Sa 30.07.2011
Anlässlich ihres Übertritts in das Finanzministerium tat Maria Fekter – die ÖVP-Frau fürs Grobe – kund, dass sie sich fürderhin sprachlich etwas weniger rüde ausdrücken werde. „Finance (sprich: feinäähns)“, so sagte sie, „ist etwas anderes als Kieberei“. Am Pfingstwochenende allerdings kam es in gewohnt rustikaler Art über die Lippen der eisernen Lady in Black: „Die ÖBB kann man locker privatisieren, da hab ich überhaupt kein Problem…, damit das Werkl endlich funktioniert“. Was Vorwärts an dieser Stelle schon vor Monaten prophezeite, ist somit offizielle Linie der ÖVP-Regierungsriege geworden: Die Verscherbelung der Bahn zum Zwecke eines Nulldefizits. Und ganz generell legte Fekter in einem Standard-Interview nach: „Privatisierung ist gut, weil der Staat der schwerfälligere Eigentümer ist“.
Wessen Bahn?
Wie „gut“ und weniger „schwerfällig“ das „Werkl“ Eisenbahn nach einer Privatisierung funktioniert, kann man nicht nur am Debakel der British Rail – überfüllte, verspätete Züge, überhöhte Ticketpreise und gravierende Sicherheitsmängel - studieren: So verkaufte die neuseeländische Regierung 1993 die staatliche New Zealand Rail Limited samt Schienennetz um 183 Millionen Euro an ein amerikanisches Konsortium. Dieses schöpfte beim späteren Börsengang fette Gewinne ab, ließ nebenher aber die Infrastruktur und den Wagenpark verfallen, was dazu führte, dass der Staat die Bahn 2008 schließlich zurückkaufen musste: um 370 Millionen Euro. Oder Estland: 2001 wurde ein 66%-Anteil der staatlichen Eesti Raudtee an die mit US-Kapital finanzierte Investorengruppe Baltic Rail Service verkauft. Erlös: 64 Millionen Euro. Weil der Betrieb in Folge so wunderbar „funktionierte“ und zuletzt der Weiterverkauf an russische Investoren im Raume stand, kaufte Estland seine Anteile 2006 wieder zurück. Preis: 153 Millionen Euro – fast das Zweieinhalbfache des ursprünglichen „Gewinns“. In der Tat: der Staat wirtschaftet schlecht – sobald er privatisiert und verkauft.
Unsere Bahn!
Trotzdem regt sich kein ernstzunehmender Widerstand gegen die dreisten Pläne Frau Fekters. Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) meinte lediglich: „Die Verscherbelungsdebatte ist entbehrlich“; ÖBB-Chef Christian Kern sagt zwar: „Die ÖBB haben es sich zu lange gefallen lassen, dass sie von Teilen der Politik attackiert werden“. Doch wo ist der ÖGB? Die zuständige Gewerkschaft Vida lehnt die Privatisierung zwar ab – tut aber nichts konkretes. Das mag mit den Erfahrungen aus dem letzten großen Eisenbahnerstreik aus 2003 zusammenhängen: Der blieb in weiten Teilen erfolglos und die KollegInnen kritisieren noch heute zu Recht den zu frühen Streikabbruch. Doch die Gewerkschaft scheint die seinerzeitigen Fehler bis heute nicht analysiert zu haben – und so mangelt es noch immer an einer klaren Strategie. Fatal für die Beschäftigten: denn sie würden im Privatisierungsfall - angesichts von Entlassungen, Lohnkürzungen und erschwerten Arbeitsbedingungen zu den VerliererInnen gehören. Ein ÖBBler bringt die Stimmung Vorwärts gegenüber so auf den Punkt: „Die KollegInnen haben resigniert“.
Diese Resignation kann nur auf Basis einer ehrlichen Bilanz unter Einbeziehung aller Beschäftigten über die bisherige Strategie überwunden werden. Dazu braucht es einen Kurswechsel – hin zu kämpferischen und demokratischen Gewerkschaften. Und die Einbeziehung der anderen Gewerkschaften – denn eine Privatisierung bedeutet auch noch höhere Preise, noch weniger Nebenbahnen, noch weniger Pünktlichkeit und trifft damit ArbeiterInnen aus allen Bereichen.