Patriotischer Urlaub & Konsum?

Gemeinsam gegen Kündigungen und Lohnkürzungen kämpfen, statt “unsere” Wirtschaft “schützen”
Stefan Brandl

Gemeinsam stark - gemeinsam durch die Corona-Krise, schreibt die WKO als Überschrift in ihrem Aufruf, bei heimischen Anbietern zu kaufen, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken – doch hinter der blumigen Rhetorik steckt zynische Profitgier.

 

„Die Wirtschaft“ zu schützen heißt etwas ganz Anderes als die Menschen zu schützen. “Unsere” Wirtschaft wird “geschützt”, indem im SWÖ und in anderen Branchen die KV-Verhandlungen abgewürgt worden sind, weil “wir” ja zusammenhalten müssen. Hunderttausende werden in die Kurzarbeit “gerettet”, während Unternehmen, die Beschäftigte seit Jahrzehnten ausbeuten, ungeschoren durch die Krise kommen. Die zynische Realität ist, dass Unternehmen 38 Mrd. Euro bekommen, während Arbeitslose und prekär Beschäftigte auf “nach Corona” vertröstet werden.

 

Neben offensichtlichen Gewinnern der Corona Krise wie Netflix, Amazon, Zoom oder Pharmakonzernen gibt es auch eine Reihe von heimischen Profiteuren - beispielsweise PULS 4 oder Servus TV aus der Fernsehwelt oder Semperit AG (Gummihersteller) an der Börse; nicht zu vergessen natürlich auch Kurz und die Schwarz-Grün Regierung, die jeweils die besten Umfragewerte bzw. überhaupt seit 40 Jahren erreichen - trotz Komplettversagen in Ischgl, wo ÖVP-dominierte Behörden viel zu spät auf die Corona-Situation reagiert hatten.

 

Jetzt, wo die Temperaturen wärmer und die Isolationsmaßnahmen zurückgefahren werden, wird die Werbetrommel für Urlaub “dahoam” gerührt - für die gesamte Welt gilt ja nach wie vor mindestens eine Reisewarnung der Stufe 4 (“Hohes Sicherheitsrisiko”). Argumentiert wird damit, dass Urlaub im eigenen Land ja klimafreundlicher sei - bestenfalls CO2-technisch, die Verschmutzung der Alpen wird durch wärmer werdende Sommer ein immer größeres Problem - und man jetzt die “eigene” Tourismusindustrie stützen müsse. Letzteres ist besonders zynisch: Die Profitgier dieser Industrie ist hauptverantwortlich für die Corona-Ausbreitung in Österreich – Stichwort Ischgl. Bis Ende März wurden 60.000 Menschen im Bereich Gastronomie und Beherbergung arbeitslos (die meisten davon in Tirol). Jetzt können diese Leute wieder - zu schlechteren Konditionen, weil es mehr Mitbewerber*innen gibt - eingestellt werden. Die Hotellerie-Industrie rechnet - je nach Szenario - mit 23,8% bis 31% Verlusten im Vergleich zum Vorjahr (beim Inlandstourismus aber ein Plus von ca. 10%); ein Schaden, den mehrheitlich die Beschäftigten tragen werden. Ebenso können Beschäftigte die Corona-Tests oft nicht in Anspruch nehmen, weil sich Betreiber vor Imageschäden fürchten oder die Tests nicht während der Arbeitszeit genehmigt werden.

 

Gemeinsam durch die Corona-Krise zu gehen, heißt gemeinsam gegen Entlassungen und Lohnkürzungen jeder Art zu kämpfen und es heißt auch, gemeinsam die protektionistische Rhetorik von “unserer” Wirtschaft zu entlarven und bekämpfen; wer bezahlt und wer bekommt, sehen wir ja - hier in Österreich und international!

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