Woher kommt die Korruption

Katja Arthofer, Stefan Termann und Sonja Grusch

Korrupte Politiker

Begehst Du einen bewaffneten Überfall auf eine Bank bekommst Du fünfzehn Jahre. Raubst Du hunderttausende oder gar Millionen Schillinge von einer staatlichen Institution wirst Du - wenn Du zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist - eines bekommen: eine stattliche Pension. Ein Märchen? Keinesfalls - Die kapitalistische Realität.
Sucht man aktuelle Umfragen und Statistiken zum Thema Korruption und Bestechung, so wird diese Suche nicht von Erfolg gekrönt sein. Kein Wunder: Politiker haben wohl kaum Interesse daran, einen Spiegel vorgesetzt zu bekommen und die ach so unabhängige Medienwelt gehört mit zu den Wirtschaftsbereichen mit den meisten „unredlichen“ Verquickungen. Die einzig existente Schätzung (herausgegeben von der OECD) besagt, daß die durch Korruption entstandenen Schäden dreistellige Milliardenbeträge in US-$ erreichen dürfte.

Spielarten

Die ursprünglichste Art der Korruption ist die der Bestechung: Ein - oftmals von staatlicher Seite vergebener - Auftrag wird vom Verantwortlichen an den „Meistbieter“ erteilt, auch wenn das Angebot nach den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit gar nicht das lukrativste ist. „Über den Daumen gepeilt kann man sich für 120.000,-- Schilling der Hilfe eines höheren Beamten der zweiten Führungsebene sicher sein; um 1,2 Mio. der eines Staatssekretärs. Um 12 Mio. Schilling wird man von einem Minister unterstützt und für 120 Mio. kann man sich der ernsthaften Aufmerksamkeit eines Staatsoberhauptes sicher sein...“.
Dies besagt jedenfalls ein Bericht von „Transparency International“ aus dem Jahre 1993. Dies ist eine private (Unternehmer-) Vereinigung zur Bekämpfung und  Beleuchtung von weltweiter Korruption - vor allem in wirtschaftlich unterentwickelten Ländern - in Auftrag gegeben. Darin wird eindrucksvoll die Welt der „freien“ Marktwirtschaft beschrieben.
Neben dieser eindeutigen Art der Korruption gibt es viele weitere Möglichkeiten, den „freien Wettbewerb“ zu den eigenen Gunsten zu manipulieren: Die Kartellbehörden in vielen Ländern bekommen immer mehr Arbeit und illegale Preisabsprachen stehen auf der kapitalistischen Tagesordnung. Und die Fälle, die, wie jetzt im Zusammenhang mit dem österreichischen Bauskandal, bekannt werden, sind wohl nur die Spitze des Eisbergs. Aber auch an sich legale Mittel, wie Subventionen und Spenden an Parteien, verfolgen ein oft eindeutiges Ziel - Die Grenze zwischen legaler und illegaler Intervention ist - auch dank verschwommener Gesetzeslage - alles andere als eindeutig.

Korruption - Grundlagen

Man könnte ja meinen, daß private Unternehmen auf der Grundlage von Gesetzen, Investitionen und harter Arbeit wachsen, aber genauso gut kann man an den Osterhasen glauben. Will man im Kapitalismus wirklich erfolgreich sein, so mußt man sich anderer Mittel bedienen. Die allgegenwärtigen Korruptionsskandale enthüllen die wahre Natur des „freien Marktes“: Selbst in Perioden des wirtschaftlichen Aufschwungs, aber vor allem in Zeiten der Rezession existiert immer eine Art Schattenwirtschaft, in der Konkurrenten, durch Bestechung, Preisabsprachen etc. ausgestochen werden sollen. Wo die „Gesetze des Marktes“ nicht mehr ausreichen, bedient man sich der Korruption genauso wie z.B. der Protektion, um „seinem“ Unternehmen oder „seiner“ Volkswirtschaft zum Sieg zu verhelfen. Das höchste Stadium dieser Form, des „Schutzes“ von Einflußzonen, Rohstoffen und Absatzmärkten sind letztlich Kriege.

Ist „der Mensch“ böse?

Nicht das oftgenannte „Böse im Menschen“ ist schuld an Korruption. In einem System, in dem „survival of the fittest“ (der Stärkste überlebt) die wichtigste Maxime ist, werden alle Mittel angewandt, die eigenen Interessen durchzusetzen. Wenn Politik letztlich „konzentrierte Ökonomie“ ist (W.I. Lenin), dann verwundert es auch nicht, wenn die politische Elite diese wirtschaftlichen Abläufe widerspiegelt. Politiker, die als Sachverwalter kapitalistischer Interessen dienen, sollen offensichtlich auch wie Kapitalisten leben: Während sie Recht und Ordnung, Moral und die Tugenden des Marktes predigen, sind sie fleißig darum bemüht, an die eigene Tasche zu denken und ihr Salaire aufzubessern. Spitzengehälter, Privilegien,... - also der Zugang zu den sprichwörtlichen „Futtertrögen“ - waren z.B ganz entscheidende Punkte, um die Führer der Sozialdemokratie in bürgerliche Politiker zu „verwandeln“.

Verflechtungen von Politik und Wirtschaft

Die Grundlage auf der in Österreich - wie auf der ganzen Welt - Korruption gedeiht, sind die zahlreichen Verflechtungen von Politik und Wirtschaft. Subventionsmilliarden fließen - letztlich völlig unkontrollierbar - Jahr für Jahr in die Privatwirtschaft. In der ehemaligen Verstaatlichten und den Banken erfolgen Posten- und Auftragsvergabe nach Willkür und Vereinbarung der Koalitionsparteien. Der Selbstmord Gerhard Praschaks z.B. zeigte die Spitze dieses Eisbergs auf. Oder der Verkauf von Steyr-Daimler-Puch an Stronachs Magna, der unter heftigem Mauscheln von Alt-Bundeskanzler Vranitzky und Bank Austria-Generaldirektor Randa über die Bühne ging.

Bürgerliche Korruptionsbekämpfung

Ende 1997 verabschiedete die OECD eine Konvention zur Bekämpfung der weltweiten Korruption, die Ende 1998 in Kraft treten soll. Warum auf einmal? Ein Grund dafür ist sicherlich der Druck, der von den USA ausgeht. Die USA ist nämlich der einzige Staat, der im Zuge  der Watergate- und der Lockheed  -Skandale - durch öffentlichen Druck mußte Präsident Nixon zurücktreten - Bestechung im Ausland unter Strafe gestellt hat. Der USA entgingen so z.B. 1994 Auslandsaufträge im Wert von 36 Mrd. US-$! In den anderen Ländern ist diese Form der Korruption nicht nur toleriert: Oft kann man Bestechungsgelder steuerlich als „nützliche Ausgaben“ (!) abschreiben, wenn man dadurch den Zuschlag für Auslandsaufträge erhält!
Einen weiteren Grund bringt der Havard Professor Rodrick auf den Punkt: „Das plötzliche Interesse an der Bestechung in der Dritten Welt kommt daher, daß wir nunmehr glauben, `ihre` Korruption schade `uns`“. Diese Feststellung zeigt allerdings auchdeutlich die Grenzen bürgerlicher Korruptionsbekämpfung. Eingeschränkt soll nur jene Korruption werden, die wider den Interessen der „eigenen“ Wirtschaft und ihrer Unternehmer läuft.
Auch die selbsternannten „Anti-Korruptions-Helden“ der FPÖ à la Pretterebner überschreiten diese Grenze nicht. Aufgedeckt wird da, wo man den Koalitionsparteien schaden  und die Stimmung für die eigene Partei verbessern kann. Es werden Symptome bekämpft, nicht die Ursachen.

Unser Programm

Wir wollen eine sozialistische Gesellschaft erkämpfen. Das bedeutet ein solidarisches Umgehen in der ArbeiterInnenbewegung und nicht den geringsten Platz für irgendwelche Privilegien. Funktionäre dürfen nicht mehr verdienen als einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn, müssen alle Einkünfte offenlegen und ständig wähl- und abwählbar sein. Innerorganisatorische Demokratie und Transparenz ist eine unumstößliche Vorausetzung für eine Partei oder Gewerkschaft, die wirklich die Interessen der ArbeiterInnen vertreten will. Umgekehrt sind die Existenz einer privlegierten Bürokratie und undemokratischer Strukturen unerläßlich für eine Partei oder Organisation, die letztlich bürgerlichen Interessen dient. Unser Programm muß bei jenen, die „geschmiert“ werden, genauso wie bei jenen die „schmieren“. Die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, die Enteignung der Besitzer von großen Vermögen, die demokratische, öffentliche Kontrolle über die vorhandenen Resourcen würde den Spielraum für Korruption entscheidend einengen. Eine Gesellschaft die solchermaßen die soziale Abgehobenheit einiger weniger prinzipiell nicht toleriert.

....geschmierte Politiker

Skandale sind seit langem ein nicht mehr wegzudenkendes Element österreichischer Innenpolitik. Und die Liste der Beteiligten liest sich wie das „Who-is-Who“ der österreichischen Politiker.
Bei den meisten bekanntgewordenen Skandalen läßt sich eine enge Verflechtung zwischen Wirtschaft und Politik feststellen. Wobei oft nicht klar Abzugrenzen ist, wo Parteienfinanzierung und Politikerprivilegien aufhören und wo Bestechung und Schmiergelder anfangen.

Gründung der Kronen-Zeitung

Einer der größten Skandale der Zweiten Republik ist der „Kronen-Zeitungs-Skandal“: Franz Olah, damals ÖGB-Präsident und SPÖ-Nationalratsabgeordneter, überlies Kurt Falk, dem zweiten Mann bei der Kronen Zeitung, ein Sparbuch als Sicherung für einen Millionen-Kredit. Dieses Sparbuch mit der Nummer 586622 lautete auf „Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter, S-Fonds, und wies einen Einlagenstand in der Höhe von ca. 3,2 Millionen Schilling auf.
Obwohl es Olah hier wohl weniger um persönliche, finanzielle Bereicherung ging, so betrieb er dieses „Ausborgen“ von Gewerkschaftsgeldern doch mit dem Zweck, sich einen persönlichen, medialen Bündnisspartner zu schaffen. Olah, der innerhalb der SPÖ stets am rechten Flügel gestanden hat, verfolgte damit politische Ziele. Sein Antikommunismus war wohl sprichwörtlich, der wahrscheinlich österreichische Gladio-Ableger (eine paramilitärische, geheime Abwehrtruppe zur Verhinderung vermeintlicher kommunistischer Putschversuche die nach dem zweiten Weltkrieg in ganz Europa unter Mithilfe des CIA errichtet wurde) wurde von ihm aufgebaut. Olah hatte außerdem, ebenfalls aus Gewerkschaftsgeldern, der FPÖ eine Subvention in der Höhe von einer Million Schilling zukommen lassen. Ein Schritt, der die Rechte in Österreich stärkte und letztlich auch zur kleinen Koalition führte. Auch wenn Olah aus der SPÖ ausgeschlossen, seiner Ämter enthoben und verurteilt wurde, so war er maßgeblich an der Gründung der größten österreichischen (Boulevard-)Zeitung beteiligt, die heute für ihre arbeitnehmerfeindliche und oft rassistische Schreibweise bekannt ist. SPÖ und ÖGB, anstatt seine arbeitnehmerfeindlichen Maßnahmen offenzulegen, und den eigenen Mitgliedern den Ausschluß zu erklären, mußte Olah wegen der „Mitarbeit an nichtsozialistischen Presseerzeugnissen“ (er hatte der Presse ein Interview gegeben) zurücktreten. Logischerweise stieß das Vorgehen von SPÖ und ÖGB gegen den vermeintlichen „Arbeiterführer“, dessen Rolle bei der Niederschlagung des Oktoberstreiks von 1950 immer noch von eben diesen gelobt wird, bei Teilen der Mitgliedschaft auf Unverständnis.

AKH-Skandal

Der AKH-Skandal war der (bisher) größte der Zweiten Republik. Der Neubau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, der bereits seit den 50er Jahren geplant war, zog sich über fast vier Jahrzehnte, die Kosten explodierten (von ursprünglich 1 Milliarde auf über 40 Milliarden). Bei der Vergabe der Bauaufträge kam es zu offensichtlichen Schmiergeldzahlungen, im Zusammenhang mit dem Skandal wurden so prominente Personen wie der Präsident der Vereinigung Österreichischer Industrieller, Fritz Mayer, vor Gericht gestellt, auch der Ex-Rennfahrer und jetzige Gewerkschaftsgegner Niki Lauda geriet unter Verdacht.

Korrupte Sozialdemokratie

Kreiskys Kronzprinz, der Vizekanzler und stellvertretender Parteivorsitzende der SPÖ, Hannes Androsch, mußte wegen der Verquickung privater Nebenverdienste und staatlicher Ämter gehen: Er hatte als Finanzminister eine Steuerberatungskanzlei. Jetzt nutzt er seine politischen Verindungen höchst erfolgreich als Großunternehmer ... Bei den Skandalen der letzten Jahrzehnte (z.B. auch Lucona und Noricum) steht in erster Linie die SPÖ im Rampenlicht. Der Grund dafür ist die vollkommene Eingliederung ihrer Führung in den bürgerlichen Staatsapparat und Verinnerlichung von dessen Interessen. Ziel der führenden sozialdemokratischen Politiker war und ist nicht mehr, ArbeiterInnenvertretung zu sein, sondern sich selbst zu bevorteilen. Vor allem mit dem Ausverkauf der Verstaatlichten und dem damit einhergehenden Einflußverlust begann ein regelrechter Wettkampf um die besten Posten. Ehemalige „Sekretäre“ sind in Führungspositionen an allen wichtigen wirtschaftlichen Machtzentren zu finden oder selbst Großunternehmer geworden... Diese „Sekt-Sozialisten“ schaden mit ihrer Politik der ArbeiterInnenbewegung, sind selbst korrupt bzw. öffnen durch ihr Vorgehen jeder Korruption Tür und Tor.

ÖVP-Skandale

Doch, wo sie können, stehen die anderen Parteien aber um nichts nach. In den 40er bis 60er Jahren, als die ÖVP an bzw. in der Regierung war, waren die Skandale eng mit dieser Partei verflochten. Peter Kraulander, 1945-49 Bundesminister für Vermögensicherung und Wirtschaftsplanung und damit zuständig für die öffentliche Verwaltung der Betrieb des ehemaligen deutschen Eigentums sowie der ERP-Mittel (Marshal-Plan) sorgte dafür, daß Gelder aus der Verpachtung solcher Betriebe u.a. in die Parteikassen der ÖVP flossen. Johann Haselgruber bedankte sich Ende der 50er Jahre bei der ÖVP für einen erhaltenen Kredit mit einem „Darlehen“ (de facto eine Parteispende) von 22,5 Millionen Schilling an die Wiener ÖVP. 1966 zweigte Viktor Müllner, Generaldirektor der NÖ-NEWAG (Landeselektrizitätsgesellschaft) sowie Landeshauptmann-Stellvertreter und Obmann des ÖAAB-NÖ ca. 40 Millionen von der NEWAG für ÖVP bzw. ÖAAB ab. In jüngerer Zeit waren ÖVP-Spitzen beteiligt, wie beim WEB-Skandal in Salzburgund und beim WBO-Skandal im Burgenland (beides Wohnbauförderungsskandale), bei dem (kleine) Anleger um ihr Geld betrogen wurden. 1995 kam es im Zusammenhang mit dem Ehemann der ÖVP-Umweltministerin Maria Rauch-Kallat, Mesndorff-Pouilly, und Waffenkäufen des Bundesheeres zu zahlreichen Ungereimtheiten.
Aber auch die vermeintliche Sauberpartei FPÖ hat ihre Skandale. Bereits vor Rosenstingl waren bekannte FPÖ’ler nicht nur in Polit-Skandale (Verbindungen zu Nazis) sondern auch in Finanz-Skandale verwickelt. Walter Meischberger wurde 1997 wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung verurteilt, Tassilo Broesigke, Präsident des Rechnungshofes und langjähriges FPÖ-Vorstandsmitglied, verschwieg, daß Beamte seines Ressorts mit Freiflugscheinen der Flughafenbetriebsgesellschaft quer durch die USA und in den Fernen Osten gejettet waren.

Spesen und Co.

... ein erster Schritt in Richtung Korruption ist gerade im Bereich von Arbeiterkammer und Gewerkschaft leicht gemacht. Schon im kleinen wird deutlich, wie man es sich richten kann.
Ein Beispiel: Michael Gehmacher, SOV - Gewerkschaftssprecher und Mitglied der Ortsgruppenleitung der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA)-Neubau, bekommt für jede Leitungssitzung öS 120,- und für jede Finanzkontroll-Sitzung öS 90,--. Häuft nun eine Person Funktion um Funktion an, so kann durch solche und andere Spesenersatzbeträge, einiges zusammenkommen.

Die SOV meint

Für die SOV ist Gewerkschaftsarbeit, die man in der Freizeit ausübt, ehrenamtlich. Daher treten wir dafür ein, daß Spesen nur dort zurückerstattet werden, wo auch tatsächlich Kosten entstanden sind.
 ...Im Moment gibt es keinerlei Möglichkeit, auf die anfangs geschilderten Beträge zu verzichten (!!!), was schon für sich selbst spricht. Deshalb spenden SOV-Mitglieder diese Gelder für internationale Solidaritätsaktionen, wie zum Beispiel für die Unterstützung der Wharfies (streikende, australische Hafenarbeiter), oder die Arbeit der SOV.

Erscheint in Zeitungsausgabe: