintreten. „Es rettet uns kein

    höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun...“ heißt es in der

    „Internationalen“, dem Lied der internationalen ArbeiterInnenbewegung. Die

    organisierte ArbeiterInnenbewegung hat in den letzten 150 Jahren mehr für die

    Verbesserung des Lebensstandards der breiten Massen erreicht, als die Kirche:

    soziale und demokratische Rechte. Zwar entstand unter dem Druck der

    erstarkenden ArbeiterInnenbewegung die katholische Soziallehre, aber erkämpft

    wurden die Verbesserungen durch die ArbeiterInnenbewegung. Denn im Gegensatz zu

    Kirchen, die die Menschen letztlich aufspalten (bis hin zu blutigen

    Konflikten), kann die ArbeiterInnenbewegung über religiöse und ethnische

    Unterschiede hinweg auf Grundlage der verbindenden Klasseninteressen Verbesserungen

    für alle ArbeiterInnen erreichen.

  • Wir sind nicht religiös, glauben an keinen Gott. Unsere

    Motivation kommt aus der Überzeugung, dass der Kapitalismus nicht in der Lage

    ist, die Probleme der Menschheit zu lösen und dass dies nur in einer neuen,

    sozialistischen Gesellschaft möglich ist. Wir sind aber offen für eine

    Zusammenarbeit mit Menschen, die heute religiöse Hoffnungen und Vorurteile

    haben, aber sich für eine „bessere Gesellschaft“ einsetzen wollen. Wir sind

    überzeugt, dass die Grenzen einer religiösen Lösung sich in der praktischen

    politischen Arbeit zeigen werden und deutlich wird, dass Freiheit nur  erkämpft und Armut nur überwunden werden

    kann, wenn die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, und für ihre

    Rechte und ihre Zukunft kämpfen. In diesem Kampf kommt einer kämpferischen,

    internationalen ArbeiterInnenbewegung die zentrale Aufgabe und Verantwortung

    zu.

Wien, 13.4.2005