Do 01.11.2001
Das Berliner Wahlergebnis ist ein Desaster für die CDU, die in den letzten Jahrzehnten fast durchgängig in der Landesregierung war. Sie stürzte von 40,8 % 1999 auf 23,7 %, die größten Verluste für die CDU bei einer Landtagswahl in der Geschichte. Damit hat sie die Quittung erhalten für jahrelange Korruption und Vetternwirtschaft, den berühmten „Berliner Filz“.
Hervorstechend ist das Ergebnis der PDS, die in Ost-Berlin von fast der Hälfte aller Wahlberechtigten gewählt wurde. Die PDS hatte als einzige der größeren Parteien die von Schröder ausgerufene „bedingungslose Solidarität“ mit dem US-Krieg gegen Afghanistan abgelehnt. Das brachte v.a. unter Jugendlichen Unterstützung: Mit 30 % wurde die PDS in ganz Berlin stärkste Partei bei den 18 bis 24jährigen. In West-Berlin steigerte sie ihr Ergebnis um 2,7 auf 6,9 %. Sie ist nun in jeder Bezirksverordnetenversammlung vertreten.
Nach diesem Erfolg steht die PDS am Scheideweg. Die Parteispitze um Gysi würde gerne eine Koalition mit der SPD bilden. Diese ziert sich aufgrund bundespolitischer Erwägungen noch: Die Antikriegshaltung der PDS passt nicht zur „Wer nicht für den Krieg gegen den Terror ist, der ist gegen uns“ – Rhetorik, die von Schröder & Co. betrieben wird. Wenn es dennoch zu einer SPD/PDS – Koalition kommt, wird dies eine Regierung sein, die Politik gegen die Masse der arbeitenden und arbeitslosen Menschen in Berlin macht. Die durch Deindustrialisierung, Vetternwirtschaft und Korruption hervorgerufene Haushaltskrise (Berlin hat 78 Mrd. DM Schulden) soll auf die Masse der BerlinerInnen abgewälzt werden. Das hat auch die PDS-Führung schon vor den Wahlen deutlich gemacht. In ihrem Wahlprogramm befürwortet sie weitere Privatisierungen und Stellenabbau im Öffentlichen Dienst. Die Rede ist von 20.000 abzubauenden Stellen bis 2010. 61.000 öffentliche Arbeitsplätze sind in den letzten Jahren unter der Großen Koalition bereits vernichtet worden. Auch Kürzungen bei Gesundheit und Sozialem stehen auf dem Programm. Zitat PDS-Wahlprogramm: „Wir sagen deutlich: Schmerzhafte Einschnitte werden unvermeidlich sein, vieles wird sich ändern.“
Zum Guten für die arbeitenden Menschen wird sich also auch unter einer eventuellen SPD/PDS –Regierung nichts ändern. Um dies deutlich zu machen und die Notwendigkeit einer Sozialistischen Alternative aufzuzeigen hat die SAV im Stadtbezirk Pankow/Prenzlauer Berg kandidiert.
SchülerInnenstreik
Ab dem 11.9. war der Wahlkampf bestimmt von Aktivitäten gegen den Krieg. Junge Mitglieder der SAV und der Jugendorganisation „widerstand international“ haben am 21.9. das Bündnis „Schülerinnen und Schüler gegen den Krieg“ gegründet. Dieses hat am Tag X, dem Tag nach Beginn der Angriffe auf Afghanistan, einen Schulstreik mit 5.000 SchülerInnen organisiert. Auf den Schulstreik folgten Repressionen gegen AktivistInnen des Streiks durch einige Schulleitungen. Die Boulevard-Zeitung „BZ“ veröffentlichte Hetzartikel gegen die SAV, den „Urheber des Schulstreiks“. Berlins Schulsenator Böger (SPD) will gegen die SAV vorgehen. Die SchülerInnen aber gehen in die Offensive: Bereits 1.600 Unterschriften wurden gegen die Maßnahmen der Schulleitungen gesammelt. Der bundesweite ATTAC- Kongress und alle Antikriegsdemonstrationen haben sich mit den SchülerInnen solidarisiert.
Gutes Ergebnis für SAV
Obwohl wir wegen der Antikriegsarbeit in der letzten Phase des Wahlkampfs weniger Aktivitäten im Stadtteil durchführen konnten, haben wir ein respektables Ergebnis erzielt. Im vergrößerten Bezirk Pankow hat die SAV bei der BVV-Wahl im Vergleich zu `99 ihre Stimmenanzahl auf 903 Stimmen (=0,5 %) mehr als verdoppelt. SAV-Mitglieder, die für das linke Wahlbündnis „Demokratische Linke – DL“ im Prenzlauer Berg zum Abgeordnetenhaus kandidierten, erhielten zwischen 294 (=0,9 %) und 235 Stimmen (=1,1 %). Wichtiger noch als das Wahlergebnis ist die gestiegene Bekanntheit, die die SAV in der Antikriegsbewegung erreicht hat. In den nächsten Wochen wird es darauf ankommen, die vielen Interessierten, die wir im Wahlkampf und der Antikriegskampagne kennen gelernt haben, in der SAV zu organisieren.
Das Wahlergebnis in Berlin markiert eine deutliche Linksverschiebung. Viele haben diese Wahl zum Anlass genommen, ihrer Opposition gegen die US-Angriffe auf Afghanistan Ausdruck zu verleihen. Jetzt kommt es darauf an, auf der Straße, in den Betrieben, Schulen und Hochschulen den Widerstand gegen den Krieg, aber auch gegen die vom neuen Senat zu erwartende Kürzungspolitik zu organisieren.