Mo 28.03.2016
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Die immensen Betrugsvorgänge bei „Volkswagen“, dem zweitgrößten Autohersteller der Welt, fassen förmlich zusammen, wie das kapitalistische System zu unserer Umwelt steht. VW hat weltweit die Abgasuntersuchungen für seine Fahrzeuge manipuliert, um den kurzfristigen Profit in die Höhe schnellen zu lassen. Und die EU hat – unter dem Druck der Regierungen, die die heimische Autoindustrie stützen – nichts unternommen. Dass tausende Menschen an Krankheiten sterben, die direkt auf diese Umweltbelastung zurückgehen, oder dass der Ausstoß von Treibhausgasen das Leben auf der Erde bedroht, spielt absolut keine Rolle. PETE DICKENSON untersucht dieses systematische Versagen. Sein Artikel erschien zuerst in der Socialism Today (Ausgabe 194, Dezember 2015 / Januar 2016), dem Magazin der Socialist Party (Schwesterorganisation der SLP und Sektion des CWI in England und Wales).
Es ist mehr als ein Vierteljahrhundert her, dass die herrschenden Klassen dieser Welt ernsthafte Gespräche über die globale Erwärmung begonnen habe. Damals bereiteten sie sich auf ihren „Weltklimagipfel“ vor, der 1992 in Rio stattfand und von der UNO organisiert worden ist. Bislang sind allerdings keine nennenswerten Schritte unternommen worden, um das Problem in den Griff zu bekommen; und dass, obwohl die Mehrheit des kapitalistischen Establishments tatsächlich begriffen hat, dass etwas geschehen muss. Auch der Klimagipfel von Paris macht nicht den Anschein, aus diesem Muster auszubrechen. Woran aber liegt es, dass so unheimlich wenig getan wird?
Vor allem an zwei Beispielen wird klar, was die tieferliegenden Ursachen dafür sind, dass ein der Lage angemessenes Abkommen ausgeblieben ist. Da wäre zunächst das System des Emissionshandels, das vollkommen gescheitert ist. Ursprünglich sollten damit die Treibhausgasemissionen reduziert werden, die für die Erderwärmung verantwortlich sind. Zweitens ist das Schicksal der staatlichen Subventionen für erneuerbare Energien (wie z.B. Solar- und Windkraft) zu nennen.
Von Anfang an ist der Emissionshandel als das marktwirtschaftliche Instrument zur Reduzierung von Treibhausgasen angepriesen worden. Nach jahrelangem Streit einigte man sich 1997 dann im japanischen Kyoto auf eine Vereinbarung zur Einführung eines Emissionshandels für Kohlenstoff. Dieser schloss auch rechtlich bindende Obergrenzen für den Ausstoß von CO2-Emissionen mit ein, was eines der wichtigsten Treibhausgase darstellt. Mit diesem Vertrag bekam jedes Land seine eigenen Höchstwerte für Emissionen zugewiesen. In den Ländern erhielten die einzelnen Unternehmen dann eigene Richtwerte, die nur dann überschritten werden durften, wenn eine Genehmigung zur zusätzlichen Luftverschmutzung ausgestellt wurde. Die Kosten für eine solche Genehmigung sollten so hoch angesetzt werden, dass Konzerne von einer Überschreitung der Werte Abstand nehmen würden.
Von Anbeginn zwang der Druck der Länder mit relativ hohen Emissionsmengen die Fürsprecher dieses Abkommens dazu, eine ganze Reihe von Schlupflöchern in das Machwerk einzubauen. Das ist der Grund, weshalb die gesetzten Obergrenzen äußerst moderat ausfielen. Die Emissionen sollten nur um wenige Prozentpunkte reduziert werden, was der Problemlage in keinster Weise mehr entsprach. Hinzu kam, dass auch noch Vereinbarungen zur „Verrechnung“ eingeräumt wurden, über die die Unternehmen grüne Projekte in armen Ländern fördern und somit die Genehmigung zu stärkerer Verschmutzung erlangen konnten. Diese Option führte zu einer Reihe von skandalösen Betrugsfällen.
Mit wesentlich mehr Ernsthaftigkeit sind die Regierungen schließlich darangegangen, so viele Sondergenehmigungen auszustellen, wie es ihnen passte. Schätzungen gehen davon aus, dass der Preis für eine solche Genehmigung wenigstens 35 Dollar je zusätzlich ausgestoßener Tonne Kohlenstoff betragen muss, damit ein Unternehmen überhaupt an die Möglichkeit einer Emissionsverringerung zu denken beginnt. In der Praxis mussten für Sondergenehmigungen Zahlungen geleistet werden, die nur sehr selten über einstellige Beträge je zusätzlicher Tonne hinausgingen, und am Ende wurden diese Genehmigungen – nach dem Einsetzen der Wirtschaftskrise von 2007/-08 – mehr oder weniger kostenlos ausgestellt, weil die Regierungen mehr oder weniger alles unterschrieben haben, was die Unternehmen von ihnen verlangten.
Das Scheitern des Kyoto-Abkommens ist ein sehr bedeutsames Beispiel dafür, wie der Kapitalismus nicht in der Lage ist, angemessen auf die Gefahren der globalen Erwärmung zu reagieren. Selbst für Kapitalisten stellt dieses Scheitern wahrscheinlich keine besonders große Überraschung dar. Das Ziel bestand darin, die USA, den weltgrößten Umweltverschmutzer jener Zeit, dazu zu motivieren überhaupt teilzunehmen. Versucht wurde dies, indem man das Genehmigungsverfahren so schmerzfrei wie möglich gestaltete. Den Todesstoß bekam das Kyoto-Protokoll versetzt, als die US-Regierung eine Beteiligung daran ablehnte und die Interessen des US-Kapitalismus über alles andere stellte.
Selbst wenn das Abkommen von Kyoto erfolgreich umgesetzt worden wäre, ist immer noch zweifelhaft, ob es die nötigen Auswirkungen gehabt hätte. Auch wenn es sich nicht um eine Steuer auf CO2 -Emissionen im klassischen Sinn gehandelt hat, so hat die Methode des Handels mit Emissionswerten in einer Monopolwirtschaft dennoch dazu geführt, dass die Unternehmen ihre daraus resultierenden Zusatzkosten (für die Genehmigungen) an die VerbraucherInnen weitergegeben haben. Das führte zum selben Problem wie es auch der Idee von der Öko-Steuer anhaftet: In welchem Umfang und wie schnell würde ein Anstieg bei den Energiekosten zu ökologischerem Umgang mit den Energieträgern führen?
Die meisten VerbraucherInnen haben gar nicht erst die Möglichkeit, sich beispielsweise für einen Ökostrom-Anbieter zu entscheiden. Sie können nicht anders als auf die derzeit zur Verfügung stehenden umweltschädlichen Technologien zurückzugreifen. Selbst wenn der Preis für eine Sondergenehmigung spürbar steigen würde – was höhere Energiekosten zur Folge hätte –, so würden die Treibhausgasemissionen nur geringfügig zurückgehen. Jedenfalls nicht merklich im Verhältnis zu dem, was nötig wäre. Und nötig ist ein Emissionsrückgang von 40 Prozent bis zum Jahr 2020. Obwohl diese Branche wesentlich flexibler mit Preisschwankungen umgehen kann als der Energiesektor, trifft dieselbe Aussage auch auf das öffentliche Verkehrswesen zu. Ein Anstieg der Kraftstoffpreise würde auch hier nicht zu einem schnelleren Übergang hin zu effizienteren Energiesystemen führen, da es zu lange dauern würde, das öffentliche Verkehrswesen ökologisch auszurichten.
Für SozialistInnen geht mit dieser sehr wichtigen Frage auch das Problem der gerechten Verteilung einher. Bei der CO2-Steuer, auf die das System des Emissionshandels hinausgelaufen wäre, handelt es sich um eine regressive Steuer, weil die Ärmeren einen größeren Prozentanteil ihres Einkommens für Energiekosten aufwenden müssen. Wenn der Preis für eine Sondergenehmigung für zusätzliche Emissionen hoch genug wäre, um überhaupt eine positive Auswirkung auf die Umwelt zu haben, dann würde sich damit die ohnehin schon bestehende Ungleichheit bei der Verteilung weiter verschärfen. Abgesehen davon würde das, wenn ein solch hoher Preis für die Genehmigungen durchgesetzt wäre, die Profite der Unternehmen schmälern und zu massivem Widerstand von Seiten der multinationalen Konzerne führen.
Aufstieg und Fall der erneuerbaren Energieträger
Weil sie eine direktere Form der staatlichen Intervention darstellten, hätte man von den Subventionen für erneuerbare Technologien weitaus mehr erwarten können, die im ersten Jahrzehnt zu Beginn dieses Jahrhunderts in großem Stil eingeführt worden sind. Fakt ist, dass diese Subventionen einen – wenn auch zu kleinen – Effekt hatten. 2013 machten die erneuerbaren Energien 8,5 Prozent der weltweit erzeugten Energiemenge aus (Quelle: United Nations Environment Programme [UNEP], Global Trends in Energy Investment, 2014). Darüber hinaus speisten sich 43 Prozent der 2013 neu hinzugekommenen Energiekapazitäten aus den erneuerbaren Energieträgern. Oberflächlich betrachtet war die Statistik ermutigend, was einige ökologisch motivierte KommentatorInnen zu der Aussage brachte, dass die (kapitalistische) Welt am Ende doch noch aufgewacht sei und das Problem der globalen Erwärmung erkannt habe.
Will man überprüfen, ob diese Aussage stimmt, so ist es nötig, die Investitionstätigkeit für jedes einzelne Land zu betrachten und sich die Trends bei den Ausgaben anzusehen sowie zu hinterfragen, welche Motive dahinterstehen mögen. Das Ergebnis dieser Untersuchungen muss dann mit der Investitionstätigkeit verglichen werden, die insgesamt nötig wäre, um den weltweiten Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius (im Verhältnis zur vorindustriellen Zeit) zu halten. Klimaforscher gehen nämlich davon aus, dass jede Erwärmung über dieser Grenze zu nicht mehr kontrollierbaren weiteren Temperaturanstiegen führen wird. Am Ende und vielleicht am wichtigsten ist es, den Zeitraum mit einzubeziehen, in dem dieses Ziel erreicht werden muss.
Im Welt-Maßstab haben die Investitionen in erneuerbare Energieträger 2011 mit 257 Milliarden Dollar ihren Höhepunkt erreicht und sind seither wieder um 23 Prozent zurückgegangen. Die Austerität in Europa war dafür ein ganz wesentlicher Grund. In Deutschland sind die Ausgaben um 56 Prozent zurückgegangen und in Italien sogar um 75 Prozent (Quelle: Bloomberg, New Energy Finance, 2014). Die Folgen für die Umwelt sind in der Realität wesentlich schlimmer, als der Rückgang um 23 Prozent vermuten lässt. Das ist auf besondere Faktoren auf dem Energiemarkt Japans zurückzuführen, die nach der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 ihre Wirkung zeigten. Der UNEP-Bericht hat auch gezeigt, dass die Stückkosten für Solarzellen gesunken und die Herstellungskosten folglich gestiegen sind. Diese Umstände tragen signifikant dazu bei, dass eine auf den ersten Blick so beeindruckende Zahl von 43 Prozent, die bei den neu hinzugekommenen Energiekapazitäten auf die erneuerbaren Energieträger fielen, zustande gekommen ist. Sieht man sich das Bild aber im Detail an, so zeigt sich, dass diese Zahlen vor allem auf Zufällen bzw. unerwarteten Ereignissen basieren. Von daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich dieser Trend wiederholen wird.
Die Zunahme bei den Herstellungskapazitäten für Solaranlagen stand mit mehreren Faktoren in Verbindung. Egal, ob sie (wie in Europa) relativ offen geleistet oder (wie im Falle Chinas) eher verdeckt praktiziert worden sind, haben staatliche Unterstützungsmaßnahmen und Subventionen beim zunehmenden Einsatz von Solarzellen eine sehr große Rolle gespielt. Der Rückgang in Folge der Wirtschaftskrise von 2007/-08 und der im Anschluss einsetzenden Austerität hat die Preise für Solarzellen ebenfalls gedrückt. Schließlich ist im Zuge dessen die Nachfrage nach Strom und Energie zurückgegangen. Überkapazitäten in der großen Solarindustrie Chinas haben diesen Trend weiter verstärkt. Gleichzeitig ist der Ölpreis auf einem historischen Höchststand geblieben, untermauert von geopolitischen Instabilitäten und der Politik des OPEC-Kartells. Diese Faktoren haben die Solarenergie zeitweilig wieder attraktiv werden lassen.
Jetzt haben sich diese vorteilhaften Umstände in ihr Gegenteil verkehrt. Der Ölpreis ist von seinem Höchststand von 140 Dollar je Barrel auf 50 Dollar zurückgegangen, was mit der wirtschaftlichen Verlangsamung in China zusammenhängt. Hinzu kommt, dass in Europa die Subventionen aufgrund der Austerität zusammengestrichen worden sind. In Großbritannien betreibt die neue rechts-konservative Regierung eine Austeritätspolitik der verbrannten Erde. Was die Umwelt angeht, so gilt diese Feststellung beinahe wörtlich. Praktisch alle kleinen Fortschritte, die in den letzten 25 Jahren bei den Umweltgesetzen erreicht worden sind, stehen wieder in Frage. Subventionen für Windanlagen auf dem Festland sind auf Eis gelegt worden und Unterstützung für Solaranlagen gibt es kaum noch. Alle verbliebenen Subventionen für umweltfreundliche Investitionen (und seien sie noch so gering) stehen auf dem Prüfstand – und könnten zur Disposition stehen. Obwohl die Kosten für die Subventionen minimal sind, legt die Regierung ihre Priorität darauf, auf die verarmten Schichten und die Umweltbelange einzuschlagen, damit den Großkonzernen Steuererleichterungen angeboten werden können. Letzteren wird unter die Arme gegriffen, damit sie ihre Profite aufrechterhalten können.
Es gibt keine Anzeichen dafür, dass ein signifikanter globaler Wirtschaftsaufschwung bevorsteht, der auch die Bedingungen zur Unterstützung der erneuerbaren Energien verbessern könnte. Die Austerität ist von den europäischen Regierungen über Jahre hinweg festgelegt worden, und momentan gibt es keine Hinweise, die darauf hindeuten, dass die Führung Chinas ihren Kurs ändern und den Geldhahn wieder aufdrehen wird.
Selbst wenn es wieder zu vorteilhaften marktwirtschaftlichen Bedingungen für die erneuerbaren Energien kommen würde, so würden die negativen Perspektiven, denen die Umwelt entgegensieht, nicht behoben. Der „Stern Report“, der 2006 von der letzten sozialdemokratischen britischen Regierung unter der „Labour Party“ in Auftrag gegeben worden aber nie in die Tat umgesetzt worden ist, sagt aus, dass Investitionen in erneuerbare Energieträger im Wert von einem Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung über 40 Jahre hinweg nötig wären, um die globale Erwärmung in den Griff zu bekommen. Selbst 2011, als ein ökonomisches Hoch zu verzeichnen war, hat die Investitionstätigkeit zu keinem Zeitpunkt dieses Niveau erreicht. Es ist undenkbar, dass in den nächsten 40 Jahren und ohne Unterbrechung ausreichend vorteilhafte Marktbedingungen vorherrschen, um den Vorgaben von Stern je entsprechen zu können.
Die Rolle der Nationalstaaten in einer globalisierten Welt
Wenn man sich die Geschichte der Subventionen für erneuerbare Energien und des Emissionshandels ansieht, besteht der springende Punkt darin, dass die Regierungen mit diesen beiden ernsteren Versuchen, die globale Erwärmung in den Griff zu bekommen, komplett gescheitert sind. Der tieferliegende Grund dafür besteht in ihrer Unfähigkeit, internationale Vereinbarungen zustande zu bringen. Ferner lehnen sie es voll und ganz ab, Maßnahmen zu ergreifen, die die Profite der multinationalen Konzerne, die sie vertreten, direkt oder indirekt schmälern könnten. Historisch war es nicht immer so, dass bürgerliche Politiker es abgelehnt haben Maßnahmen zu ergreifen, mit denen den umweltzerstörerischen Exzessen ihrer Kapitalisten Grenzen gesetzt werden. Der „Stern-Report“ hat auch ganz klar gezeigt, dass die langfristigen Kosten dafür, dass man in puncto globale Erwärmung untätig bleibt, die Kosten für die Eindämmung derselben bei weitem übersteigen werden. Was ist es also, das die heutigen Vertreter der herrschenden Klasse davon abhält, entsprechend zu agieren?
Wieso können die uns heute Regierenden nicht einfach ihren Vorgängern aus dem 19. Jahrhundert nacheifern und beispielsweise strafrechtliche Sanktionen gegen Unternehmen geltend machen, die die Umwelt zerstören? Die Antwort auf diese Frage reicht bis zu der Erklärung, weshalb wir uns heute in einer derartigen Sackgasse befinden. Vor anderthalb Jahrhunderten war es wesentlich einfacher für die kapitalistische Klasse die Umweltverschmutzung einzudämmen, weil sich das Problem im Großen und Ganzen innerhalb der Grenzen des Nationalstaats abspielte. Darüber hinaus sind die Konflikte zwischen den Ländern, was die Handelspolitik und die damit einhergehenden Profite angeht, heute wesentlich stärker als zur Zeit, da Großbritannien noch die dominante Weltmacht war und sich noch nicht so sehr von ausländischen Rivalen bedroht sah. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Kapitalismus zu einem weltumspannenden System geworden, das sich anfangs nur durch einen enormen Anstieg des Warenhandels und dann durch den Export von Kapital auf höchstem Niveau ausgezeichnet hat. Aufgrund des protektionistischen Drucks folgte der Export der Produktion, weil multinationale Unternehmen weltweit expandierten.
Trotz dieser Globalisierung des Kapitals wurde der Nationalstaat als Verteidiger (nötigenfalls auch mit gewaltsamen Mitteln) der Konzerne wichtig, die seiner Rechtsprechung unterliegen. Da der Wettbewerb um Profite zwischen den Konzernen immer mehr an Intensität gewann, nahm auch die Bedeutung des Staates immer mehr zu. Der Widerspruch zwischen den Bedürfnissen der einzelnen Kapitalisten, die auf der Jagd nach Profiten die Schranken des Nationalstaats niederreißen wollen, und ihrem Vertrauen in den eigenen Staat, der ihre Interessen verteidigen soll, besteht nach wie vor in vollem Umfang.
Die 147 Unternehmen, die nach Angaben der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (Oktober 2011) 40 Prozent des weltweiten Reichtums unter Kontrolle haben und die Weltwirtschaft dominieren, wehren sich gegen alles, was ihre Profite auch nur im Geringsten schmälern könnte. Und sie berufen sich auf ihre Heimatländer, die ihnen dann beistehen sollen. Indem sie so agieren, haben sie wiederholt gezeigt, dass sie sich nur mit kurzfristigen Vorteilen beschäftigen. In dieser Blindheit, die auf den intensiven Wettbewerb zurückzuführen ist, lassen sie langfristige Probleme außer Acht, die – wie etwa durch die Zerstörung der Umwelt – unter Umständen sogar ihre eigene Existenz bedrohen.
Kapitalistische Kooperation wie zur Zeit des Kalten Kriegs
Verteidiger und Apologeten des kapitalistischen Systems werden einwenden, dass diese Analyse des Imperialismus den Antagonismus zwischen den Großmächten überspitzt darstellt und das Potential für Kooperation und Zusammenarbeit ignoriert, das doch durchaus vorhanden sei. Solche Fürsprecher des Kapitalismus könnten einräumen, dass vor 1945 „natürlich Fehler“ gemacht worden sind, die Lehren aus der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs aber doch gezogen worden seien und dass die Nachkriegsphase charakterisiert war durch bedeutende Beispiele der Kooperation der imperialistischen Mächte; da sei etwa die Gründung der UNO, der EU und der „Welthandelsorganisation“ zu nennen. Möglicherweise wird in diesem Zusammenhang dann auch das „Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen“ von 1987 zur Sprache kommen und als Beispiel herangezogen, das für ein internationales Abkommen steht, mit dem man einen gefährlichen Eingriff in die Umwelt unter Kontrolle bekommen habe. Von daher sei es eben doch nicht aussichtslos, an ein Abkommen auch hinsichtlich der globalen Erwärmung zu glauben, so könnten sie einhaken.
Auf Montreal werden wir später noch zurückkommen. Wahr ist, dass die beständige Neugliederung des Weltmarkts mit Waffengewalt, in die die Großmächte verwickelt waren und die von Lenin, einem der führenden Köpfe der Russischen Revolution von 1917, geradezu prophezeit worden ist, charakteristisch für die Phase vor dem Zweiten Weltkrieg war. Diese Phase schien nach 1945 von einer neuen historischen Wirklichkeit abgelöst worden zu sein. Nach dem Krieg, als die Siegermächte dann aus den USA und der nicht-kapitalistischen Sowjetunion bestanden, hat sich die Balance der internationalen Beziehungen grundlegend verändert. Die jeweiligen kapitalistischen Klassen in den einzelnen Ländern mussten zähneknirschend miteinander kooperieren, um in der Phase des Kalten Krieges eine gemeinsame Front gegenüber der UdSSR zu bilden, deren nicht-kapitalistisches Gesellschaftssystem – auch wenn es sich dabei nur um eine Karikatur des wirklichen Sozialismus handelte – für die wichtigsten imperialistischen Mächte trotz allem eine echte Bedrohung war.
Dem Aufbau einer solchen gemeinsamen Front kamen zwei Faktoren zugute: Der erste bestand in der Dominanz der USA über die anderen kapitalistischen Länder, sodass dieser Staat bis zu einem gewissen Grad die politische Agenda vorgeben konnte. Der zweite Faktor war der Nachkriegsaufschwung, der dabei half, die tieferliegenden Interessenskonflikte zwischen den einzelnen Mächten zu kaschieren. Die Staaten Europas waren überdies bereit, der EU ein gewisses Maß an Souveränität einzuräumen um darüber zu versuchen, die ökonomische Hegemonie der USA herauszufordern.
Nun sind diese besonderen Faktoren, die die Kapitalisten – wenn auch nur in begrenztem Umfang – zur Kooperation gezwungen haben, dabei, sehr schnell wieder zu verschwinden. Wesentliche Wendepunkte waren der Kollaps der Sowjetunion im Jahr 1991 und die Große Rezession von 2008. Beide Ereignisse markierten ganz entschieden das Ende des sogenannten ökonomischen „Goldenen Zeitalters“ der Jahrzehnte von 1950 bis -75. Heute wird die Agenda zunehmend von der Konfrontation zwischen den Großmächten bestimmt, was sogar mit der Kriegsgefahr einhergeht. Die multilateralen Institutionen, die nach 1945 geschaffen worden sind, brechen in sich zusammen oder sind dem Untergang geweiht. Zu einem gewissen Zeitpunkt wird die EU von Auflösungserscheinungen bedroht sein, und die Welthandelsorganisation (WTO) wirkt schon herrenlos. Sie wird durch bilaterales Geplänkel wie zum Beispiel durch die „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) ersetzt. Die UNO ist vollkommen unfähig, für Frieden und Sicherheit zu sorgen. Das Scheitern der Versuche, mit denen der Klimawandel angegangen werden sollte, war ein Vorbote für die Abkehr von der Nachkriegs-Kooperation. Auch wenn die Kosten für entsprechende Maßnahmen vergleichsweise gering waren, standen die zunehmenden Spannungen zwischen den Großmächten einem entsprechenden Abkommen im Wege.
Weltweites Ozon-Abkommen
Bleibt die Frage, wie es zum „Protokoll von Montreal“ als Beispiel internationaler Zusammenarbeit beim Umweltschutz kommen konnte. In den 1980er Jahren wurde klar, dass Chemikalien, die sogenannten FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe), die man für Sprühdosen verwendete, zur Zerstörung der Ozonschicht in der Atmosphäre beitragen. Dies führte zu einer umfassenden Zunahme von Hautkrebserkrankungen. In Montreal wurde unter der Ägide der UNO eine Vereinbarung getroffen, die für eine spürbare Verringerung der FCKW-Vorkommen um 77 Prozent zwischen den Jahren 1988 und 1994 sorgte. Kann dieser Erfolg bei der Bekämpfung der globalen Erwärmung wiederholt werden?
Was diese beiden Problembereiche angeht, so sind einige wesentliche Unterschiede festzustellen. Da wäre zum einen der Umfang des Problems, das im aktuellen Fall wesentlich größer ist als es bei den FCKWs je war. Die Kosten für die Einstellung der Produktion einer bestimmten chemischen Verbindung waren – vor allem, weil ein Ausweichprodukt bereits zur Verfügung stand – unvergleichlich geringer als es im Vergleich dazu bei der Umstellung der weltweiten Energieerzeugung der Fall sein wird. Wenn man das Pro-Kopf-BIP als Grundlage nimmt, haben zweitens alle Industrieländer mehr oder weniger gleich viel von den Kosten getragen, die bei der Beseitigung der FCKWs entstanden sind. Von daher ist sehr vielsagend, dass die USA dennoch mehrere Jahre brauchten, bevor auch sie das Abkommen von Montreal unterzeichnet haben. Außerdem hat man nur deshalb unterschrieben, weil das US-amerikanisches Chemiekonsortium „DuPont Inc.“ schlussendlich in der Lage war, den technischen Durchbruch zu schaffen und den Markt für FCKW-Ersatzprodukte zu dominieren.
Vergleicht man die Kosten für die Rettung der Ozonschicht mit denen, die zur Bekämpfung der globalen Erwärmung nötig wären, dann wird der große Unterschied rasch klar. Im Falle der Erderwärmung sind die USA einer der größten Übeltäter, weil für schätzungsweise 20 Prozent aller Emissionen verantwortlich; und dass, obwohl dieses Land nur fünf Prozent der Weltbevölkerung stellt. Der Pro-Kopf-Anteil an den Emissionswerten liegt vier Mal über dem Welt-Durchschnitt und entspricht beinahe dem Doppelten der Emissionen, die in der EU pro Kopf in die Luft geblasen werden. Wenn es nach den rivalisierenden Staaten ginge, die für eine proportionale Kostenverteilung in Bezug auf die Ausstoßmengen eintreten, wären daher die USA in dem Fall, dass es zu echten Schritten gegen die Klimaerwärmung kommen sollte, der große Verlierer. Bei der Bekämpfung des Ozon-Problems sah das noch anders aus. Das hat eine internationale Vereinbarung unmöglich werden lassen. Und die Situation wird dadurch noch brisanter, dass mittlerweile China zum größten Produzenten von Treibhausgasen aufgestiegen ist.
China hat immer darauf bestanden, historisch nicht für den Klimawandel verantwortlich zu sein und von daher auch keine entsprechenden Zahlungen zu leisten. Die Ablehnung des Regimes in China, sich an einem Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll zu beteiligen, hat dem US-Kongress die Möglichkeit gegeben, sich diesem Vorgehen anzuschließen. Das hat den ganzen Ansatz im Keim erstickt. Die Folge davon ist, dass in Paris nur Vorschläge für eine freiwillige Reduzierung von Emissionen auf der Tagesordnung stehen. Und die Fristen zur Umsetzung dieser freiwilligen Reduktionswerte unterliegen ebenfalls dem Prinzip der Freiwilligkeit.
Auf der Suche nach einer technischen Lösung
Die Funktionsträger und Staatsdiener, die den Klimagipfel von Paris durchführen, werden die Bedeutung dieses bedeutungslosen Diskutierzirkels herunterzuspielen versuchen. Dabei werden sie behaupten, dass Durchbrüche errungen worden sind. Doch nichts wird den Bankrott der herrschenden Klassen dieser Welt vertuschen können. Weil sie dieses Problem erkannt haben, ziehen sich einige von ihnen schon auf den verzweifelten Versuch zurück, eine Strategie der letzten Chance zu vertreten: Sie meinen, dass die „Genialität“ des Kapitalismus, immer wieder mit Innovationen aufwarten zu können, dabei helfen wird, ein technologisches Kaninchen aus dem sprichwörtlichen Hut zu zaubern, mit dem das Problem behoben werden kann.
Orthodoxe rechtslastige Ökonomen meinen, dass Innovationen, die aus ihrer Sicht nur die Folge des Wettbewerbs in der Marktwirtschaft sein können, zur allgemeinen Steigerung der Produktivität und somit ab einem bestimmten Grad an Verbrauch zu weniger Energiebedarf führen werden. Es ist wahr, dass die Produktivität in den Industrieländern seit der Krise von 2008 um rund zwei Prozent jährlich angestiegen ist. Und es stimmt, dass dies zu einer geringeren Nachfrage an Naturreserven geführt hat, die für einen bestimmten Grad an Konsum nötig sind. Allerdings gibt es keinen Beleg dafür, dass dies auch zu einem Rückgang bei der Umweltverschmutzung geführt hätte. Abgesehen davon ist die Produktivität in Großbritannien seit der Krise von 2008 abgeschmiert und macht bislang auch nicht den Eindruck, wieder das alte Niveau zu erreichen.
Selbst wenn wir – allein, um die Debatte nicht ausufern lassen zu wollen – einmal annehmen, dass diese Theorie der ultra-neoliberalen Anhänger des freien Marktes stimmt, so bräuchte es mehrere Jahrzehnte, bis hinlängliche Auswirkungen spürbar würden und die Verschmutzung soweit wie nötig zurückgefahren wäre. Dann wäre es aber zu spät, um ein völliges Umweltdesaster noch abwenden zu können. Damit die Theorie des freien Marktes funktionieren kann und dabei die Emissionen soweit reduziert werden, dass auch noch die Ziele hinsichtlich der globalen Erwärmung erreicht werden, bräuchte es Produktivitätsgewinne durch neue Innovationen, die einen schnellen und umfangreichen Rückgang des Verbrauchs von Naturreserven möglich machen. Parallel dazu müsste auch noch für das entsprechende Wirtschaftswachstum gesorgt werden. Im Kapitalismus wird es dazu allerdings nicht kommen.
Weil sie sehen, dass die Ideen vom freien Markt an ihr Ende gekommen sind, halten einige Teile der Bourgeoisie nach interventionistischen Ansätzen aus der Umweltökonomik Ausschau. Diese Ideen stehen manchmal mit sogenannten „win-win“-Theorien in Verbindung. Im Kern geht es darum, dass Firmen nichts von den Möglichkeiten wissen, die neue Technologien sowohl in puncto Eindämmung der Umweltprobleme als auch hinsichtlich des Profit-Machens bieten. Demnach sei es die Aufgabe der Regierungen, so die Theorie, Institutionen zu fördern und Regularien einzuführen. Das hat Elemente der Theorie von Zuckerbrot und Peitsche: Die Arbeitgeber und Konzernherren sollen dazu veranlasst werden, sich für den „einfacheren Weg“ zu entscheiden.
Das Problem bei diesem Ansatz ist, dass er der Logik des Kapitalismus diametral entgegensteht. Die Bourgeoisie ist auf der Suche nach dem Heiligen Gral, nach einer Innovation, die dafür sorgt, dass die erneuerbaren Energieträger billiger werden als Öl und Kohle. Doch das System der Marktwirtschaft ist nicht in der Lage gewesen, für die technischen Durchbrüche zu sorgen, die (auch dafür) so dringend nötig wären.
Keine halben Sachen mehr!
Wegen der hohen Kosten und der Folgen für ihre Profite, sind Regierungen und Unternehmen widerstrebt zu investieren. Wenn die US-Regierung 1995 dieselben Ressourcen in die Kernschmelze, bei der es sich um eine potentielle Quelle für überreichlich viel erneuerbare Energie handelt, gesteckt und dabei mit derselben Eile vorgegangen wäre wie im Zweiten Weltkrieg bei ihrem „Manhattan Project“ für die Atombombe, dann bestünde eine angemessene Chance mittlerweile erfolgreich gewesen zu sein. Das Atombomben-Projekt beanspruchte zehn Prozent des gesamten Energieverbrauchs der USA. Dieses Engagement wurde deshalb an den Tag gelegt, weil alle kriegführenden Mächte um ihr Überleben kämpften. Heute ist es unvorstellbar, dass es zu ähnlichen Anstrengungen kommt, weil die Kapitalisten im Kampf gegen die globale Erwärmung nicht annähernd die Notwendigkeit sehen wie im o.g. Fall.
Letztlich bleibt das Lockmittel namens schneller Profit der einzige Grund für Investitionen in neue Technologien – ganz egal, ob es die Konzerne selbst sind oder die Regierungen, die in ihrem Auftrag handeln. Im Kontext der vorherrschenden intensiven Konkurrenz zwischen den imperialistischen Mächten, werden nach jedem Investment kurzfristige Renditen erwartet. Damit ist ausgeschlossen, dass ernsthaft Projekte wie die Kernfusion in Angriff genommen werden. Als sie sich noch in der Opposition befanden, waren Tony Blair und Gordon Brown noch Anhänger des interventionistischen Konzepts. Als sie aber merkten, dass sie damit dem Kern des Profitsystems entgegenstehen, haben sie sich schnell wieder davon verabschiedet und auch die kleinsten Ansätze in dieser Richtung wieder fallengelassen. Jeremy Corbyn und John McDonnell nehmen den Interventionismus zweifellos ernster, und natürlich würden wir jede beabsichtigte Maßnahme, die tatsächlich ihre Auswirkungen auf die globale Erwärmung hätte (wie etwa entsprechende Subventionen) wärmstens begrüßen. Je umfangreicher die Intervention, desto wahrscheinlicher ist eine positive Wirkung.
Doch man kann der Logik des imperialistischen Kapitalismus nicht entrinnen, vor allem wenn es um ein Thema wie den Klimawandel geht, bei dem die Zeit, in der halbe Sachen zu tun vermeintlich ausreichten, längst vorbei ist. Für eine künftige linke Regierung wird es unmöglich sein, die dringend notwendigen Dinge zu tun, wenn sie weiterhin im Rahmen eines antagonistischen, räuberischen Wirtschaftssystems verharrt. Deshalb muss die Kampagne gegen die globale Erwärmung und Umweltzerstörung auch Hand in Hand gehen mit dem Kampf für Sozialismus. Die Zukunftsperspektive besteht allein in der Veränderung der sozialen und ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft. Und weil die globale Erwärmung vor Ländergrenzen keinen Halt macht, muss dies auf internationaler Basis geschehen.