Zu den historischen Wurzeln der aktuellen Krise

Die seltsame Gründungsgeschichte des ÖGB
Nora Brandes

Im April 1945, als noch die letzten Kämpfe um Wien tobten, trafen sich Vertreter der SPÖ, KPÖ und ÖVP, um den ÖGB als überparteilichen gewerkschaftlichen Dachverband zu gründen.

Gründung ‚von oben’ – Undemokratisch von Beginn

Der ÖGB entstand also nicht aus Arbeitskämpfen oder Bewegungen der breiten Masse der arbeitenden Menschen in Österreich, sondern wurde ihnen durch VertreterInnen von oben übergestülpt. Die einfachen Mitglieder der Basis hatten von Anfang an kaum eine Möglichkeit auf die Gestaltung des ÖGB Einfluss zu nehmen. Erst 1948, drei Jahre nach seiner Gründung, als das Gerüst und die politische Ausrichtung feststanden, wurde der erste ÖGB-Kongress abgehalten. Dieses Demokratieverständnis der ÖGB-Spitze hat sich seit damals nicht verändert und ist auch in den Strukturen des ÖGB, die ein grobes Demokratiedefizit aufweisen, deutlich ablesbar.
ÖGB als Ordnungsmacht im kapitalistischen Staat
Form und Inhalt bedingen einander. Folglich hatte das Nichteinbeziehen der Basis auch eine Auswirkung auf die politische Ausrichtung des ÖGB. Die ÖGB-Führung ging von einem gemeinsamen Interesse der ArbeiternehmerInnen und ArbeitgeberInnen an der Aufrechterhaltung “unserer Wirtschaft” aus und ordnete die Interessen der ArbeitnehmerInnen den Erfordernissen der Kapitalverwertung unter.
Die ÖGB-Spitze definierte den kapitalistischen Wiederaufbau, die Stabilisierung der kapitalistischen Wirtschaft und die Steigerung der Produktion als die zentralen Ziele. Der ÖGB verstand sich also als Ordnungsmacht im kapitalistischen Staat und nicht als eine Kampforganisation, die die Interessen der ArbeiterInnenschaft vertritt.

Die Vorläufer der Sozialpartnerschaft

1947 wurde in Zusammenarbeit zwischen der Gewerkschaft und der Wirtschaft innerhalb der Wirtschaftskommission die Einführung von Lohn-Preis-Abkommen beschlossen. Die fünf Lohn-Preisabkommen, die von 1947– 1951 folgten, waren die Vorläufer der Sozialpartnerschaft. Sie bedeuteten ein Auseinanderdriften der Schere zwischen Löhnen und Preisen: Währenddem die Preise anstiegen, blieben die Löhne auf gleichem Niveau und der Lebensstandard der arbeitenden Menschen sank enorm. Der Nachkriegsaufschwung wurde so zu einem großen Teil auf dem Rücken der arbeitenden Menschen ausgetragen.

Widerstand der ArbeitnehmerInnen

Im Zuge der Lohn-Preis-Abkommen kam es immer wieder zu Streiks der ArbeiterInnenschaft, die gegen die prokapitalistische und arbeitnehmerInnenfeindliche Politik der ÖGB-Spitze protestierten. Ende September 1950 erreichten sie mit einer großen Streikwelle und großen Protestkundgebungen (v. a. in Wien, Oberösterreich und der Obersteiermark) gegen das vierte Lohn-Preis-Abkommen einen Höhepunkt. Der Streik wurde von Regierung und ÖGB zum kommunsitischen Putsch umgedeutet.

Sozialpartnerschaft

Da die Kapitalseite der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften Unterdrückung von ArbeiterInnenprotesten und hohe Ausbeutungsraten zu verdanken hatte, sprach nichts gegen eine Institutionalisierung dieser Zusammenarbeit und 1957 wurde die Paritätische Kommission gegründet. Undemokratische Strukturen und Kuschelkurs wurden als Sozialpartnerschaft zur Orientierung des ÖGB - und bilden heute den Hintergrund der Krise der Gewerkschaftsbewegung.

Der volle Text dieses Referats ist auf www.slp.at abrufbar

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