Mi 16.04.2008
Die Krise, die letzten Sommer auf den internationalen Finanzmärkten begann, unterscheidet sich von allen früheren Krisen. Trotzdem bestehen zur japanischen Krise der Neunziger noch die größten Ähnlichkeiten. Damals hatte sich in Japan ähnlich wie in den letzten Jahren weltweit eine riesige Spekulationsblase – vor allem bei Aktienkursen und Grundstückspreisen – entwickelt.
Der Nikkei-Index schloss 1989 bei 38.915,87, ein Anstieg auf 50.000 im Jahr 1990 wurde vorausgesagt. Stattdessen brach er ein. Heute steht er bei etwa 30 Prozent des damaligen Werts. Das zeigt, dass die Beteuerung der Börsianer, Kurseinbrüche seien nur vorübergehend, nicht immer stimmt. Noch krasser war es bei den Immobilienpreisen. Der Preisverfall der städtischen Grundstücke hält seit 1992 ununterbrochen an. Kommerziell genutzte städtische Grundstücke kosteten 2007 71 Prozent weniger als 1992 und waren auf dem Niveau von 1972.
Finanzmärkte und „Realwirtschaft“
Solange die Grundstückspreise in Japan gestiegen waren, hatten Unternehmen Grundstücke auf Kredit gekauft oder auf ihre Grundstücke Hypotheken aufgenommen. Als die Immobilienpreise ins Rutschen kamen, wurde daraus ein riesiger Berg an faulen Krediten, den die Banken jahrelang in ihren Büchern mitschleppten, bis er Ende der neunziger Jahre eine tiefe Bankenkrise erzeugte. Auf Jahre hinaus vergaben Banken nur sehr zögerlich neue Kredite, obwohl die japanische Notenbank die Leitzinsen auf fast Null senkte.
Unternehmen strichen ihre Investitionen zusammen, und so schwappte die Krise von den Finanzmärkten auf die „Realwirtschaft“ über. Das Wirtschaftswachstum ging drastisch zurück, von 5,3 Prozent 1990 auf 0,9 Prozent 1992. Massive staatliche Investitionsprogramme brachten keinen dauerhaften Aufschwung, nur die Staatsverschuldung hat sich 1990-2005 fast vervierfacht.
Die heutige Krise
In Japan lief die Verschuldung über klassische Kredite, die Banken jahrelang in ihren Büchern mitschleppen konnten. Heute handelt es sich überwiegend um „Schuldscheine“, die an Finanzmärkten gehandelt werden und sofort im Kurs stürzen, wenn Zweifel an der Zahlungsfähigkeit aufkommen. Das kann bedeuten, dass die Krise sich schneller ausbreitet und tiefer wird.
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Hypothekenverschuldung in Japan vor allem Unternehmen betraf. Auch Aktienbesitz war unter japanischen Arbeiter-Innen wenig verbreitet. Deshalb traf sie die Krise erst, als diese auf die Produktion übergriff. Dagegen sind in den USA heute Hypothekenverschuldung von Eigenheimbesitzern und Aktienbesitz viel weiter verbreitet, so dass große Teile der arbeitenden Bevölkerung von der Finanzkrise auch direkt betroffen sein werden. Außerdem hatte die japanische Arbeiterklasse große Ersparnisse, auf die sie in der Krise zurückgreifen konnte. 1989 waren die Ersparnisse von Arbeiterhaushalten 50 Prozent höher als die jährlichen Haushaltseinkommen und mehr als dreimal so groß wie die Schulden – wobei bei Ersparnissen Grundbesitz nicht mitgerechnet war und nur 13 Prozent der Ersparnisse aus Aktien bestanden. Bis 2006 sind sowohl Schulden als auch Ersparnisse gestiegen, aber die Ersparnisse sind in Japan immer noch doppelt so hoch wie die Schulden. Dagegen hängt den abhängig Beschäftigten in den USA ebenso wie der US-Wirtschaft insgesamt schon zu Beginn einer möglicherweise tiefen Krise die Verschuldung wie ein Mühlstein um den Hals.
Ein weiterer Vorteil Japans war, dass es ständig hohe Exportüberschüsse hatte, die die Krise des japanischen Binnenmarktes abmilderten. Einer globalen „Japankrise“ ist dieser Ausweg natürlich versperrt.
Bei der Japankrise haben die Prognosen gründlich daneben gelegen. Am 18. Dezember 1991 hatte die Londoner Financial Times spekuliert, ob die japanische Wirtschaft im kommenden Jahr über oder unter drei Prozent wachsen werde. Stattdessen folgten über mehrere Jahre Wachstumsraten unter ein Prozent. Für die gerade beginnende globale Krise sind Vorhersagen viel schwerer.