Di 24.01.2006
Grüne Wirtschaftsphilosophie aktuell: “So lange gewährleistet ist, dass die Briefzustellung im Dienste der Kunden – vor allem am Land – erfolgt, ist mir sekundär, ob der Staat mit Mehrheit oder Minderheit oder auf längere Sicht überhaupt nicht beteiligt ist.” Grünen Chef Van der Bellen weiter: “Wenig Sympathie habe er aber auch für die Vorgehensweise der Postgewerkschaft, die das Unternehmen offenbar als ‘Selbstbedienungsladen’ sehen, so der Bundessprecher” auf www.gruene.at. Die Position der Grünen zur Postprivatisierung und ihre Gewerkschaftsfeindlichkeit sind kein Zufall. Sie sind Ausdruck für die Haltung einer inzwischen zutiefst bürgerlichen Partei, die offen sagt, dass sie vor allem nur mehr eines will: Mitregieren, sowie gegebenenfalls mitprivatisieren und mitkürzen.
Keine Lagerpartei
Grüne machen “grüne Politik”, man sei keine “Lagerpartei” (Peter Pilz) – solche oder so ähnliche Schlagworte erhalten Journalisten auf die Frage, mit wem die Partei eigentlich regieren wolle. Tatsächlich bedeutet “grüne Politik” in der Praxis, dass noch bestehende fortschrittliche Restbestände in Verhandlungen – z.B. der Wahlkampfschlager “Grundsicherung in Wien” – einfach fallengelassen werden. Stattdessen sollen jetzt, gemeinsam mit der SPÖ, in der Bundeshauptstadt halt 33 Stadtverschönerungsprojekte (oder so ähnlich)verwirklicht. Noch deutlicher ist freilich das Beispiel Oberösterreich. Die Grünen – immerhin in einer Koalition mit der ÖVP – sind sich dort nicht zu dumm über die Kürzungspolitik der ÖVP im Bund herzuziehen. Gleichzeitig setzen sie diese dann – zum Beispiel bei der Streichung von LehrerInnenposten – gemeinsam mit der ÖVP im Land um. Im scheinbaren Gegensatz dazu werden dafür geradezu “lächerliche” Erfolgsmeldungen verbreitet. So bringe – lt. Grüner Presseaussendung – die Novelle zum OÖ Straßengesetz eine “verstärkte Demokratsierung.” Denn: “Werbeplakate bis zu einer Größe von A0” sollen “nicht nur für Wahlen, sondern auch für Volksbegehren und Volksbefragungen ohne ausdrückliche Zustimmung aufgestellt werden dürfen.” Deutlich zeichnen sich jedenfalls hier die Konturen einer etwaigen grünen Regierungspolitik ab: Angebliche neoliberale Sachzwänge werden dominieren, dafür dürfen ein paar grüne Funktionäre ihre Lieblingsprojekte umsetzen. Die deutlichste Warnung vor Hoffnungen in eine linke Politik der österreichischen Grünen bietet freilich ihre Rolle auf europäischer Ebene. Grün-Abgeordneter Voggenhuber ist schließlich Mitautor der – gescheiterten – EU-Verfassung welche den freien Markt ebenso festschreiben sollte, wie die Einführung einer EU-Armee.
Und die Basis?
In Wien-Margareten tobt gerade ein Kampf mit der SPÖ-Mehrheit um den Bau einer Tiefgarage in einer Parkanlage. Der Park wurde besetzt – örtliche Grünfunktionäre sind an vorderster Front dabei. Über die tatsächliche strategische Ausrichtung der Grünen im Wahljahr urteilt demgegenüber der Autor einer neu erschienen “kurzen Geschichte der Grünen” treffend: “Van der Bellen ist kein Freund von Aktionen, also denkt man besser gar nicht darüber nach und außerdem ist man schon aus dem Alter heraußen. Man agiert vorwiegend per APA-Aussendung, man wickelt im Parlament routiniert Sondersitzungen ab und gibt top-seriöse Pressekonferenzen.” (der standard, 28.11.2005) In den strategischen Konzepten der Parteiführung stellen somit solche “Basisaktivisten” wohl eher Ballast dar, den man inzwischen lieber heute als morgen (wenn man vielleicht bereits mitregiert?) loswerden will. Umgekehrt gilt es allerdings auch die Frage zu stellen, welche Verantwortung grüne Funktionäre haben, die sich heute noch als Linke betrachten, bzw. so betrachtet werden. Sie könnten eigentlich entscheidend dazu betragen, dass etwas Neues entsteht, etwas wofür viele die Grünen ursprünglich gegründet hatten. Nämlich eine Partei links von den Etablierten – wozu Van der Bellen, Glawischnig, Voggenhuber und Co. inzwischen schon längst gehören.