Wahlen in Hongkong: Der Regenschirm-Faktor

Regenschirmbewegung politisiert Wahlen, Socialist Action (CWI in Hongkong) erhält 1152 Stimmen.
La Pasha, CWI Hongkong

Ende November 2015 fanden Lokalwahlen in Hongkong statt. Klar ist, dass sie durch die Regenschirmbewegung 2014 politisiert wurden. Die Wahlbeteiligung lag deutlich höher als 2011 (47% statt 41%). Es gab Verluste für die Pro-Regierungsparteien, wenn auch nur geringe. Neu waren die Gewinne für die sogenannten "RegenschirmsoldatInnen", politische Gruppen, die aus der Bewegung entstanden sind. Allerdings spielten diese Gruppen ihre Verbindungen mit der Bewegung herunter und gaben sich unpolitisch. Sie setzten stärker auf eine Anti-China Stimmung und auf Lokalpatriotismus. Das spiegelt zu einem Teil auch die Frustration wider, dass die Bewegung nicht erfolgreich war (auch aufgrund der Dominanz der bürgerlichen Opposition in der Führung der Bewegung). Diese neuen Gruppen konnten 70.000 Stimmen und acht Sitze gewinnen, ein Ergebnis, das einiges an Medienaufmerksamkeit bekam. Sie wurden aber hauptsächlich gewählt, weil sie als etwas „neues“ wahrgenommen wurden, und weil die Leute genug von der korrupten Elite haben. Allerdings werden alle 18 Bezirke nach wie vor vom pro-KP Lager dominiert, aufgrund ihrer riesigen Ressourcen und einer Kultur von Wahlmanipulation und Stimmenkauf.

Socialist Action (CWI in Hongkong) ist im ärmsten Bezirk Hongkongs angetreten. Rund 90% der Wahlberechtigten leben in öffentlichen Wohnbauten. Unsere Kandidatin Sally Tang Mei-Ching erhielt 1.152 Stimmen, das sind 33%. Unsere Kampagne war die einzige, die lokale Fragen mit weitergehenden politischen Forderungen verbunden hat, nach einem Mindestlohn, einem öffentlichen Pensionssystem und einer geregelten Arbeitszeit, die in Hongkong völlig fehlt. Ein zentraler Teil der Kampagne war es, zu zeigen, dass die Politik der BPA gegen die ArbeiterInnenklasse gerichtet ist. Die BPA ist die offizielle Oppositionspartei, sie ist nicht in Opposition zum Kurs von Peking und orientiert sich an Wirtschaftsinteressen. Socialist Action hat in weniger als sechs Wochen an 7.500 Wahlberechtigte mehr als 40.000 Flugblätter verteilt. Es gab auch Flugis in Englisch, Urdu und Tagalog. Wir gingen von Wohnungstür zu Wohnungstür und haben mit den Menschen gesprochen, bei manchen Türen waren wir mehr als einmal. Am Tag der Wahl hatten wir 49 Freiwillige in Aktion, die Hälfte davon war zum ersten Mal an einer vergleichbaren Kampagne beteiligt.

Wir hatten auch UnterstützerInnen unter den Flüchtlingen, mit denen wir in der Flüchtlingsbewegung aktiv waren. Die Flüchtlingsproteste waren Teil eines Internationalen Aktionstages vom 12. September, auf der Demonstration waren ca. 300 Menschen. Wir haben diese Demonstration gemeinsam mit der Flüchtlingsgewerkschaft organisiert, mit der wir in Flüchtlingsfragen zusammenarbeiten. Diese Proteste erzielten einen Sieg in Bezug auf die Frage von Verpflegung. Das war das Resultat von einem Jahr Kampf inklusive einer 200 Tage andauernden Besetzung. Seit Ende Mai erhalten Flüchtlinge Gutscheine, um Essen im Supermarkt kaufen zu können, anstatt Essenspakete in speziellen Shops abholen zu müssen. Dadurch haben sie mehr Auswahl und bessere Qualität der Nahrungsmittel. Es ist ein wichtiger Sieg, da er zeigt, dass es möglich ist, Zugeständnisse von der Regierung zu erkämpfen. Die Flüchtlinge durften zwar nicht wählen und haben in Hongkong faktisch keine Rechte. Viele waren dennoch in unserer Wahlkampagne aktiv und spielten eine Schlüsselrolle darin, die Flugblätter an die einzelnen Haushalte zu verteilen.

Es gibt durchaus die Perspektive, dass die Demokratiebewegung wieder aufflammen kann. Die „Copyright Bill 2014" erregt einiges an Unmut: Die Regierung und die großen Konzerne wollen ihre Kontrolle über das Internet verschärfen. Das würde bedeuten, dass die Regierung das Urheberrechtsgesetz benutzen kann, um Anti-Regierungs-Satire etc. im Internet zu kriminalisieren. Es gibt nicht wirklich Widerstand von Seiten der bürgerlichen Opposition. Aber es gab Versammlungen außerhalb des Parlaments gegen das Gesetz. Organisiert wurden sie von einer Gruppe junger NetzaktivistInnen, die auch eine "Reform" des Gesetzes verlangen (in Richtung US/EU Urheberrecht). Wir sind die einzigen, die das Monopol an Urheberrechten durch die großen Konzerne kritisieren und einen Fall des Gesetzes fordern. Die starke Opposition gegen das Gesetz zeigt, dass die Leute noch sehr wütend auf die Regierung sind und ihr nicht trauen. Aber damit echte Demokratie erkämpft werden kann, sind folgende Punkte nötig: Eine eventuell erneute Bewegung braucht demokratische Strukturen, um die Führung nicht der bürgerlichen Opposition zu überlassen. Der zweite Punkt ist, dass es nötig ist, die Bewegung mit den Protesten und Streiks in China zu verbinden. 2015 gab es in Festland-China doppelt so viele Streiks wie 2014. Das Regime in China verstärkt die Repression, aber das ist ein Zeichen von Schwäche, nicht von Stärke. Echte Demokratie ist in Hong Kong alleine nicht zu erkämpfen. Und der dritte Punkt, den wir einbringen, ist die soziale Ebene – es ist nötig, ein Programm zu haben, das die ArbeiterInnenklasse anspricht und organisiert in die Proteste einbindet. Denn die Frage von Demokratie ist noch lange nicht gelöst – aber die sozialen Probleme genausowenig.

 

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