Warnstreiks im Sozialbereich

BehindertenbetreuerInnen, PädagogInnen, FlüchtlingsbetreuerInnen, HeimpflegerInnen und viele andere streiken für mehr Geld und eine 35-Stundenwoche
Christoph Glanninger, aktiv bei Sozial aber nicht blöd und der Sozialistischen LinksPartei

Streik bei der Wiener

Kinder und Jugendbetreuung

Streik beim ASBÖ

Streik beim ASBÖ

Streik beim ÖHTB

SANB-Kundgebung am Yppenplatz

Caritas KollegInnen

zeigen sich solidarisch

Solidarität von 

LehrerInnen und Eltern

Worum geht’s eigentlich?

Zum ersten mal seit 2012 fanden im Februar bundesweite Streikaktionen statt. Diesen wichtigen und mutigen Schritt setzten aber nicht die klassisch gewerkschaftlich gut organisierten Bereiche mit einer hohen Kampfkraft, wie EisenbahnerInnen oder MetallerInnen, sondern die Beschäftigten im Sozialbereich. HeimpflegerInnen, BerhindertenbetreuerInnen, PädagogInnen, FlüchltingsbetreuerInnen an über hundert Standorten in ganz Österreich beteiligten sich über zwei Tage verteilt an 3-stündigen Warnstreikaktionen.

Tausende KollegInnen lassen sich nicht mehr länger von dem Argument „ihr könnt nicht streiken, das schadet PatientInnen und KlientInnen“ einschüchtern und stehen für ihre Forderungen auf. Gefordert wird neben einer ordentlichen Lohn- und Gehaltserhöhung und einer Aufwertung der Pflege auch eine 35-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

Hintergrund der Auseinandersetzung sind die Kollektivvertragsverhandlungen der 110.000 Beschäftigten im SWÖ-KV (Sozialwirtschaft Österreich). Die ArbeitgeberInnen weigern sich auch nach 5 Verhandlungsrunden, auf die Forderungen einzugehen.

 

2 Streiktage mit vielfältigen und kreativen Aktionen

Obwohl in verschiedenen Einrichtungen Probleme durch mangelnde Streikerfahrung und schlechte Vorbereitung der Gewerkschaft auftraten, fiel der Streik vor allem durch Kreativität und die Initiativen der KollegInnen an der Basis auf.

Die Beschäftigten des Sameriterbundes schmückten nicht nur eine Einrichtung mit Transparenten mit der Aufschrift „Wir streiken für bessere Löhne im Sozialbereich, gegen Abschiebungen“. Außerdem wurde eine öffentliche Kundgebung vor der Sameriterbund-Zentrale organisiert. KollegInnen berichteten über eine Anlage darüber warum sie streiken und diskutierten wie es weitergehen kann. Außerdem war die Kundgebung geprägt von vielen selbstgebastelten Schildern und Transparenten. Besonders wichtig auch Slogans wie „Wir sind nicht alle, es fehlen die Gekündigten“, um sich solidarisch mit den vielen KollegInnen zu zeigen, die in den letzten Monaten ihren Arbeitsplatz verloren haben.

KollegInnen der Wiener Kinder- und Jugendbetreuung organisierten eine Streikversammlung im Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien, um dort über die nächsten Schritte zu diskutieren. Auch in Oberösterreich organisierten Beschäftigte von Exit Sozial öffentliche Aktionen.

Am zweiten Tag streikten in Wien unter anderem Beschäftigte der verschiedenen Behindertenvereine. Viele KollegInnen nutzten den Streik, um ihre Standorte zu dekorieren, um auch der Nachbarschaft zu zeigen, dass hier gestreikt wird.

Nicht nur bereits im Sozialbereich Beschäftigte beteiligten sich an dem Streik, z.B. organisierten Studierende und Vortragende des Studiengangs soziale Arbeit an der FH Wien ebenfalls Streikaktionen. Den ganzen Tag wurden Diskussionen und Vorträge abgehalten, um sich auszutauschen und zu informieren.

Leider beteiligten sich die an den SWÖ orientierten Bereiche wie Caritas, Diakonie usw. nicht an den Streikaktionen. Aber viele KollegInnen in den Einrichtungen wären bereit gewesen, Teil der Streikbewegung zu werden. Z.B. organisierten KollegInnen im Caritas Winterpaket Solidaritätsaktionen und Statements mit den Streikenden SWÖ-KollegInnen.

 

Mehr wäre möglich gewesen! Die Gewerkschaftsführung muss in die Gänge kommen!

Streiken im Sozialbereich ist alles andere als leicht und braucht intensive Vorbereitung. Beschäftigte müssen sich kollektiv in ihren Einrichtungen überlegen, wie es möglich ist, durch Streiks Druck auf die ArbeitgeberInnen auszuüben und trotzdem die PatientInnen und KlientInnen nicht zu gefährden. Z.B. muss in Pensionistenwohnheimen nicht nur geplant werden, wie Notfälle versorgt werden müssen, sondern auch, wie mit der Essensversorgung umgegangen wird usw. Die wenigsten KollegInnen und BetriebsrätInnen verfügen schon über Streikerfahrung und wissen, was genau hier notwendig ist.

Hier wäre es Aufgabe der Gewerkschaft gewesen, intensiv vorzubereiten, zu informieren und allgemein viele finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Möglichkeiten dafür hätte es viele gegeben. Z.B. hätten KollegInnen aus anderen Ländern mit mehr Streikerfahrung eingebunden werden können um bei der Information über die Streiks zu helfen. Z.B. KollegInnen von der deutschen Verdi, die 2015 einen bundesweiten Streik der Sozial- und Erziehungsdienste organisierten. Aber auch bei Pro Mente in Oberösterreich gibt es z.B. schon Streikerfahrung. Gemeinsam mit Gewerkschaftssekretären hätten in allen Betrieben rechtzeitig Betriebsversammlungen stattfinden müssen, um einen detaillierten Streikplan zu entwickeln, über den auch alle KollegInnen informiert sind.

Außerdem wäre es unbedingt notwendig gewesen, öffentliche Aktionen zu organisieren. Streiks im Sozialbereich können nur schwer einen so starken wirtschaftlichen Druck ausüben wie z.B. Streiks bei den EisenbahnerInnen oder MetallerInnen. Umso wichtiger sind deshalb gemeinsame öffentliche Aktionen, um so den Druck zu erhöhen. Dadurch kann nicht nur die Öffentlichkeit über den Streik informiert werden, solidarische KlientInnen und UnterstützerInnen haben die Möglichkeit ihre Solidarität zu zeigen und KollegInnen merken, dass sie nicht isoliert sind, sondern gemeinsam mit Tausenden anderen für ihre Rechte kämpfen.

Diese Lehren müssen für kommende Streikaktionen unbedingt gezogen werden. Wenn die Gewerkschaftsführung es weiter verabsäumt, KollegInnen ordentlich zu informieren und vorzubereiten bzw. gemeinsame Aktionen zu organisieren, wird die Vernetzung von KollegInnen und kämpferischen BetriebsrätInnen umso wichtiger, um hier aktiv zu werden.

 

Sozial aber nicht blöd – die aktive Basisinitiative im Streik!

Genau diese Vernetzung zwischen streikenden Beschäftigten, kämpferischen BetriebsrätInnen und solidarischen UnterstützerInnen versuchten AktivistInnen von Sozial aber nicht blöd während des Streiks zu organisieren. Sozial aber nicht blöd (SANB) ist eine Basisinitiative im Sozialbereich, in der auch AktivistInnen der Sozialistischen LinksPartei eine wichtige Rolle spielen.

AktivistInnen von Sozial aber nicht blöd spielten eine zentrale Rolle als Teil der Streikleitung beim Samariterbund und bei der Wiener Kinder- und Jugendbetreuung. Außerdem organisierten SANB-AktivistInnen die Solidaritätsaktionen bei der Caritas und besuchten zwei Tage lang verschiedene streikende Einrichtungen, um sich mit den KollegInnen zu vernetzen und nächste Schritte zu planen. Bei diesen Besuchen berichtete auch eine Aktivistin der deutschen Schwesterorganisation der SLP über Erfahrungen aus dem großen Krankenhausstreik an der Berliner Charité 2015. Zusätzlich wurden Solidaritätsbotschaften von Betroffenen, Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen organisiert.

Gemeinsam mit anderen streikenden AktivistInnen plante SANB am Freitag Vormittag eine Kundgebung am Yppenplatz in Ottakring. Trotz der frühen Uhrzeit, Kälte und Schnee beteiligten sich über 30 Menschen an der Kundgebung, darunter mehrere BetriebsrätInnen aus verschiedenen Einrichtungen, Arbeiterkammerräte, streikende KollegInnen, aber auch solidarische AnwohnerInnen.

Auch in Oberösterreich besuchten AktivistInnen Einrichtungen in Linz und Vöcklabruck und organisierten auch in beiden Städten Solidaritätskundgebungen.

Da die etablierten Medien kaum über den Streik berichteten und auch über die Gewerkschaft nur wenige Informationen über die Streiks verbreitet wurden, versuchte Sozial aber nicht blöd über Internet und Social Media möglichst viele Details über den Streik zu verbreiten.

 

Wie weiter? Kein Abschluss unter 3%!

Am 23. Februar findet die nächste Verhandlungsrunde statt. Sollte auch die scheitern, sind für den 26.-28.2. wieder Streiks geplant.

Ein Abschluss unter 3%, einer deutlichen und spürbaren Aufwertung der Pflege und einer 35-Stundenwoche ist nicht zumutbar. Zu hoch ist der Leidensdruck unter vielen KollegInnen. Aber unabhängig von der Höhe des Ergebnisses braucht es eine Urabstimmung unter allen Beschäftigten über die Zustimmung zum Ergebnis.

Für die nächste Runde der Streiks sollten wir versuchen, aus den Problemen vom ersten Mal zu lernen, um es beim nächsten mal noch besser zu machen. Wir müssen von den zuständigen Gewerkschaften verlangen, mehr zu tun, um streikende KollegInnen zu unterstützen und zu vernetzen und öffentliche Aktionen zu organisieren. Unabhängig davon werden aber AktivistInnen von Sozial aber nicht blöd und der SLP in den nächsten Wochen versuchen, sich gemeinsam mit anderen auf die nächsten Auseinandersetzungen vorzubereiten und öffentliche Aktionen zu organisieren.

Ganz egal wie es mit der Auseinandersetzung weitergeht, die Beschäftigten haben schon jetzt mit dem ersten bundesweiten Streik im österreichischen Sozialbereich Geschichte geschrieben. Auf diesen Streikerfahrungen werden wir in den kommenden Jahren aufbauen können. Denn unter der Schwarz-Blauen Bundesregierung droht ein noch härterer Sozialkahlschlag als unter den letzten Regierungen, der mit Widerstand von unten beantwortet werden sollte.

Dabei müssen wir auch darauf aufmerksam machen, dass es massive Investitionen in den Gesundheits- und Sozialbereich braucht. Denn schon jetzt nutzen die ArbeitgeberInnen die mangelnde staatliche Finanzierung als Ausrede, bieten aber gleichzeitig Leistungen weiter immer billiger an und tun auch sonst wenig um den Zustand der Unterfinanzierung zu ändern. Deshalb wird es auch die Aufgabe von Beschäftigten und Gewerkschaft sein klarzumachen, dass in Österreich genug Geld für eine Ausfinanzierung des Sozialbereich vorhanden ist (allein das reichste Prozent besitzt ein Vermögen von über 500 Milliarden).

Deshalb: nutzen wir die jetzige Auseinandersetzung, um die Kampfkraft von Beschäftigten im Sozialbereich zu erhöhen, um endlich die Arbeitsbedingungen zu erkämpfen, die Beschäftigte, KlientInnen und PatientInnen sich verdient haben.