Wer nicht richtig kämpft, hat schon verloren

Gerhard Ziegler

Die offizielle Teuerung betrug im Oktober in Österreich 11 % nach 10,6 % im September. Die bisherigen Lohnabschlüsse liegen klar darunter: Das bedeutet Reallohnverlust, auch wenn die Gewerkschaftsbürokratie die Abschlüsse als Erfolg verkaufen will. Die mageren Ergebnisse sind aber nicht auf mangelnde Kampfbereitschaft der Beschäftigten zurückzuführen. Dort, wo sich die Gewerkschaften gezwungen sahen zu mobilisieren (bei Betriebsversammlungen und Betriebsrätekonferenzen), gab es breite Teilnahme.

  • Beim Warnstreik am 23.11. in den Wiener Ordensspitälern beteiligten sich die Beschäftigten – großteils Frauen – zu fast 100 %! 
  • Die Gewerkschaften younion und GPA luden die Beschäftigten der öffentlichen und privaten Kindergärten und Horte in Oberösterreich zum gemeinsamen Streik-Workshop. Sie erwarteten 300 Teilnehmer*innen. Gekommen sind fast 600!
  • Der Bahnstreik am 28.11. war der längste seit 1965, solide und österreichweit.

Das Problem: keine bzw. defensive Strategie

Für die Gewerkschaftsführung sind Streiks kein Mittel, um einen Arbeitskampf zu  gewinnen, sondern „das äußerst letzte Mittel“, um die Gegenseite an den Verhandlungstisch zu bringen. Um einen Arbeitskampf, den sie wie der Teufel das Weihwasser fürchten, zu vermeiden, sind sie immer wieder bereit, die Forderungen runterzuschrauben, Streiks hinauszuschieben und faule Kompromisse zu schließen.

Wir haben schon im September (“Heißer Herbst heißt kämpfen auf betrieblicher und politischer Ebene“) festgestellt, dass die massive Teuerung endlich ein Ende der traditionellen Sozialpartner-Rituale nötig macht. Eine kämpferische Ausrichtung auf Streiks müsste über Einbindung und Mobilisierung der Basis in den Betrieben rechtzeitig vorbereitet werden. Warum wurde nicht für das Forderungsprogramm der Wiener SWÖ-Betriebsrätekonferenz gekämpft? Warum haben Metaller*innen und Beschäftigte im Sozialbereich nicht gemeinsam gekämpft, sondern jeder für sich alleine? Warum hat die Vida den Bahnstreik nicht mit Massendemonstrationen verbunden? Die Bündelung der Kräfte und gemeinsames Vorgehen (auch bei den Forderungen und beim Verhandeln) würde das Kräfteverhältnis zu Gunsten der Kämpfenden verändern und deren Selbstbewusstsein heben. Eine solche umfassende Streikbewegung würde die  Möglichkeit bieten, „utopisch“ anmutende Forderungen, die jedoch für die Verteidigung und Verbesserung des Lebensstandards der Arbeitenden notwendig sind, gegen den Willen der Unternehmer*innenklasse durchzusetzen. Zu guter Letzt sollte jedes Verhandlungsergebnis den Streikenden zur Urabstimmung vorgelegt werden. Sie müssen entscheiden, ob sie mit dem Ergebnis leben können oder weiterkämpfen.

Aktive Basis = Bessere Abschlüsse

Auffällig ist, dass bisher im SWÖ (obwohl trotzdem ungenügend) höher als im Metallbereich abgeschlossen  wurde. Dort ist es rund um linke Betriebsräte und die Basisinitiative „Sozial aber nicht blöd“ (SANB), die von Aktivist*innen der ISA zusammen mit anderen aufgebaut wurde, gelungen, Druck von unten zu erzeugen (Intervention auf der Betriebsrät*innen-Konferenz, Abhaltung öffentlicher Betriebsversammlungen und eine Demonstration im November mit mehr als 3.000 Teilnehmer*innen). Leider blieben diese Mobilisierungen auf Wien beschränkt. Offensichtlich sind durch Corona und die lange Ruhe in diesem Bereich (die letzten KV-Verhandlungen liegen 3 Jahre zurück) die kämpferischen Strukturen in den Bundesländern eingeschlafen und der desaströse Abschluss vor 3 Jahren hat viele demoralisiert. Vor diesem Hintergrund konnte die Gewerkschaftsbürokratie dem Druck der Basis vor allem aus Wien standhalten und neuerlich einen faulen Kompromiss schließen. Aber die Unzufriedenheit mit dem Abschluss ist groß. 13 Mitglieder im Verhandlungskomitee stimmten gegen dessen Annahme.

Zu Redaktionsschluss stehen noch in anderen Bereichen (Warn-)Streiks an. Trotz Streikbereitschaft der Beschäftigten werden wir auch hier Abschlüsse unter der laufenden Inflation durch die Gewerkschaftsführer sehen. Viele werden darüber zu Recht wütend sein. Wir laden alle, der/die mit uns für eine andere Gewerkschaft, eine demokratische und kämpferische, kämpfen wollen dazu ein, mit uns Kontakt aufzunehmen. 

 

 

 

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