Fr 05.03.2021
Bis heute geistern die unterschiedlichsten Mythen rund um Rosa Luxemburg und ihre Ideen umher: Manche bezeichnen sie als größte Gegenspielerin Lenins, andere vereinnahmen sie als eine, streitbare, aber letztlich Sozialdemokratin, wieder andere stellen sie als sanftmütige Sozialistin dar, die im Gegensatz zu anderen Revolutionär*innen, insbesondere den russischen Bolschewiki, ein weniger “blutiges” Konzept von Sozialismus verfolgt hätte. Dabei haben viele der Kräfte, die sich heute auf Rosa Luxemburg beziehen - abgesehen davon, dass sie sich auch gegenseitig widersprechen - wenig bis nichts mit ihrem wahren Erbe und ihren Ideen und Taten als überzeugte Marxistin gemein.
Viele, die nach ihrer Ermordung Rosa bewusst instrumentalisiert und verfälscht haben wie Stalinist*innen oder Sozialdemokrat*innen, haben das getan, um ideologisch gegen die Verbreitung eines revolutionären Marxismus vorzugehen. Heute dient die kommerzielle Verbreitung ihrer “Briefe aus dem Gefängnis” mittlerweile nicht selten einer romantischen Verklärung und lenkt von ihren politischen Überzeugungen, ihrem unermüdlichen Kampf gegen Kapitalismus, Imperialismus und Krieg und ihrer kompromisslosen Verteidigung marxistischer Grundsätze gegen revisionistische und reformistische Verwässerungen ab.
Als Internationalistin sah Rosa immer die Notwendigkeit einer revolutionären Erhebung der globalen Arbeiter*innenklasse zur Überwindung des kapitalistischen Systems, eine Notwendigkeit, die heute angesichts der tiefen Wirtschaftskrise und des offensichtlichen Versagens der Herrschenden, mit dieser Krise umzugehen, aktueller ist denn je.
Vor 150 Jahren wurde Rosa Luxemburg (Rozalia Luxenburg) im heutigen Polen als Tochter eines jüdischen Holzhändlers geboren. Schon früh wurde die junge Rosa politisch aktiv, mit 16 Jahren schloss sie sich dem revolutionären Zirkel “Proletariat” an und begann ihre Mitschüler*innen und Studierende zu agitieren. Ab dieser Zeit begann ihre lebenslange Aktivität für die Sache der Arbeiter*innenklasse. Sie wurde Teil der polnischen und deutschen Sozialdemokratie und baute als eine der wichtigsten Figuren den linken Flügel mit auf. Sie kämpfte innerhalb der 2. Internationale für einen revolutionären Kurs und gegen den Versuch, sich darauf zu beschränken den Kapitalismus durch den parlamentarischen Weg und kleine Reformen zu “verbessern”. Und sie argumentierte immer wieder gegenüber den verknöcherten sozialdemokratischen Führungen, wie die Arbeiter*innenmassen selbst früher oder später in Aktion treten würden und dafür eine revolutionäre Führung bräuchten.
Immer wieder wurde Rosa aufgrund von “Majestätsbeleidigungen” und ihrer öffentlichen Agitation gegen den deutschen Imperialismus und den drohenden 1. Weltkrieg verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Nicht nur die herrschenden Klassen fürchteten die “Rote Rosa” und ihre Genoss*innen, sondern auch jene führenden Sozialdemokrat*innen, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr mit der Bourgeoisie anfreundeten und sozialistische Prinzipien zugunsten von Privilegien und Macht über Bord warfen. Als eine der wichtigsten Anführer*innen der deutschen Novemberrevolution 1918/19 kämpfte Rosa kurz vor ihrer Ermordung ein letztes Mal gemeinsam mit Karl Liebknecht und anderen Kämpfer*innen des Spartakusbundes und später der KPD für das, was sie in Russland gesehen hatte: Die erfolgreiche Machtergreifung der Arbeiter*innenklasse durch Arbeiter*innen- und Soldatenräte, die Enteignung des Grund und Bodens, der Banken und der Industrie durch die Räterepublik und die ersten Schritte im Aufbau einer sozialistischen Demokratie.
Gegen reformistische Anpassung und für die revolutionäre Tat
Rosa Luxemburgs Ideen haben im 21. Jahrhundert nichts an Aktualität eingebüßt. Mit der sich zuspitzenden Krise des kapitalistischen Systems wirken viele ihrer maßgebenden Schriften wie zugeschnitten für unserer Zeit. Rosas Wirken als Revolutionärin zeichnete sich stets durch revolutionäre Klarheit und ein tiefes Vertrauen in die Arbeiter*innenklasse aus. Der Revisionismusstreit innerhalb der Sozialdemokratie bringt das klar zum Ausdruck. Rosa argumentierte scharf gegen Eduard Bernstein und andere, die sich angesichts des ökonomischen Booms und der parlamentarischen Erfolge der Sozialdemokratie immer mehr vom Ziel einer revolutionären Umwälzung der Gesellschaft entfernten und argumentierten, der Kapitalismus könne reformiert werden, bis der Sozialismus an der Tagesordnung stünde.
Im Gegensatz dazu zeigte Rosa einen Weg auf, der für revolutionäre Sozialist*innen heute noch zentral ist: Die Verbindung vom Kampf um jede Verbesserung im Interesse der Arbeiter*innenklasse mit dem Ziel einer sozialistischen Revolution. Für sie ging es darum, den Kampf um Reformen nicht als primäres Ziel an sich, sondern v.a. als Mittel zum Zweck der endgültigen Befreiung der Arbeiter*innenklasse durch die Überwindung des Kapitalismus zu sehen. Heute gibt nur sehr beschränkt Spielraum für tiefgreifende Reformen innerhalb des kapitalistischen Rahmens, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen merklich verbessern könnten. Die Corona- und Wirtschaftskrise widerlegt alle reformistischen Illusionen in einen “sozialeren” Kapitalismus. Dennoch haben alle größeren linken Formationen international in den vergangenen Jahren darin versagt, eine Systemalternative anzubieten und sind letztlich dabei stehengeblieben, reformistische Minimalforderungen aufzustellen - ohne diese aber zu erreichen, eben weil der Blick und Kampf ums große Ganze fehlt.
Rosa erklärt, warum der Kapitalismus aufgrund seines Wesens, aufgrund des Privateigentums an Produktionsmitteln immer wieder Krisen hervorbringen wird. Sie beschreibt den Kampf um Reformen als “Erziehungsmittel zur proletarischen Revolution”; wenn die Arbeiter*innenklasse sich zur Wehr setzt und Zugeständnisse erkämpft, steigt das Verständnis für Klassengegensätze, die Rolle des Staates und v.a. das Selbstbewusstsein in die eigene Kampfkraft.
Praktisch drückte sich dieser Zugang zu Reform und Revolution nicht nur in ihrer Ablehnung bezüglich der Beteiligung von Sozialist*innen an bürgerlichen Regierungen, sondern auch in ihrer Haltung in der Massenstreikdebatte aus. Rosa erkannte sehr früh den schädlichen Charakter des bürokratischen Gewerkschafts- und Parteiapparats. Die Gewerkschaftsführung und führende Sozialdemokrat*innen ignorierten die Bedeutung der Spontaneität der Arbeiter*innenmassen. Sie sahen Streiks als geplante und von den Führungen der Arbeiter*innenorganisationen choreographierte Aktionen, die taktisch zur Anwendung kommen konnten. Aber als zentrales Mittel der Arbeiter*innenbewegung, das sich von unten entwickeln würde, lehnten sie den Massenstreik ab und versuchten sogar immer wieder, die Debatten darum innerhalb der eigenen Reihen abzuwürgen und zu verbieten. Inspiriert von ihren Eindrücken in der Russischen Revolution 1905 und besorgt über die Trägheit der Gewerkschaftsfunktionär*innen und sozialdemokratischen Führungen verteidigte Rosa das Mittel des Massenstreiks immer wieder, sei es im Kampf gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht oder später gegen den Krieg.
Rosa argumentierte, dass die Orientierung der Sozialdemokratie auf Wahlen, die Beschränkung auf ökonomische Kämpfe unter der Führung der Gewerkschaften und die künstliche Trennung zwischen politischen und ökonomischen Kämpfen zum Scheitern verurteilt war. Ihrer Auffassung nach werden in einer revolutionären Massenaktion “politischer und ökonomischer Kampf eins” - dieses dialektische Verhältnis ist heute sehr eindeutig.
Die Massenbewegungen in den verschiedensten Ländern, die 2019 und 2020 ausgebrochen sind, waren nicht nur von der enormen Spontaneität und Furchtlosigkeit der Massen geprägt, sondern auch von der Untrennbarkeit von politischen und ökonomischen Forderungen. Rosa schrieb, dass “wo jede Form und jede Äußerung der Arbeiterbewegung verboten, wo der einfachste Streik ein politisches Verbrechen ist, muß auch logischerweise jeder ökonomische Kampf zum politischen werden.” Auf Länder wie den Iran, China, Belarus, oder Russland, aber auch Bewegungen wie BLM heute trifft diese Analyse haargenau zu, aber auch in Frankreich oder Chile, wo ökonomische Kämpfe schnell politische wurden und werden. Wir haben in der Corona-Pandemie gesehen, wie ökonomische Kämpfe in der Krise immer stärker auch einen politischen Charakter annehmen müssen und andersherum.
Rosa prognostizierte, dass mit der Entwicklung von größeren politischen Kämpfen auch Arbeitskämpfe auf der Tagesordnung stehen und damit nicht auf den “Befehl” der Gewerkschaftsführungen warten würden. Viele der großen Streikbewegungen der vergangenen Jahre haben trotz der bremsenden Rolle der Gewerkschaftsbürokratie stattgefunden, nicht zuletzt in Österreich, wo die Streikbewegung im Gesundheits- und Sozialbereich maßgeblich von unten organisiert wurde, während die Gewerkschaftsführung den Ausbruch der Pandemie genutzt hat, um die Bewegung abzuwürgen.
Wir dürfen nicht unterschätzen, welche bremsende Wirkung die Gewerkschaftbürokratie, genauso wie eine fehlende revolutionäre Führung, heute hat. Luxemburg tat das bei all ihrer Betonung der Spontaneität der Massen auch nicht, sie sah die Notwendigkeit einer organisierten Führung der Massen: “Eine konsequente, entschlossene, vorwärtsstrebende Taktik der Sozialdemokratie ruft in der Masse das Gefühl der Sicherheit, des Selbstvertrauens und der Kampflust hervor; eine schwankende, schwächliche, auf der Unterschätzung des Proletariats basierte Taktik wirkt auf die Masse lähmend und verwirrend.” Sie sah weder die Gewerkschaften noch Arbeiter*innenparteien als Selbstzweck, aber erkannte schon damals, was heute umso mehr zutage tritt: Dass ohne eine revolutionäre Partei, die die Wut und Aktivität der Masse organisieren und in Richtung einer sozialistischen Alternative lenken kann, jede Spontaneität der Massen früher oder später in Niederlagen mündet.
Eine der wichtigsten Schlachten gegen die Gefahren des Reformismus führte Luxemburg gegen den drohenden Krieg. Sie wurde nicht müde zu erklären, wie das kapitalistische System von Natur aus Spannungen zwischen den herrschenden Klassen und Kriege zwischen den Nationen erzeugt. Genauso wie die Bolschewiki hielt sie an einer standhaften Opposition gegen den imperialistischen Krieg fest, während die reformistischen Kräfte trotz der formalen Übereinkunft zwischen den Parteien der 2. Internationale gegen den Krieg unter dem massiven Druck zur Bewilligung der Kriegskredite kapitulierten. Nach einem jahrelangen Prozess der schrittweisen Degeneration markierte das den Anfang vom schnellen Ende der 2. Internationale. Die Degeneration der Sozialdemokratie wurde sinnbildlich mit ihrer Mithilfe bei der Ermordung von Rosa und Karl vervollständigt.
Rosa in der Novemberrevolution
Mit der Befehlsverweigerung Kieler Matrosen gegen eine letzte sinnlose Schlacht im November 1918 beginnt die Deutsche Revolution. Am 9. November erreicht sie Berlin. Rosa Luxemburg ist bis dahin in Breslau in Haft und kommt erst am nächsten Abend in der Hauptstadt an. Sie greift sofort in die Bewegung ein – auf dem programmatischen Boden der Bolschewistischen Partei, die 1917 die russische Arbeiter*innenklasse an die Macht geführt hatte. Sie fordert die Auflösung des Parlaments und aller politischen Organe des Bürgertums und die Übernahme ihrer Aufgaben durch demokratisch gewählte Arbeiter*innen- und Soldatenräte; die Enteignung des Vermögens der Reichen, aller Banken, Bergwerke & Großbetriebe durch die Räterepublik und ihre Unterstellung unter einen Zentralrat der Räte. Rosa weiß, die alten Eliten geben ihre Herrschaft nicht auf und fordert die Entwaffnung von Polizei und Offizieren und die Bewaffnung der Arbeiter*innenklasse – also ein Gewaltmonopol der entstehenden Rätedemokratie – zur Absicherung der Revolution. Und sie will die Revolution auf eine internationale Basis stellen.
Die Spitze der Sozialdemokratie (SPD) arbeitet hingegen eng mit kaiserlichen Ministern zusammen. Die Führung der USPD (Linksabspaltung der Sozialdemokratie) tritt dennoch mit ihr in eine Regierung ein und bereitet Reichtagswahlen vor, ein entscheidender Schritt zur Entmachtung der Arbeiter*innen- und Soldatenräte. Tags darauf gründen Rosa und andere den Spartakusbund auf Basis des obigen Programms neu. Statt der bis dahin lockeren Struktur innerhalb der USPD jetzt als klar abgegrenzte revolutionäre Kaderpartei. Aus ihm geht die Kommunistische Partei (KPD) hervor. Sie soll in einer revolutionären Periode fähig sein, die Mehrheit der Arbeiter*innenklasse hinter ihrem Programm vereinen und diese an die Macht zu führen. Damit zieht Rosa dieselben organisatorischen Schlüsse wie Lenin 1903 – aber erst 15 Jahre später.
Reformistische Ideologie und eigene Privilegien hatten die SPD-Führung so weit vom revolutionären Marxismus entfernt, dass sie 1914 sogar der Kriegspolitik der Reichsregierung zustimmen, statt einen Massenkampf gegen den Weltkrieg zu organisieren. Rosa aber geht für ihre lautstarke Opposition und ihre Rolle in Protesten gegen Reformismus, Krieg, Monarchie und Kapitalismus mehrmals ins Gefängnis. Folglich hat sie eine ungeheure Autorität in der Arbeiter*innenklasse, als die anfängliche Kriegseuphorie verfliegt. Doch sie nutzt das noch nicht, um eine schlagkräftige Organisation aufzubauen, die ihr glänzendes revolutionäres Programm in die Tat umsetzen kann.
Als 1918 die SPD-Führung samt Bürgertum und faschistischen Freikorps die Revolution mit Waffengewalt unterdrückt, wird klar: Die Spontaneität der Massen reicht aus, um den Kampf um die Macht anzutreten – aber nicht für den Sieg. Die Bolschewiki hatten ihre Organisation 14 Jahre über Umwege, Fehler und personelle Veränderungen aufgebaut und ausdifferenziert, Genoss*innen geschult, sich als verlässliche Kämpfer*innen in der Arbeiter*innenklasse profiliert und verankert bevor die Russische Revolution losbricht. Die KPD aber gründet sich erst zwei Monate nach Beginn der Novemberrevolution und kann ihren Verlauf nicht mehr entscheidend beeinflussen. Die meisten Parteimitglieder sind entschlossen, wütend aber unerfahren in Strategie und Taktik. Sie verweigern die Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung und die revolutionäre Arbeit in den reformistischen Massengewerkschaften. Rosas fordert die Nutzung dieser Arbeitsfelder für den Parteiaufbau, bleibt aber in der Minderheit. So gewinnt die KPD vorerst keine wesentlichen Teile der enttäuschten USPD-Basis und isoliert sich von vielen Arbeiter*innen. Rund um immer wieder aufflammende, aber nie generalisierte und bzw. koordinierte Aufstände werden in den folgenden Monaten tausende Revolutionär*innen ermordet – unter ihnen Rosa Luxemburg. Als die KPD später Masseneinfluss entwickelt, fehlt ihr Rosas Verständnis dafür, revolutionäre Krisen zu nutzen um die Arbeiter*innenklasse an die Macht zu führen.
Heute machen Umweltzerstörung und Wirtschaftskrise vielen Menschen klar: Der Kapitalismus bietet uns keine Zukunft, das zeigen viele neue Massenbewegungen. Was ihnen fehlt ist eine Organisation und eine Führung, die die harten Lektionen aus den Kämpfen Rosa Luxemburgs und vielen anderen vergangenen gescheiterten Revolutionen verinnerlicht haben. Diese und die lebendigen Erfahrungen aus neuen Bewegungen sind die Grundlage für ein revolutionäres Programm und eine Perspektive zur Überwindung des Kapitalismus. Wir haben uns den Aufbau einer solchen Organisation mit unserer Internationale zur Aufgabe gemacht.
Marx aktuell: Wieso war Rosa Luxemburg gegen eine polnische Nation?
Rosa Luxemburg hatte viele Feinde. Einen nahm sie sich von Anfang ihrer politischen Aktivität an vor: Den Nationalismus in der Arbeiter*innenbewegung. Die großen Mächte hatten die Spaltung entlang nationaler Linien so perfektioniert, dass sie zu einer Säule ihrer Regimes wurde. Das Habsburgische, das Deutsche und das Russische Reich hatten sich z.B. Rosas Heimat Polen aufgeteilt, aber auch innerhalb der Landesteile zündelten sie an den Konflikten zwischen der polnischen, jüdischen, ukrainischen, … Bevölkerung. Mal bevorzugten sie die Einen, dann die Anderen, um die Wut der jeweils anderen Gruppen auf diese hin- und von der herrschenden Klasse abzulenken. Das hat sich so bewährt, dass Rassismus, Nationalismus oder religiöse Spaltung bis heute zum gleichen Zweck eingesetzt wird.
Wer also die Arbeiter*innenklasse für den revolutionären Kampf organisieren will muss eine Antwort auf die “nationale Frage” finden, daran knabbert die Bewegung bis heute.
Für Marx war klar: Für die Entwicklung der Produktivkräfte, also z.B. die Industrialisierung, ist es nötig dass sich die Bourgeoisie national organisiert. Doch mehr Industrie lässt die Arbeiter*innenklasse wachsen und schafft auch sonst die Voraussetzung für den Sozialismus. Also mag es Fälle geben in denen auch das Proletariat für die Unabhängigkeit einer Nation kämpfen sollte.
Luxemburg analysierte für die meisten unterdrückten Nationen ihrer Zeit das Gegenteil: Würde sich Polen wiedervereinigen, würde es sich ökonomisch von den sich schnell entwickelnden imperialen Mächten isolieren und die polnische Arbeiter*innenklasse aus den gemeinsamen Kämpfen z.B. mit den Arbeiter*innen in Russland lösen. Noch dazu bliebe die Frage unbeantwortet was mit den nationalen Bestrebungen der Ukrainer*innen, Jüd*innen… werden würde. Für sie wäre so ein Staat im Kapitalismus unmöglich und im Sozialismus überflüssig. Das leuchtet erstmal ein. Aber es geht an der Realität der Arbeiter*innen vorbei. Nationalität war (und ist oft) ein wesentlicher Bestandteil ihrer Unterdrückung durch die herrschende Klasse. Es ließ sich für sie nicht trennen, genauso wenig wie der Kampf gegen Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA vom Kampf gegen Armut. Die russischen Sozialist*innen stellten daher die Losung “volles Recht auf nationale Selbstbestimmung für alle Völker” auf. Rosa meinte so eine Losung heize unrealistische “nationale Illusionen” in der Klasse an, statt sie um (andere) politische Forderungen zu vereinen. Aber in der Russischen Revolution 1917 war diese Losung ein Schlüssel zum Sieg. Die Bolschewiki kämpften gemeinsam mit nationalen Minderheiten um ihre Rechte. Auf dieser Erfahrung luden sie sie ein, sich in der SowjetUNION zusammenzutun.