Trotz „Aufschwung“ Angriffe auf ArbeitnehmerInnen und Jugendliche – Widerstand ist notwendig und möglich!

Konferenzdokument der SLP-Bundeskonferenz vom 3. und 4. März 2007

Seit der letzten Konferenz der SLP im März 2006 hat es die ÖGB/Bawag-Krise sowie Neuwahlen und die Bildung einer neuen Regierung sowie Proteste dagegen gegeben. Die Abwahl der ÖVP im Oktober 2006 folgt einem europaweitem Trend, wonach Regierungsparteien – trotz Wirtschaftswachstum im Rücken – häufig abgewählt werden. Für die ÖVP war das Ergebnis ein Schock, von dem sie sich aber zumindest teilweise durch die für sie sehr positiv abgeschlossenen Regierungsverhandlungen bereits teilweise wieder erholt hat. Auch die SPÖ war überrascht und hätte die Position eines Juniorpartners eventuell sogar vorgezogen. Das von Vielen als vollständiges „Umfallen“ gesehene Brechen aller Wahlversprechen im Tausch für den Kanzlerposten hat viele Mitglieder und WählerInnen schockiert und enttäuscht. Das „kleinere Übel“ wird sich rasch als zumindest ebenso großes Übel herausstellen – eine Erkenntnis, von der, solange eine linke Alternative fehlt, rechte PopulistInnen sowie das Lager der NichtwählerInnen profitieren wird. Denn die soziale Situation wird sich nicht verbessern. Die Wirtschaft verzeichnet zwar ein Wachstum von über 2,5%, die Situation der ArbeiterInnenklasse verbessert sich allerdings nicht. All das hat – ebenso wie die internationale Entwicklung - Auswirkungen auf das Bewusstsein und mögliche künftige soziale und Klassenkämpfe. Wir wollen mit diesem Dokument einen Überblick über mögliche Entwicklung geben um möglichst gut darauf vorzubereitet zu sein.

Wirtschaftlicher Aufschwung auf schwachen Füssen

1. Die Berichte über eine positive Wirtschaftsentwicklung häufen sich in den vergangenen Monaten. Ein Wirtschaftswachstum von über 3% scheint nach Angaben von WirtschaftsforscherInnen für 2007 möglich zu sein. Was bedeutet das für ArbeitnehmerInnen und Arbeitslose? Alles deutet darauf hin, dass KEINE Verbesserung der sozialen Situation der breiten Massen der Bevölkerung zu erwarten ist. Die sinkenden Arbeitslosenzahlen kaschieren bestenfalls die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitjobs. Die Realeinkommen der unteren und mittleren Einkommensgruppen steigen nicht nur nicht, sondern sind in den letzten Jahren sogar gesunken. Der Sozialstaat soll weiter ausgehöhlt werden. Armut bleibt ein Massenphänomen.

2. Hinzu kommt noch dass die Basis für den „Aufschwung“ alles andere als solide ist. Er wird in erster Linie getragen von steigenden Exporten – die abhängig sind von der Entwicklung der Weltwirtschaft welche ihrerseits auf tönernen Füssen steht (was angesichts der Börseneinbrüche als Reaktion auf Greenspans Bemerkungen bezüglich einer möglichen Rezession der US-Wirtschaft Ende Februar deutlich wurde). Diese wird international v.a. durch eine verstärkte Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse getragen. Die Nachfrage ist einerseits eine Nachfrage nach Rohstoffen aus der überhitzten chinesischen Wirtschaft und basiert andererseits auf der zunehmenden Verschuldung von Privathaushalten. Ein Kartenhaus, dass zwar noch einige Zeit halten kann, dessen Widersprüche sich aber aufbauen und an denen es auch zerbrechen wird – mit allen katastrophalen sozialen Folgen für die ArbeiterInnenklasse.

3. In Österreich wird die Inlandsnachfrage v.a. durch Bautätigkeit, nicht aber durch Konsumnachfrage getragen – ein Indiz für die ungleiche Verteilung des BIP-Wachstums. Die Pläne der kommenden Regierung verstärken diese Effekte noch – wie das Regierungsprogramm zeigt.

4. „Das Programm stellt in keiner Hinsicht einen Bruch mit der Politik der letzten 7 Jahre dar.“ (Wir sind SPÖ) Die vermeintliche sozialdemokratische Handschrift – also mögliche soziale Verbesserungen – sind äußerst vage und ohne konkrete Finanzierungszusagen formuliert, während konkrete Verschlechterungen für die ArbeiterInnenklasse und Jugendliche, schon sehr konkret geplant sind. (Eine erste Einschätzung des Regierungsprogramms findet sich unter http://slp.at/index.php/artikel+M5592b0f9c0c/).

5. Die Umverteilung von unten nach oben geht weiter – die Super-Reichen, die nur einen winzigen Teil der Bevölkerung ausmachen, werden hingegen immer reicher.

Einkommenssituation und Armut in Österreich

6. Eine Untersuchung der AK-OÖ hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Einkommen nicht auskommen. Eine WIFO-Studie zeigt, dass in den letzten 10 Jahren nur die Einkommen der obersten 5% gestiegen sind. Die niedrigsten Einkommen sind netto sogar um 17% zurückgegangen. Die trotz Wirtschaftswachstum schwache Inlandsnachfrage spiegelt diese Entwicklung wieder. Zwar gibt es zahlreiche Berichte über den Boom bei Luxusartikeln – aber in Summe ist das eben doch nur ein kleines Segment, dass den Trend, dass die Realeinkommen der Masse der Bevölkerung zurückgehen, nicht kompensieren kann.

7. Dass sich die Koalitionspartner auf eine „bedarfsorientierte Mindestsicherung“ geeinigt haben zeigt, dass Armut ein immer wichtigeres Thema ist. (Obwohl das beschlossene Modell mit massivem Druck auf Arbeitslose verbunden ist und in Richtung Hartz IV geht; siehe http://slp.at/index.php/artikel+M50b678f2335/) Im Gegensatz zur Vergangenheit, wo Armut und auch Arbeitslosigkeit als Schande galten, an denen die Betroffenen selbst schuld waren, kennt heute jedeR jemanden der/die von Armut/Arbeitslosigkeit betroffen ist. In den 80er und 90er Jahren wurde von den etablierten PolitikerInnen die „Sozialschmarotzer-debatte“ angeheizt, in der behauptet wurde, faule Arbeitsscheue würden sich auf Kosten der fleißigen Mehrheit bedienen. Heute ist das in dieser Ausschließlichkeit nicht mehr möglich: „Geiz ist geil“ und der Trend zum „Schnäppchenjagen“ sind Ausdruck einer neuen Massenarmut. Eben weil Arbeitslosigkeit und Armut KEINE Randerscheinungen mehr sind, kann gegen die Betroffenen nicht so einfach gehetzt werden. Die Anzahl der SozialhilfeempfängerInnen hat sich von 1996 bis 2005 auf über 180.000 Menschen verdoppelt (Quelle: Standard, Statistik Austria) – darunter viele „Working Poor“, also Menschen mit einem Job und Einkommen, der aber „zum Leben zuwenig“ ist. Mindestens 13% der in Österreich lebenden Menschen sind armutsgefährdet (d.h. ihnen stehen monatlich durchschnittlich 679.- zur Verfügung), 6% (2004) gelten als arm (Quelle: Armutskonferenz).

8. Gleichzeitig gibt es eine starke – wenn auch ungleiche - Gewinnentwicklung, nämlich insbesondere bei größeren und großen Konzernen, sowie stark steigende ManagerInneneinkommen (die Brutto-Einkommen der Führungskräfte sind von 1996 bis 2005 um 40% gestiegen). Das die Einkommensschere hier immer stärker auseinanderklafft ist nicht nur offensichtlich, sondern führt zu wachsendem Unmut. Sprüche wie „wenn’s der Wirtschaft gut geht, geht’s uns allen gut“ stoßen zunehmend auf Zynismus. Dies spiegelt noch kein entwickeltes antikapitalistisches Bewusstsein in der ArbeiterInnenklasse wieder, aber doch ein Hinterfragen bzw. in Frage stellen des Kapitalismus und seiner Wirkungsweise. Viel eher sollte der Slogan also lauten: “Geht’s der Wirtschaft gut, war’s wahrscheinlich auf Kosten der ArbeitnehmerInnen.”!

Entwicklungen am Arbeitsmarkt

9. Offiziell liegt die Arbeitslosigkeit bei unter 7% (nationale Definition) bzw. unter 5% (EU-Definition). Alleine diese Differenz zeigt bereits, wie willkürlich die Berechnung ist. Zusätzlich werden zehntausende Erwerbslose in – meist sinnlosen – Schulungen versteckt, bzw. Firmen zunehmend kostenlos (bzw. auf AMS-Kosten) mit der Hoffnung auf einen „Widereinstieg“ überlassen. Auch die Jubelmeldungen über ein „Sinken“ der Arbeitslosigkeit müssen hinterfragt werden. Tatsächlich kommt es zu einem Austausch von Vollzeit- durch Teilzeitjobs. 51% der 2006 geschaffenen Jobs sind im Dienstleistungsbereich – also meist prekäre Jobs. Im Regierungsübereinkommen ist die „Konsolidierung“ des Personalstand des Bundes festgehaltene. Geplant ist, nur jede zweite Pensionsbedingt freiwerdende Stelle nachzubesetzen. Das bedeutet den Verlust von ca. tausend Stellen in den nächsten zwei Jahren. Und das in einem der wenigen Bereiche, in dem Frauen zumindest weitgehend ähnliche Einkommen und Chancen haben wie Männer. Die Prekärisierung der Arbeit zeigt insgesamt ihre negativen Auswirkungen am stärksten bei Frauen, deren Einkommen, Perspektiven und damit auch Pensionen sich wieder verschlechtern.

10. Gerade die Tatsache, dass die Hauptstütze der österreichischen Wirtschaft die Exporte sind, wird vor dem Hintergrund wachsender internationaler Konkurrenz den Druck auf die Beschäftigten weiter erhöhen. Wer international Konkurrenzfähig bleiben will, muss die Produktionskosten drücken – d.h. die Löhne/Gehälter bzw. die Lohnstückkosten (also die Gesamtkosten pro produziertem Stück). Die Wirtschaftskammer schreibt dazu recht ehrlich: „Die Analyse der Entwicklung von 1995 bis 2004 zeigt, dass sich der Wirtschaftsstandort Österreich, was die Lohnstückkosten betrifft, deutlich günstiger als der Schnitt der EU-25, aber auch deutlich günstiger als die USA entwickelt hat. Insbesondere seit der Jahrtausendwende konnte sich Österreich diesbezüglich deutlich vom EU-Schnitt absetzen.“ Was nichts anderes bedeutet, als das sich die Ausbeutung der österreichischen Beschäftigten verstärkt hat, dass sie mehr leisten, dafür aber weniger Geld erhalten.

11. Die Debatte über einen angeblichen FacharbeiterInnenmangel ist ein neuerlicher Vorstoß von Seiten der Wirtschaft. Obwohl im Februar 07 auf zehn Arbeitslose nur eine offene Stelle kommt fordert ÖVP-Generalsekretär Missethon dass „mit qualifizierten Arbeitslosen ‚Klartext’ zu reden“ sei und die Wirtschaftskammer will eine Erhöhung des Pensionsalters. Die Öffnung des Arbeitsmarktes für Fachkräfte aus Osteuropa dient nicht zur Abdeckung eines Mangels (rund ein Drittel der Arbeitslosen verfügt über einen Lehrabschluss bzw. sogar Meister) sondern zur Senkung des Lohnniveaus (im Burgenland z.B. verdient ein ungarischer Facharbeiter um 20% weniger als ein österreichischer). Durch Druck auf Arbeitslose soll die „Mobilität“ erhöht werden bzw. Arbeitslose aus der Statistik und dem Bezug von Arbeitslosengeld gedrängt werden.

12. Der Stress und Druck am Arbeitsplatz nimmt in den letzten Jahren dramatisch zu. Auch wenn es in Österreich das Karoshi-Symptom (Tod durch Überarbeitung, kommt aus Japan) in dieser Form noch nicht gibt, so klagen doch europaweit 60% der Beschäftigten über eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch ihre Arbeit, ebensoviel arbeiten unter Zeitdruck. „Stress“ ist schon längst keine ManagerInnenkrankheit mehr, sondern weitverbreitet. Die Angst um den Arbeitsplatz bzw. davor, keinen zu finden, setzt bereits Kinder und Jugendliche unter massiven Druck, führt dazu Beschäftigte krank an ihrem Arbeitsplatz erscheinen und hat längerfristig massiv negative gesundheitliche und zwischenmenschliche Auswirkungen.

13. Die Regierungspläne nach Verlängerung der zulässigen Tages- und Wochenhöchstarbeitszeit und Erleichterung bei Kündigungen bei Lehrlingen) sowie nach verstärktem Druck auf Arbeitslose (inklusive der bedarfsorientierten Grundsicherung) werden diese Entwicklung nur verstärken.

14. Die bedarfsorientierte Grundsicherung spricht ein Bedürfnis nach sozialer Mindestsicherung vor dem Hintergrund zunehmender Armut an. Tatsächlich kann sie sich aber rasch als „trojanisches Pferd“ herausstellen. Es handelt es sich um eine Maßnahme, die von allen BezieherInnen dieses Grundeinkommens die „Bereitschaft“ zum arbeiten verlangt, d.h. die Möglichkeit bietet, auch Menschen, die bisher Sozialhilfe erhielten, „Auszusteuern“ (ihnen also jeden Bezug zu sperren wenn sie als nicht „arbeitswillig“ eingestuft werden) und es bietet die Möglichkeit, Arbeitslose zu kostenlosem bzw. extrem unterbezahltem Zwangsarbeitsdienst (Straßenräumung, Schneeräumung etc.) einzusetzen. Auch der zumindest teilweise Zugriff auf Wohnraum, Sparbücher, Auto ist geplant.

15. Die oft hoffnungslose Situation am Arbeitsmarkt, führt zu Pessimismus aber auch wachsenden Unmut – der sich angesichts fehlender Angebote von Seiten der Gewerkschaften aber kaum dezidiert bzw. organisiert ausdrückt. Betroffen von diesen Entwicklungen sind v.a. Frauen und junge ArbeitnehmerInnen (auch AkademikerInnen) denen praktisch jede positive Zukunftsperspektive fehlt. Und die daher besonders ansprechbar für Widerstand in diesem Bereich sind. Dieser Widerstand kann verschiedene Formen annehmen und kann und wird sich nicht auf klassische Arbeitskämpfe beschränken. Der Streik bei Veloce war ein erster Arbeitskampf von freien DienstnehmerInnen – weitere werden folgen.

Die Situation von Jugendlichen

16. Nach sieben Jahren schwarz-blau-orangem Neoliberalismus und dem Sozialabbau der 1990er Jahre durch die Große Koalition sieht die Situation von Jugendlichen alles andere als rosig aus: Das Bildungssystem wurde ausgehöhlt und Schienen in Richtung Zweiklassenbildung gelegt. Dank Pensionsreform und der damit verbundenen Propaganda – „Das Pensionssystem ist nicht mehr finanzierbar, weil wir alle immer älter werden“ - glauben wenige Jugendliche noch daran, überhaupt mit einer staatlichen Pension rechnen zu können. Dazu kommen steigende Jugendarbeitslosigkeit und zunehmende Prekarisierung. Kurz: Zukunftsperspektiven? Gibt’s die überhaut noch? Und wenn, für wen?

17. Es wächst nun erstmals eine Generation heran, die mit schlechteren Zukunftsaussichten als ihre Eltern konfrontiert ist. Fehlende Chancen und Perspektivlosigkeit sowie schlechtere Bedingungen, fehlende Absicherung etc sind für die junge Generation bereits Normalität. Die Frage Arbeitsplatz (63%), gesundheitliche Versorgung (60%) und Pensionen (54%) gehören laut Imas-Umfrage zu den häufigsten Ängsten und Sorgen der 16-29-Jährigen (Quelle: Imas 2006, http://www.imas.at/report/2006/11-05.pdf).

18. Zu den Folgen gehören steigender Druck in Schule, Arbeitsplatz und Uni. An vielen Schulen gibt es dank Schulautonomie nicht mal Klopapier weil das Geld fehlt. Lehrstoff wird dank Stundenkürzung und hohen KlassenschülerInnenhöchstzahlen in viel zuwenig Zeit in viel zu großen Klassen durchgepeitscht. Kostenloser Bildungszugang ist auch im Schulbereich bereits Vergangenheit – zur Schule zu gehen wird immer teurer: durch Nachhilfe, die als Unterstützung zugekauft werden muss, durch Selbstbehalte bei Schulbüchern und Kopien etc.. Anders als ihre Elterngeneration haben heute Jugendliche nicht mehr das Gefühl in Ruhe zu studieren oder einfach mal ihr Leben ohne Zukunftsangst oder enormen Erwartungsdruck genießen zu können.

19. Studieren geht nicht zuletzt dank der Studiengebühren nur noch mit Hilfe von (oft sogar mehreren) „StudentInnenjobs“ die die Existenz kaum sichern – prekäre Arbeitsbedingungen werden so oft zum Berufseinstieg von dem man/frau kaum noch wegkommt. Das heißt auch, dass das angebliche Allheilmittel „Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit“ offensichtlich nicht mehr stimmt – viele Studierende bleiben auch nach einem Studium in prekären Arbeitsverhältnissen.

20. Die Ursachen sind Privatisierung, Ausgliederung, Flexibilisierung und Zeitarbeitsverträge die in den 1990ern auch die Aufgabe hatten, die Gewerkschaften zu schwächen – ohne entsprechende Antwort des ÖGBs. Ein Ergebnis davon ist, dass es vielen prekär beschäftigten Jugendlichen an Organisations- und Kampferfahrung mangelt. Niedriglohnjobs bedeuten, dass Jugendliche, auch wenn sie im Arbeitsleben stehen, von den Eltern abhängig bleiben.

21. Lehrlinge (bzw. solche die eine Lehre machen wollen/müssen) wiederum haben mit fehlenden Lehrstellen zu kämpfen. 43.541 Jugendliche unter 24 waren Ende 2006 beim AMS als arbeitssuchend gemeldet, offiziell sind Ende Jänner 2007 10,3% aller Jugendlichen arbeitslos. Zehntausende mehr waren nicht gemeldet oder wurden in Schulungsmaßnahmen oder befristeten Lehrgängen versteckt. Ende 2006 haben 6.978 Jugendliche eine Lehrstelle gesucht- die Anzahl der (sofort verfügbaren) gemeldeten offenen Lehrstellen betrug zum selben Zeitpunkt 1.851 (Quelle: www.ams.at). Zwischen November 2005 und November 2006 ist die Zahl der Lehrstellensuchenden um 7,6% gestiegen, die Zahl der offenen Lehrstellen ging allerdings um 10,4% zurück.

22. Die Trennung im Bildungssystem in Hauptschule und AHS ist mit ein Grund warum die rassistische Spaltung leichter aufrecht erhalten werden kann. Aufgrund dieser Trennung sind MigrantInnenjugendliche sozial stärker benachteiligt, Sozialabbau trifft sie doppelt und dreifach. Sie bleiben in den Hauptschulen konzentriert, der Sparkurs im Bildungssystem wirkt sich hier aufgrund von bereits bestehenden Sprachproblemen zusätzlich aus, die Zukunftschancen sind von vornherein begrenzter. Bei weiterer Radikalisierung sind langfristig Konflikte zwischen einzelnen Communities oder Verzweiflungsakte wie in Frankreich (wenn eine politische Alternative die für ArbeiterInneneinheit eintritt und einer Bewegung Richtung gibt fehlt) aber auch organisierte Bewegungen wie jene der MigrantInnen in den USA zumindest nicht auszuschließen.

23. Was wird die neue Regierung Jugendlichen bringen? Klar ist, dass die SPÖ die Erwartungen, die von einer bestimmten Schicht von Jugendlichen in sie gelegt werden mögen (diese Erwartungen sind allerdings eher Hoffnungen in ein kleineres Übel als in eine tatsächliche Alternative.), bitter enttäuschen werden und bereits jetzt enttäuscht wurden. Das Bekanntwerden der Regierungspläne hat zu Konflikten zwischen SJ/VSSTÖ und SPÖ geführt.

24. So haben sich SPÖ und ÖVP darauf geeinigt, dass die Studiengebühren bleiben – stattdessen werden Bildungskredite (die UniabsolventInnen ihre Berufslaufbahn schon verschuldet beginnen lassen) sowie die Regelung dass Studierende die Studiengebühren durch Sozialarbeit zu einem Stundenlohn von 6 Euro abarbeiten können, als Lösung präsentiert. Das würde Tür und Tor für Lohndruck und weitere Prekarisierung öffnen. Schul- und Uniautonomie sollen laut Regierungsprogramm ausgebaut werden. Die Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 25 soll lediglich ein Richtwert sein, die Umsetzung wird letztlich nach wie vor von den einzelnen Schulen selbst entschieden (und wird somit oft an der Finanzierung scheitern).

25. Ein weiterer Punkt: Die neue Regierung hat mit den Sozialpartnern eine Aufweichung des Kündigungsschutzes für Lehrlinge beschlossen (Kündigung soll nun am Ende des ersten und zweiten Lehrjahr erleichtert werden) – begründet mit derselben Lüge, die auch die Einführung des CPE in Frankreich begleitet hat: Dass das mehr Arbeitsplätze schaffen soll. Weitere Angriffe, die Jugendliche betreffen werden, sind wahrscheinlich Eine der wenigen positiven Neuerungen ist allerdings das Senken des Wahlalters auf 16 – ein Schritt den wir begrüßen, auch wenn wir der Meinung sind, dass das Wahlalter eigentlich auf 15 gesenkt werden sollte.

26. Die Ablehnung der etablierten Parteien insbesondere durch Jugendliche wird von den bürgerlichen Medien oft als „Politikverdrossenheit“ interpretiert. In Wirklichkeit geht es hier um die Ablehnung der Abgehobenheit der Herrschenden und von neoliberaler Politik, die zu Radikalisierung nach links und nach rechts führen kann.

Zerschlagung des Sozialstaates

27. Die Zerschlagung des Sozialstaates bedeutet immer eine Umverteilung von unten nach oben. Durch einen Sozialstaat wird Geld das auch aus den Steuereinnahmen der Besserverdienenden und der Vermögenden stammt auf Menschen mit wenig(er) Geld umverteilt. In den letzten Jahren ist das Gegenteil der Fall. Die Steuerbelastung für Normal- und KleinverdienerInnen steigt, während Steuern auf Besitz und Vermögen ein Rekordtief (auch im internationalen Vergleich) erreicht haben. Der internationale Wettbewerbsdruck auf Unternehmen setzt sich in einem internationalem Steuerdumpings-Wettbewerb der Nationalstaaten fort, die auf Druck der Unternehmen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, eine Unternehmens-Steuerspirale nach unten begonnen haben. Österreich ist hier mit der Köst-Senkung, der Abschaffung der Vermögenssteuer und der Einführung des Stiftungsrechtes schon recht weit gegangen.

28. Unklar ist bisher, wie die geplanten Maßnahmen von der neuen Regierung finanziert werden sollen, ohne dass die Staatsverschuldung steigt. Eine Umverteilung von oben nach unten ist dezidiert nicht geplant, das Regierungsübereinkommen lässt die Frage der Finanzierung weitgehend offen. Das kann zweierlei bedeuten. Entweder die wenigen positiven Punkte des Programms (Senkung der KlassenschülerInnenhöchstzahlen, Lehrwerkstätten) scheitern an der Finanzierung, oder das Geld wird bei anderen Sozialmaßnahmen gespart.

29. Durch die Hintertür von „Privat-Public-Partnership“ werden weitere Privatisierungsschritte eingeleitet, die u.a. im Gesundheitswesen zum Tragen kommen könnten. Den Pflegenotstand beantwortet die neue Regierung mit einem neuen, selbstständigen Beschäftigtentypus statt eines Ausbaus des öffentlichen Pflegeangebotes. Die Kosten soll auf Angehörige und Pflegebedürftige abgewälzt werden.

30. Es ist davon auszugehen, dass JEDE als sozial verkaufte Maßnahme der kommenden Zeit derartige Hacken haben wird, dass unterm Strich für die Mehrheit eine Verschlechterung herauskommen wird. Diese Maßnahmen werden sich in der Regel als „trojanische Pferde“ herausstellen.

Lage und Stimmung bei Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen

31. Das Jahr 2006 war von der tiefsten Krise des ÖGB seit seinem Bestehen geprägt. Im Herbst 2005 begann der Bawag-Skandal mit dem Bekanntwerden der Karibikgeschäfte, im März 2006 platzte die Bombe. Die finanziellen Auswirkungen für den ÖGB waren Existenzbedrohend. Die Gewerkschaftsführung reagierte in bekannt bürokratischer Art.

32. Die politischen Konsequenzen der darauf folgenden ÖGB-Krise sind längerfristig noch nicht voll absehbar. Die Reaktionen der ÖGB-Führung machen einerseits deutlich, dass sie trotz der Krise am bisherigen Kurs (die ÖGB-Führung ist eng an neoliberale Parteien und die kapitalistische Logik sowie auch faktisch seit der Bawag-Krise an Staat und Regierung gebunden) nichts ändern will, andererseits aber auch, dass Basis und Mittelbau sich immer weniger kontrollieren lassen. Hundstorfer als Interims- und neuer ÖGB-Präsident ist ein deutliches Zeichen für „Business as usual“. Die mehrmalige Verschiebung der Konferenz, die mangelnde Einbeziehung der Mitglieder in den „Reformprozess“ und die bürokratische Abwickelung der Regionalkonferenzen haben gezeigt, dass sich am Top-Down Zugang nichts geändert hat.

33. Die ÖGB-Bürokratie verschanzt sich hinter der Schuldabwälzung auf „einige Betrüger“ und strukturelle Schwächen. Auch die meisten Initiativen im Zuge der ÖGB-Krise wie Zeichen setzen u.ä. haben sich auf die Strukturfrage konzentriert. Die mangelnde Demokratie im ÖGB ist zweifellos ein wichtiger Grund für seine tiefe Krise. Wesentlich ist aber auch die inhaltliche Ausrichtung, die sich in der heiligen Kuh Sozialpartnerschaft und dem Eintreten für das Gesamtwohl des Staates ausdrückt. Die ÖGB-Spitze hat den Angriffen der letzten Jahre auf die ArbeiterInnenklasse nichts bzw. wenig und das nicht entschlossen entgegengesetzt. Die Austritte aus dem ÖGB sowie seine Veralterung mit der drastischen Ausdünnung der Jugend haben nicht erst mit dem Bawag-Skandal, sondern schon früher begonnen. Gleichzeitig konnten Widerstand und Kämpfe – aufgrund des Drucks „von Unten“ nicht mehr verhindert werden.

34. In den Jahren 2002 (AUA, Postbus) und v.a. 2003 kam es erstmals seit längerem zu Kampfmaßnahmen – die von der ÖGB-Führung aber vorzeitig abgebrochen wurden und daher nicht die gewünschten Erfolge brachten. Eine ganze Generation (insgesamt waren über 1 Million ArbeitnehmerInnen an den Streiks beteiligt) hat gelernt, dass es möglich ist zu streiken. Ein Tabu wurde damit gebrochen. Aber dass eine Reihe von Kämpfen – Postbus, Pensionsreform, ÖBB, Post – nur halbherzig geführt und nicht gewonnen wurden hat auch das Vertrauen in die ÖGB-Führung und die Kampfform des Streiks wieder sinken lassen. Wir haben seither keine größeren Kämpfe gesehen – nicht weil es keine Anlässe dazu gegeben hat, sonder weil es keine Führung, keine Strategie und v.a. kein alternatives Programm dafür gegeben hat. Taktisch wurde darauf verwiesen, man solle bei den nächsten Wahlen eine andere – eine SPÖ-Regierung – wählen, was sich nun als offensichtlich nicht taugliches Mittel herausgestellt hat. Programmatisch haben die Vorschläge des ÖGB zur Pensionsreform sich nicht qualitativ von jenen der Regierung unterschieden, sondern sind derselben Logik gefolgt.

35. Die tiefe Krise des ÖGB und der für die Basis nicht zufriedenstellende Umgang damit hat aber auch den Effekt, dass der Einfluss der Gewerkschaftsführung über die Mitglieder geringer geworden ist. Die Tatsache, dass beim letzten ÖGB-Kongress sogar ein Teil der oberen Führungsebene (ein Großteil der 366 Delegierten steht der unmittelbaren Führung sehr nahe) sich der Kontrolle der Spitze entzogen hat und gegen ihren Willen Csörgits und Neugebauer gestrichen haben, macht das deutlich.

36. Die künftige Struktur der österreichischen Gewerkschaftsbewegung ist zZt offen. Eine de facto Abspaltung der GÖD könnte eine weitere Vertiefung der Blockbildung mit sich bringen. Eine Schwächung der bürokratischen Kontrolle des ÖGB hätte aber auch die Konsequenz, dass die Einzelgewerkschaften die Interessen der Mitglieder stärker und damit auch kämpferischer vertreten müssten, um diese „bei der Stange“ zu halten. Insbesondere im Bereich der Vertragsbediensteten im Öffentlichen Dienst kann sich bei einer Abspaltung der GÖD, die de facto nur die Interessen der BeamtInnen vertritt, einiges tun und kann es zu neuen Formationen mit einer kämpferischeren Ausrichtung kommen.

37. Bei der Frage einer Abspaltung/Autonomie der GÖD vom ÖGB geht es nicht um Fragen der Demokratie oder des „Umgangs“ sondern es handelt sich um einen innerbürokratischen Konflikt zwischen den beiden Spitzenstrukturen, also um Macht und Geld. Die GÖD-Führung hat ihre teilweise Loslösung in diesem Zusammenhang bereits längst angekündigt und vorbereitet. Das Grundproblem einer Spaltung liegt allerdings darin, dass der „Reformprozess“ der ÖGB-Spitze keine kämpferische und demokratische Alternative zum Standesdenken der GÖD-Führung aufzeigt. Im Gegenteil: Selbst der Großteil der sozialdemokratischen Minderheitsfraktion in der Beamtengewerkschaft zeigte sich in diesem Sinne infiziert und stimmte den Plänen der schwarzen Mehrheit grundsätzlich zu (95% für die Rechtfähigkeit der GÖD am GÖD-Kongress). Die Einheit der Gewerkschaftsbewegung kann jedenfalls offenbar nicht länger durch eine „große Koalition“ im Gewerkschaftsbund hergestellt werden. Sie gilt es durch den Kampf für gemeinsame Interessen in der Gewerkschaftspraxis in ganz neuer Form umzusetzen.

38. Gewerkschaft/GewerkschafterInnen stehen unterschiedlich direkt und intensiv unter dem Druck der Basis, die ihre Interessen vertreten sehen will. Das haben wir schon in den letzten Jahren gesehen und das Verstärkt sich durch die Schwächung der Zentrale weiter. Das wurde u.a. auch beim ÖGB-Kongress im Jänner 2007 deutlich, als rund 170 TeilnehmerInnen, davon 62 Delegierte, einen Initiativantrag der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften unterzeichneten, der im Widerspruch zur Zustimmung der ÖGB-Führung zum Koalitionspakt stand. Der Autoritätsverlust der Zentrale kann daher auch dazu führen, dass wir die Entwicklung von kämpferischen Strukturen und Arbeitskämpfen auf betrieblicher und regionaler Ebene sehen, die an der Gewerkschaftsführung oder sogar an den offiziellen Gewerkschaftsstrukturen vorbei und quer durch alle Fraktionen stattfinden.

39. Wir sehen ein Auseinanderklaffen von Notwendigkeit zum Widerstand sowie Erfahrungen und Führung und Strategie. Klassenkämpfe können und werden auch ohne Führung losbrechen, sie werden teilweise Akte der Verzweiflung sein, teilweise aber auch offensiven Charakter haben. Die Herausbildung einer organisierten kämpferischen Opposition innerhalb der Gewerkschaften, die auch mit KollegInnen von außerhalb der Gewerkschaften zusammenarbeitet ist unbedingt notwendig, um die kommenden Klassenkämpfe zu vereinigen, die Erfahrungen zu verallgemeinern und Erfolge erzielen zu können.

40. Die Krise des ÖGB hat – neben vieler negativer Auswirkungen – die oft sehr weitgehende Dominanz der ÖGB-Bürokratie über die Gewerkschaftsmitglieder reduziert. Aus den Reihen der Basis, aber auch der unteren und mittleren FunktionärInnenebene wurden Stimmen laut, die sich für echte Veränderungen aussprachen. Die Entwicklung einer organisierten Opposition hat aber leider nicht stattgefunden. Zwar gab es verschiedene Initiativen, aber der – von uns und der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften angestrebte – Zusammenschluss für ein gemeinsames Auftreten v.a. auch im Rahmen des ÖGB-Kongresses fand nicht statt.

Entwicklung und Bedrohungspotential des Rechtsextremismus

41. Nach der Spaltung von FPÖ-BZÖ im Jahr 2005 haben viele das Ende der FPÖ prognostiziert – die SLP hat dem entgegengehalten, dass der Rechtsextremismus nicht geschlagen war und es weiter rechtsextreme Parteien geben wird. Dies hat sich durch den neuerlichen Aufstieg der FPÖ, zuerst bei den Gemeinderatswahlen 2005 in Wien und dann den Nationalratswahlen 2006, auch bewahrheitet. Die neue große Koalition und ihr Programm werden die besten Wahlhelfer für die FPÖ sein. Die FPÖ selbst ist in dieser Zeit weiter nach rechts gegangen.

42. Mit der Abspaltung des BZÖ hat sich aus der tiefen Krise des Rechtsextremismus – nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ und ihrem darauf einsetzenden freien Fall - eine neue Dynamik im rechtsextremen Spektrum entwickelt. In der FPÖ wurde eine Führungsgruppe installiert die zum Teil aus faschistischen Ideologen besteht und sich an Organisationen wie der Front Nation und dem Vlaams Belang orientiert. Diese Entwicklung steht zudem in einem bemerkenswerten Kontext zur Neuorientierung und Vernetzung des Rechtsextremismus auf europäischer Ebene; ein Prozess der von diesen faschistischen Organisationen dominiert wird und an dem die FPÖ etwa im Rahmen der neuen EU-Rechts-Fraktion teilnimmt.

43. Für die FPÖ drücken sich Neuorientierung und Radikalisierung nach außen in einer stärkeren Festlegung auf die Oppositionsrolle, durch eine noch rabiatere Hetze gegen MigrantInnen, sowie neuerdings eine massive „antikapitalistische“ Propaganda gegen Globalisierung und EU aus. Die FPÖ ist keine homogene Partei, was sich im Liebäugeln mit einer Koalition, v.a. aber im Machtkampf Strache-Stadler ausdrückt. Es handelt sich dabei um Konflikte zwischen verschiedenen rechtsextremen Strömungen sowie um unterschiedliche Strategien zum künftigen Aufbau der FPÖ. Aber durch die Abspaltung sind die bewussteren, ideologischeren und auch faschistischen Teile stärker ins Zentrum der Partei und bestimmen den Kurs maßgeblich.

44. Vor allem durch das Fehlen von Ansätzen einer neuen ArbeiterInnenpartei scheinen die Freiheitlichen unter den gegebenen Bedingungen - Große Koalition und Sozialabbau sowie Krise des ÖGB - gute Möglichkeiten vorzufinden, um sich als „soziale Heimatpartei“ in „Opposition zum System“ weiter zu stabilisieren. Insbesondere da Rassismus durch alle Parlamentsparteien – in Form von offener AusländerInnenfeindlichkeit bis zu „pragmatischen“ Programmen gefördert wird. Ein Kurswechsel hin zu einer „gemäßigteren“ Linie scheint unter diesen Voraussetzungen weder strategisch gewollt, noch taktisch sinnvoll.

45. Die sozialen Probleme auf die die Herrschenden keine Antworten geben können bieten eine wichtige Grundlage für u.a. die FPÖ um mit ihrer Anti-MigrantInnenpolitik Scheinantworten zu geben und auf Stimmenfang zu gehen. Obwohl MigrantInnen besonders stark von den sozialen Problemen betroffen sind, werden sie – auch von anderen Parlamentsparteien – als „Schmarotzer“ hingestellt und österreichische und migrantische ArbeitnehmerInnen gegeneinander ausgespielt. Diese Taktik geht v.a. so lange auf, solange sie auch von anderen etablierten Parteien verbreitet wird und es keine linke Alternative gibt, die den gemeinsamen Kampf von In- und AusländerInnen in den Fordergrund stellt.

46. Im Gegensatz zur (vorläufig) zweiten rechtsextremen Partei im Parlament (dem BZÖ), verfolgt die FPÖ neben der stärkeren Betonung der oppositionellen Komponente, mit ihrer „sozialen“ Orientierung auch stärker die Umwerbung von ArbeiterInnenstimmen, bzw. sogar der Gewinnung von deklassierten Elementen für den Parteimob; tw. durch Mobilisierungen auf der Strasse. Selbst (verlorene) Klassenkämpfe ohne die Entwicklung von alternativen politischen Ansätzen würde v.a. diese Entwicklung - aus der sich eine direkte Konkurrenzierung, bzw. auch Gefahr für Linke, MigrantInnen (etc...) ergibt - wahrscheinlich nicht unmittelbar stoppen.

47. Ein spezieller Teil des rechtsextremen Problems sind darüber hinaus die Versuche der militanten Naziszene, allen voran des BFJ, im Windschatten der freiheitlichen Hetze seine eigenen Strukturen aufzubauen. Neben den Verzahnungen die es hier vor allem zur FPÖ-Jugend gibt – welche wiederum dem BFJ im Außenauftritt zum Teil sehr ähnlich ist - verfolgen diese militanten Kader eine bewusste Strategie des Ausbaus von Einflusszonen nach dem Vorbild der deutschen Naziszene. In solchen „national befreiten Zonen“ soll die Aktivität von Linken verhindert oder zumindest gestört, sowie nicht zuletzt MigrantInnen unmittelbar bedroht werden.

48. Dies ist u.a. bei den Angriffe auf das Büro der SLP im Winter 2006/2007 deutlich geworden. Es hat sich gezeigt, dass die Warnungen - und auch die Kampagne - unserer Partei gegenüber einer neuen rechten Bedrohung mehr als gerechtfertigt waren und sind. Es gibt in diesem Spektrum verschiedene, gefährliche Organisationen, die SLP hat sich in den letzten Jahren auf BFJ und seine Mutterorganisation, die AFP, konzentriert und hier v.a. in Oberösterreich und Wien eine Reihe von Mobilisierungen organisiert. Die SLP wird weiter nicht nur auf diese konkreten Zusammenhänge und Gefahren aufmerksam machen, sondern als eine der wenigen linken Organisationen aktiv – und bisher durchaus erfolgreich - den Einfluss der Faschisten auf der Strasse bekämpfen.

49. Völlig anders könnte sich freilich die Situation darstellen, wenn eine kämpferische Bewegung von Gewerkschaften und Linken, antikapitalistische Systemkritik und (am besten) sozialistische Lösungen auf die Strassen und in die Parlamente tragen würden. Sie würde den „Antikapitalisten“ Strache, Kickl und Rosenkranz schnell den Boden - zumindest für ihre Sozialrhetorik – entziehen.

Neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche – Stand der Entwicklung

50. Bei der letzten Jahreskonferenz der SLP haben wir uns intensiv mit der Frage einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche auseinandergesetzt (siehe dazu unser Dokument „Eine neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche ist dringend notwendig – konkrete Ansatzpunkte dafür müssen sich in Österreich aber erst entwickeln“ http://slp.at/index.php/artikel+M5f0d1a24b9a/). In einer Reihe von Ländern gibt es die Entwicklung neuer Formationen, auch in Österreich ist die Zeit dafür an sich reif. Die Entwicklungen des letzten Jahres haben die Möglichkeiten für eine solche Partei zwar objektiv verbessert, konkrete Ansatzpunkte gibt es aber leider nach wie vor nicht.

51. Eine solche neue Formation wird aus verschiedenen Quellen entstehen, wichtig sind v.a. die Entwicklungen innerhalb des ÖGB sowie die Entwicklung von Klassenkämpfen an sich, sowie die Entwicklungen innerhalb der SPÖ. Auch die Frage, wie sich die organisierte Linke zu einem solchen Projekt stellt, muss beachtet werden. Wo zeigen sich konkrete Ansätze, wo können sie künftig entstehen und welche Auswirkungen werden diese Entwicklungen auf bisher unorganisierte Kräfte haben.

52. Die weiteren Entwicklungen des ÖGB bzw. in- und um den ÖGB werden zentral sein für die Entwicklung einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche. Durch die ÖGB/Bawag-Krise hat sich die ÖGB-Führung in Abhängigkeit von der Regierung begeben und hat gezeigt, dass sie ihren nicht-kämpferischen Kurs beibehalten will. Aber innerhalb des ÖGB gärt es, der ÖGB-Kongress hat gezeigt, dass die Kontrolle der Führung geringer ist, als in der Vergangenheit. Der Initiativantrag der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaft ist auf reges Interesse gestoßen. Mit einer breiteren, gemeinsamen Intervention verschiedener linker Kräfte/Gruppen, wie sie die Plattform angestrebt hat, wäre es gelungen, den Antrag zu stellen und eine unübersehbare Intervention und damit auch politischen Einfluss zu schaffen. Trotzdem ist der Kontrollverlust der Führung deutlich geworden - es ist daher davon auszugehen, dass kommende Klassenkämpfe zunehmend am ÖGB bzw. zumindest an der ÖGB-Führung vorbei gehen werden.

53. Durch die Regierungsbeteiligung/Führung der SPÖ in der Regierung wird die Notwendigkeit für eine neue Partei der ArbeiterInnen und Jugendlichen deutlicher. Wir haben schon länger analysiert, dass die SPÖ keine ArbeiterInnenpartei mehr ist – das bedeutet aber nicht, dass sie nicht als kleineres Übel, d.h. mit der Hoffnung, sie würde es nicht ganz so schlimm wie die anderen machen, gewählt wird. In der Praxis hat sich nun aber deutlich gezeigt, dass das „kleinere Übel“ das größere Übel nicht verhindert hat.

54. Im Wahlkampf hat die SPÖ versucht, sich als „Sozialpartei“ zu präsentieren. Im Regierungsübereinkommen ist von den SPÖ-Versprechen nichts übrig geblieben. Jugendliche, die auf die Abschaffung der Studiengebühren gehofft hatten, sind enttäuscht. ArbeitnehmerInnen und GewerkschafterInnen, die Hoffnung in eine weniger unsoziale Politik gesetzt hatten, ebenfalls. GewerkschafterInnen, und hier besonders FSG’lerInnen, werden vor der Frage stehen: „Stillhalten und Verschlechterungen schlucken oder gegen die SPÖ kämpfen“. In diesen Debatten und Kämpfen kann der Ansatzpunkt für eine neue Partei von ArbeiterInnen und Jugendlichen liegen. Eine Schicht, die entweder die SPÖ noch als kleineres Übel gewählt haben, oder auch noch in der SPÖ organisiert sind/waren, wird nun offener für das Projekt einer solchen neuen Partei. Eine solche Partei wird aber nicht automatisch entstehen, sondern die Entwicklung wird v.a. von der Existenz und dem Verlauf künftiger Klassenkämpfe, und damit von den Entwicklungen rund um die Gewerkschaften, abhängen

55. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Regierungsübereinkommens ist es zu Protesten von Studierenden und Mitgliedern/AktivistInnen der sozialdemokratischen Jugendorganisationen SJ/VSSTÖ gekommen. Der Unmut der Parteibasis über den Koalitionspakt ist tiefgehend. Das Argument der Führung, dass so Schlimmeres verhindert wurde, wird nicht nachvollzogen. Es sieht so aus, als ob die verschiedenen Initiativen („Wir sind SPÖ“, „Protestsektion“) nichts als Internet-Unterschriftenlisten sind (bei „Zeichen setzen“ gab es immerhin die Möglichkeit zu einer Online-Diskussion) mit dem Ziel, Austritte zu verhindern, aber nicht, einen organisierten oppositionellen Flügel mit einem gemeinsamen Programm aufzubauen. Bisher beschränken sich die Proteste – nach einigen wütenden und Medienwirksamen Aktionen – auf den innerparteilichen Weg und haben kaum konkrete Ziele. Sollte sich aber doch ein solcher linker Flügel formieren ist die Frage, ob er zu einem linken Feigenblatt wird, der von der Führung dazu benützt wird, um weitere Austritte zu verhindern, oder ob er darum kämpft einen Kurswechsel und Führungswechsel herbeizuführen. Letzteres würde ihn in scharfen Konflikte bringen die zu Parteiausschlüssen oder auch einer Abspaltung führen können. Wesentlich für die Entwicklung einer neuen politischen Vertretung für ArbeiterInnen und Jugendliche wird es auch sein, ob sich diese SozialdemokratInnen an Protesten gegen die Regierungspolitik beteiligen oder sich auf den innerparteilichen Kampf beschränken.

56. Aus der organisierten Linken außerhalb der SPÖ gibt es wenig bis kein Interesse an der Entwicklung einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche. Ein besondere Rolle kommt in diesem Prozess der KPÖ zu – aufgrund ihrer Größe, ihrer (nach wie vor beträchtlichen ) finanziellen Ressourcen und der Erfolge der KP-Steiermark. Die SLP hat daher bei den Nationalratswahlen 2006 (wie auch schon in früheren Wahlen) ein Wahlbündnis angestrebt. Die KPÖ hat dieses abgelehnt. Sie hält an ihrem Alleinvertretungsanspruch fest und bewegt sich auch politisch immer mehr von sozialistischen Positionen weg hin zu sozialdemokratischen. Bei den Klassenkämpfen der letzten Jahre hat die KPÖ keine zentrale Rolle gespielt, sondern ist bestenfalls am Rande gestanden (bei den ÖBB hat der KPÖ/GLB-Vertreter sogar für den Streikabbruch gestimmt). Sie konnte auch die vermehrte Öffentlichkeit im Rahmen des Nationalratswahlkampfes 2006 (u.a. zweimal eine Stunde im ORF) nicht nutzen, um sozialistische und klassenkämpferische Positionen einzubringen.

57. Die SLP meint, dass es in der nächsten Periode auch vor der Entstehung einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche zu Klassenkämpfen kommen kann. Aber wir denken, dass eine solche Partei notwendig sein wird, um kommende Kämpfe zu verbinden und auf eine breitere, politische Ebene zu bringen. Die Ansätze für eine solche neue Partei können aus den kommenden Klassenkämpfen, aber auch aus der momentanen Krise von SPÖ bzw. ÖGB entstehen. Damit ein solches neues Projekt erfolgreich wird, müssen die Lehren aus anderen Projekten international gezogen werden. Demokratische Strukturen die für Individuen und Organisationen offen ist, eine kämpferische und aktive Orientierung sowie eine Ausrichtung auf die ArbeiterInnenklasse sind dafür zentral. Ein sozialistisches Programm ist notwendig, um Antworten auf die Sachzwänge des Kapitalismus geben zu können. Für ein solches, sozialistisches Programm wird die SLP kämpfen, sieht es aber nicht als Bedingung für unsere Teilnahme an einem solchen neuen Projekt.

58. Solange die ArbeiterInnenklasse keine politische Vertretung hat, können rechtsextreme und populistische Kräfte dieses Vakuum füllen und die ArbeiterInnenklasse schwächen. Die SLP wird daher alle Entwicklungen in Richtung Aufbaus einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche auch in Zukunft aktiv unterstützen.