Mi 22.02.2023
In den Jahrzehnten des Neoliberalismus wurde durch Globalisierung und weltweite Verstrickung der Lieferketten der Transportsektor immer wichtiger. Allein 2000-19 stieg die jährliche Anzahl von see-transportierten Containern in EU-Ländern von etwa 45 auf über 100 Millionen - in derselben Zeit stieg der Wert von exportierten Waren in Österreich von 120 auf fast 240 Milliarden US-Dollar.
Dieses enorme Wachstum kann nicht allein durch technische Innovationen gestemmt werden, es bedarf auch einer generellen Steigerung der Arbeitskraft. Schaut man sich die Statistiken an, ist relativ schnell zu erkennen, dass der Transportsektor hierzulande jedoch im selben Zeitraum kaum einen Zuwachs an Beschäftigten verzeichnen konnte: Wie kann dieser Widerspruch erklärt werden?
Liest man gewerkschaftliche Berichte und Arbeitssicherheit-Studien wird klar, dass die Arbeitsverdichtung im Logistikbereich international seit Jahrzehnten zunimmt. So schreibt die deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: “Hohe körperliche Anforderungen, hohe Arbeitsintensität und lange Arbeitszeiten [...] kennzeichnen die Arbeitsbedingungen”. Zusätzlich werden immer mehr Jobs auf Menschen in Billiglohnländern abgewälzt, wodurch die Lage für Beschäftigte noch prekärer wird: über 50% der Seeleute und Offiziere stammen aus Ländern des Globalen Südens: Philippinen, China, Indonesien, Indien usw.
Doch ein Ende der neoliberalen Ära zeichnet sich ab: fortschreitende De-Globalisierung und die Corona-Krise haben starke Auswirkungen auf den Transport & Logistik-Sektor. Beschäftigte dort waren unter den ersten, die von der Covid-Krise getroffen wurden. Unternehmen haben oft die Pandemie verwendet, um Jobs zu kürzen oder Löhne nicht zeitgerecht auszuzahlen, während sie gleichzeitig ihre Profite hoch hielten.
Auch die Klimakrise führt innerhalb der Branche zu großen Problemen. Trockene Flüsse hindern den Binnentransport per Schiff, was wiederum dazu führt, dass viele Häfen zu Stauplätzen werden und das Schienennetz dem Mehrbedarf nicht gerecht wird - in beiden Bereichen sind es die Arbeiter*innen, die diese Probleme am meisten spüren. All das führt nicht nur zu Burnouts und Frustration, sondern auch immer öfter zu Arbeitskämpfen in dem Bereich!
Nichts zu verlieren als unsere (Liefer-)Ketten!
Die wichtige Position des Transport- und Logistiksektors im globalen wirtschaftlichen System gibt den Beschäftigten potentiell eine unglaubliche Macht. Wir sehen momentan eine Reihe von Arbeitskämpfen auf der ganzen Welt. Viele davon werden von den jeweiligen ISA-Sektionen unterstützt. So zum Beispiel in Deutschland, wo es Ende August zu Streiks in den Häfen von Bremen und Hamburg kam. Dabei gingen mehr als 12.000 Beschäftigte auf die Straße, um sich für einen Inflationsausgleich und Arbeitszeitkürzungen einzusetzen.
Ende Juni traten mehr als 80.000 Eisenbahner*innen in Großbritannien über mehrere Tage in den Streik, um sich gegen den Arbeitsplatzabbau und immer prekärere Arbeitsbedingungen zu wenden. Auch in anderen Transportsektoren gab es Arbeitskämpfe auf der Insel - so erreichten z.B. Teile der Belegschaft am Flughafen London Heathrow eine Lohnerhöhung um 18%.
Auch in den USA gab es in den letzten Jahren immer mehr Aktivität im Logistikbereich. Allen voran natürlich der Logistik- und Einzelhandelskonzern Amazon. Die Amazon Labor Union wurde zum Symbol des neuen Gewerkschaftsschwungs in den USA, in dem vor allem junge, weibliche und farbige Arbeiter*innen an vorderster Front kämpfen.
Dies ist nur ein kleiner Auszug der stattfindenden Bewegungen - Bewegungen, die immer häufiger zum erfolgreichen Beispiel für weitere Kämpfe werden. Globale Krisen und das globale System Kapitalismus können nur global bewältigt werden durch die Sprengung der Profitketten!
Beide Artikel von Severin Berger in Zusammenarbeit mit Anne Engelhardt (ISA-Deutschland)