So 16.04.2006
Die Midterm-Wahlen rufen normalerweise wenig Enthusiasmus und Interesse hervor, doch diesmal könnten sich diese Wahlen im November 2006 zu einem großen Wettlauf entwickeln. Kommentatoren spekulieren offen mit dem Ärger der Wähler über den Krieg - Korruption und ökonomische Kürzungsprogramme heizen einen umfassenden Kollaps der Republikaner zusätzlich an.
Vor diesem Hintergrund hat ein Teil der Demokraten begonnen, die Bush Administration mit zunehmender Schärfe zu kritisieren, insbesondere deren Irak Politik. In den vergangenen Monaten haben einige prominente Demokraten (und Republikaner) ihren Standpunkt geändert und unterstützen einen schnellen bzw. stufenweisen Abzug der US Truppen vom Irak.
Dieser Verschiebung der Parteiführung weg von einer strikten Kriegsunterstützung in den Wahlen 2004 hat unter Anti-KriegsaktivistInnen neue Hoffnungen erweckt, dass mit den Demokraten letztendlich doch der Krieg beendet werden könnte. Viele Anti-Kriegs-FührerInnen drängen nun darauf, die Antikriegsbewegung auf das Gewinnen ‚Demokratischer’ Kontrolle im Kongress im kommenden November zu fokussieren.
Unserer Ansicht nach stellt das politisch eine völlige Bankrotterklärung dar. Zwischen den Zielen der „Antikriegs“ – Demokraten und den Zielen der authentischen AktivistInnen der Antikriegsbewegung liegen Welten.
Jene Politiker der Demokraten, die für einen Truppenabzug argumentieren, machen das nicht aus fortschrittlichen Gründen, wie etwa aus Besorgnis um das irakische Volk oder auf Grund der Belastung, die der Krieg für gewöhnliche ArbeiterInnen in den USA bedeutet. Die wahre Triebfeder ist reiner Wahlopportunismus – der Wunsch, die wachsende Antikriegsstimmung für Wahlgewinne 2006 als Wählerstimmen einzufangen – und Berechnungen der herrschenden Klasse, das Desaster, mit dem der US-Imperialismus im Irak täglich konfrontiert ist, zu entschärfen.
Vor einer Niederlage im Irak
Hinter der „Auf Kurs bleiben“ Rhetorik die noch immer aus dem Weißen Haus prasselt, gibt es eine wachsende Übereinstimmung unter den seriösen Strategen des U.S. Kapitalismus, dass ihnen eine katastrophale Niederlage im Irak bevorsteht. Die Stärke der Aufstände, Angst vor einem militärischen ‚over-stretch’ und wachsende Opposition im eigenen Land haben innerhalb des Establishment eine heftige Debatte über die nächsten Schritte ausgelöst.
William Odom, ehemaliger Leiter des Nationalen Sicherheitsrats und General im Ruhestand, meinte “Die Invasion im Irak ... wird das größte strategische Desaster der U.S. Geschichte werden“ (democracynow.org, 10/4/05).
Um die Verluste zu minimieren und jenen militärischen Kollaps zu verhindern, der das Ende des Vietnamkriegs kennzeichnete, meint eine wachsende Zahl politischer und militärischer Führer, dass den U.S. imperialistischen Interessen durch einen, möglichst frühzeitigen, geordneten Rückzug vom Irak am besten gedient sei. Pentagon Beamten hoffen, das Grundkontingent von derzeit 136.000 U.S. Truppen im Irak bis Ende 2006 auf 100.000 reduzieren zu können.
Eine neue vom Pentagon beauftragte Studie warnt, dass erzwungene Umgruppierungen und eine Krise in der Rekrutierung die US Army als „dünne grüne Linie“ hinterlassen hat, die bald ‚abreißen’ könnte. Die Studie, autorisiert von Andrew Krepinevich, Geschäftsführer des ‚Center for Strategic and Budgetary Assessments’ (Zentrum für Strategische und Budgetäre Prüfung“), stellte fest, dass die US Army „in einem Wettlauf gegen die Zeit“ ist, den Krieg zu gewinnen oder andernfalls „es riskiert, die Streitkräfte in Form eines katastrophalen Verfalls zur zerbrechen“, vor allem hinsichtlich Anwerbung und Einberufung.
Das Militär wird die Stationierungen nicht lange genug aufrecht erhalten können, um die Aufstände zu zerschlagen, prophezeit Krepinevich, der ebenso den Schluss zog, dass die Pentagonpläne für eine Truppenreduzierung im Jahr 2006 von der Erkenntnis einer militärischen Überauslastung ausgehen (AP, 24.01.06)
Sollte der U.S. Imperialismus auf der anderen Seite „Hals über Kopf“ aus dem Irak flüchten, wäre seine Kontrolle über die wichtigsten Ölreserven des Planeten, im Irak und im Nahen und Mittleren Osten gefährlich unterminiert. Der amerikanische Imperialismus sucht ganz klar nach einer Abzugsmöglichkeit, aber die lebensnotwendigen Ölinteressen sowie Macht- und Prestigegründen könnten die U.S.A. für weitere Jahre zur Besatzung zwingen.
Der Demokratische Kongressabgeordnete John Murtha, ein Ex-Marine aus Pennsylvania, brach das politische Eis am 17.November 2005, als er mit tränengefüllten Augen für eine sofortigen Abzug der U.S. Truppen aus dem Irak appellierte und warnte, dass die U.S. Army „gebrochen und erschöpft“ sei.
Die FührerInnen vieler Antikriegsgruppen, darunter auch ‚United for Peace and Justice (UFPJ)’, haben seither Lobpreisungen auf Murtha vom Stapel gelassen. Aber in Wirklichkeit sind Murthas Intentionen völlig gegensätzlich zur Ausrichtung der UFPJ Kampagne, die lautet „sich zur Politik der Regierung, der permanenten Kriegführung und dem Ausbau des Empires entgegenzustellen“.
Murthas Aufruf zur sofortigen 'Umstrukturierung' war nur deshalb beachtenswert, weil er ein bekannter ‚Falke’ ist, der sehr enge Verbindungen zum Pentagon-Establishment pflegt und weiters der Rangälteste Demokrat im ‚House Defense Appropriations Subcommittee’ (Subkomitee für die Fördermittel der Verteidigung). In der Realität sieht sein Umgruppierungsplan ständige Truppenstützpunkte in der Region vor, die bei der Bedrohung der U.S. Ölinteressen zur Intervention bereitstehen und den Luftkrieg gegen Aufständische weiterführen können.
Murtha und die Militärs, für die er spricht suchen nach einem Ausweg, den Zusammenbruch der U.S. Militärmaschinerie zu verhindern, damit diese auch zukünftig die Interessen der U.S. Konzerne brutal durchsetzen können.
Eine Partei der herrschenden Klasse
Aus ähnlichen Gründen unterstützte auch der Führer der Minderheit, Nancy Pelosi Murthas partiellen Rückzugsplan. Aber Pelosis Motivation kommt auch aus dem WählerInnenpotential der Antikriegsbewegung.
Pelosi und Murtha stellen noch immer eine Minderheit bei den Demokraten dar, aber es gibt eine wachsende Verängstigung innerhalb der Parteispitze, dass sie bei den kommenden Wahlen aus der Krise der Republikaner keinen Gewinn schlagen könnten. Während Bush und seine Partei immer tiefer in den Treibsand des Irak sowie zuhause in Betrugs- und Korruptionsaffären versinken, sind die Umfrageergebnisse der Demokraten fast ebenso schnell gesunken.
Der Demokratische Gouverneur Phil Bredesen aus Tennessee beschwerte sich über seine Partei, und meinte „Wir müssen für mehr stehen als nur für die Zersprengung der anderen Seite ... das Land ist offen für Alternativen ...“ (08.02.2006)
Das Problem besteht natürlich darin, dass sich die Demokratische Führung bei sämtlichen Hauptverbrechen der Buh-Administration mitschuldig gemacht hat. Bush liebt es darauf hinzuweisen, dass die Demokraten für den Krieg im Irak und für den Krieg in Afghanistan mitgestimmt haben. Sie unterstützten den Patriot Act, der selbst nur eine Erweiterung der Einschränkungen von zivilen Rechten und Anti-ImmigrantInnen-Gesetzen darstellt, die unter Clinton in den 1990ern durchgesetzt wurden. Jedes Mal, als Bush den Kongress nach mehr Geld für die Beraubung und Plünderung des Iraks fragte, hoben die meisten Demokraten, unter ihnen auch Pelosi, in stiller Unterstützung ihre Hand.
Jetzt nach drei Jahren der Mittäterschaft in der brutalen Verwüstung des Irak laufen sie der öffentlichen Meinung hinterher, die sich, ohne Unterstützung der Demokraten, entschieden gegen den Krieg gestellt hat.
Statt Pelosi und Murtha zu verehren sollte die Antikriegsbewegung aufzeigen, wie sogar noch jetzt die Mehrheit der Demokraten sich weigern, gegen Bush und den Krieg zu stimmen! Trotz der Tatsache, dass die meisten AmerikanerInnen ein schnelles Ende des Kriegs wollen, von dem das volle Ausmaß des Desasters erst jetzt klar wird, weigern sich Hillary Clinton und der Rest noch immer, sich klar für einen „sofortigen Abzug“ auszusprechen.
Im Dezember gab Pelosi zu, „es gibt keine gemeinsame Demokratische Position“ zum Irak. Der Vorsitzende des Demokratischen Kampagnen Komitees im Kongress, Rahm Emanuel (aus Illinois) witzelte, „zur Irakpolitik werden wir zum richtigen Zeitpunkt eine Position einnehmen“ (Washington Post, 16.12.05). Es bleibt uns nur zu wundern, wie viele Unschuldige noch sterben müssen, bis die Demokraten ihren geheimen Plan offen legen werden.
Ein unlängst erstellter Bericht bestellt von Pelosi und dem Demokratischen Senatsvorsitzenden Harry Reid, betitelt „Das U.S. Militär: unter Anspannung und Gefahr“, offenbarte die Grenzen ihres Liberalismus. Die Studie wurde von Madeline Albright und William Perry geleitet, zwei Verteidigungsministern unter Clinton, sowie einer Reihe weiterer Demokratischer Koryphäen.
Unter ihren Empfehlungen, die in einer Pressemitteilung hervorgehoben wurden (25.01.06), waren die „Aufstockung der einsatzbereiten Armeekräfte um zumindest 30.000 SoldatInnen“ sowie ein „erneutes Ausgleichen der U.S. militärischen Fähigkeiten“ um „Terrorismus und Aufstände zu bekämpfen und Wiederaufbaumaßnahmen durchzuführen“. In anderen Worten, fit machen für laufende und zukünftige militärische Besatzungen von anderen Ländern! Als letzten Schlag ins Gesicht der Antikriegsbewegung drängten sie auf eine „wachsende Unterstützung für Anwerbungs- und Verpflichtungsbemühungen“.
Das steht in einer Linie mit der gesamten Geschichte der Demokratischen Partei. Von JFK und LBJ’s Fortsetzung des Vietnamkriegs, Jimmy Carters Unterstützung der brutalen Diktatur des Schahs im Iran (bis die Iranische Revolution den Schah 1979 stürzte), zahlreichen US Interventionen in Lateinamerika, bis hin zu Bill Clintons militärischer Durchsetzung der ökonomischen Sanktionen gegen den Irak, die laut UNO Schätzungen eine Million Tote forderte, haben die Demokraten unbeirrbar bewiesen, dass sie loyale Diener der U.S. Konzerne und deren imperialer Ambitionen sind.
Eine Anti-Kriegs Alternative
Aus diesen Gründen ist es ein großer Fehler der Antikriegsbewegung, sich an die Demokratische Partei zu binden oder die Demokratischen „Antikriegs“-Kandidaten zu unterstützen. Stattdessen sollten AntikriegsaktivistInnen die gesteigerte politische Debatte rund um die Wahlen 2006 nutzen und unsere Kampagne verstärken, eine echte Opposition zum Krieg aufzubauen. Im Gegensatz zu 2004, als die Bewegung in Winterschlaf verfiel um für Kerry zu werben, müssen wir den größtmöglichen Druck auf beide Parteien der herrschenden Klasse durch Massenproteste ausüben und ein sofortiges Ende des Kriegs fordern.
Die Stärkung der Kräfte der Antikriegsbewegung bedeutet für uns den Aufbau unserer Organisation sowie die Verankerung an unseren Arbeitsplätzen, Gemeinden und Schulen. Die Antikriegsbewegung muss vor allem die menschlichen als auch die finanziellen ‚Kosten’ des Kriegs erklären können.
Wir müssen diesen Kampf mit dem Widerstand gegen Budgetkürzungen, Kündigungen, Armut und der finanziellen Krise im Gesundheitssystem hier in den U.S.A. verbinden. Es muss offengelegt werden, wie der ‚Kampf gegen Terrorismus’ benutzt wird um Rassismus anzuheizen, damit arbeitende Menschen angesichts der Angriffe der Konzerne auf unseren Lebensstandard gespalten und geschwächt werden.
Statt sich den Demokraten zuzuwenden sollte die Antikriegsbewegung an ArbeiterInnenkämpfe anknüpfen, wie der jüngste TransportarbeiterInnenstreik in New York oder der sich entwickelnde Kampf in der Autoindustrie gegen massive Kündigungen und Lohnkürzungen.
Werden die KandidatInnen der Demokratischen Partei, finanziert von Konzerninteressen, solch einen prinzipiellen Standpunkt der ArbeiterInnenklasse gegen den Krieg und Bush einnehmen? Es gibt keinerlei Beweise, dass sie zu mehr fähig wären, als zahnlose Kritik an Bush und halbherzige Vorschläge zu liefern. Die Demokraten haben bei gewöhnlichen Menschen absolut keine Glaubwürdigkeit, die meisten sind von ihrer Heuchelei, Unehrlichkeit und ihrer prokapitalistischen Konzernpolitik angewidert.
Dort, wo wir die Stärke haben, sollte die Antikriegsbewegung unabhängige KandidatInnen für die lokalen und nationalen Vertretungen aufstellen, um die Konzernkandidaten beider Parteien herauszufordern.
Erfolgreiche unabhängige Antikriegs-KandidatInnen könnten - wenn sie die Antikriegsbotschaft mit einem starken Appell an die ArbeiterInnenklasse mit Forderungen gegen Kürzungen in Sozialprogrammen, nationaler Gesundheitsvorsorge, Schaffung von Jobs und Mindestlöhnen verbinden würden – das gesamte Establishment viel stärker unter Druck setzen, den Krieg zu beenden, als jegliche ‚Reform von Innen’ Strategie es jemals schaffen würde.