Mi 13.04.2005
Nach dem Tod des Papstes scheint eine Welle der Trauer die Welt erfasst zu haben. Wir versuchen die Ursachen für diese Trauer, aber auch das Wirken von Papst Johannes Paul II näher zu beleuchten.
1. Warum trauern Millionen?
- Hunderttausende standen in Rom Schlange, um einen
letzten Blick auf den toten Papst werfen zu können. Millionen wollten zum
Begräbnis kommen oder es zumindest live im Fernsehen mitverfolgen. Die Tränen
all dieser Menschen sind nicht gespielt. Es ist echte Trauer, die sie erfasst.
Aber woher kommt diese Trauer und wer trauert? War Papst Johannes Paul II ein
besserer Papst als seine Vorgänger? Ist es Massenhysterie? Sind alle die trauern
religiöse FanatikerInnen? All diese Erklärungsmuster greifen zu kurz. Neben
jenen, die trauern „müssen“, wie die religiösen WürdenträgerInnen, sind viele
„normale“ Menschen, auch fortschrittliche, die den Papst in manchen Fragen
sogar kritisierten, die echte Tränen vergießen.
- Die mediale Vermarktung dieses Papstes und seines
Ablebens ist enorm. Durch die Medien wurde Papst Johannes Paul II zu einem
Papst dessen Wirken man fast „hautnah“ miterleben konnte. Er wurde –
insbesondere in den letzten Jahren – zum „guten Menschen“ schlechthin
hochstilisiert, seinen Krankheiten und Leiden wurde ein fast heiliger Charakter
verliehen. Der Vatikan ist neben dem Kirchenstaat auch ein Wirtschaftsimperium,
der dieses Medienspektakel und dieses Bild ganz bewusst gezeichnet hat – auch
als Gegengewicht zum durch diverse Kirchenskandale angegriffenen Kirchenimage.
- Die Trauer der Menschen drückt aber auch den Wunsch
nach Antworten, nach Lösungen, nach einem Ausweg aus den immer erdrückender
werdenden Problemen aus. Die Diskussion um „Werte“, die auch im US-Wahlkampf
eine zentrale Rolle gespielt hat, kommt nicht von ungefähr. Sie ist die
Reaktion auf einen immer brutaleren Kapitalismus, in dem der Mensch immer
offensichtlicher keine Bedeutung als Mensch mehr hat, sondern nur als
ProduzentIn oder KonsumentIn. In einer zunehmend „entmenschlichten“ Welt können
Religionen – seien es etablierte oder sogenannte „Sekten“ – wieder verstärkt
Zustrom verzeichnen, weil sie als Hort der Sicherheit auftreten. Diese
Zuwendung zu Religionen ist auch eine Reaktion auf das Wegfallen bzw. die
Korruptheit der großen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung. Früher konnten
diese Antworten geben (keine religiösen sondern solche, die den
Klassencharakter des Systems deutlich machten), heute sind sie selbst Teil und
Umsetzer des brutalen Kapitalismus.
2. Ein heiliger Mann?
- Der Papst hat, obwohl zweifellos ein Konservativer, in
manchen Fragen sogar reaktionärer, sich scheinbar kritisch zu Fragen wie Armut
und Krieg geäußert. Papst Johannes Paul II hatte quasi „für jeden“ etwas zu
bieten und konnte daher dieses Vakuum, das die ArbeiterInnenorganisationen
hinterlassen haben, zumindest teilweise füllen.
- Bei näherer Betrachtung seiner Positionen wird aber
deutlich, dass auch Papst Johannes Paul II ein Systemerhalter war.
- Im „Kalten Krieg“ (dem Konflikt zwischen den
westlichen-kapitalistischen und den stalinistischen Staaten) präsentierte er
sich als Vertreter der „Freiheit“ gegen „den Kommunismus“. Gerade in Polen
bedeutete der starke ideologische Einfluss der katholischen Kirche in der
Bewegung gegen das stalinistische Regime, die entscheidende Stärkung zum Teil
extrem rechter, traditionell antisemitischer Kräfte in der Solidarnoc. Ebenso
ist es durchaus diskussionswürdig, ob nicht gerade der Einfluss des Papstes
dieser Bewegung Anfang der 80er Jahre ihre revolutionären Elan nahm und damit
ihre Unterdrückung durch das Kriegsrecht ermöglichte. Karl Wojtyla Positionen
waren zweifellos zutiefst antikommunistisch, d.h. gegen sozialistische und
kommunistische Befreiungsideen gerichtet (die auch von den stalinistischen
Machthabern bekämpft wurden). Bei den BündnispartnerInnen im Kampf gegen den
„Kommunismus“ hatte er keine Berührungsängste und unterstützte auch blutigen
Diktaturen, z.B. in Lateinamerika.
- Papst Johannes
Paul II hat, auch wenn er sich scheinbar für „die Armen“ einsetzte, das
kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem praktisch nie in Frage
gestellt. Er hat sich sogar offensiv und radikal gegen dessen KritikerInnen
ausgesprochen, selbst wenn sie aus den eigenen Reihen kamen, wie die
VertreterInnen der Theologie der Befreiung in v.a. Lateinamerika.
- In Sexualfragen waren seine Positionen zutiefst
menschenverachtend – durch das Verbot von Verhütungsmitteln förderte er die
Verbreitung von Geschlechtskrankheiten (insbesondere Aids ist in Afrika eine
tödliche Massenseuche) und von ungewollten Schwangerschaften. Der Umgang mit
sexuellen Übergriffen in den eigenen Reihen (Kindesmissbrauch) war allerdings
weit weniger streng. Seine Gleichstellung von Abtreibung und Holocaust stellt
eine Verharmlosung des Nationalsozialismus dar, die all seine
„Versöhnungsversuche“ mit dem Judentum ad absurdum führen.
- Kirchenintern stärkte er den konservativ-reaktionären
Teil durch die Ernennung zahlreicher Kardinäle und Bischöfe und setzte
deutliche Zeichen durch die Selig- und Heiligsprechung von diversen
Ultrarechten.
3. Keine wirklichen Antworten auf die Fragen!
- Auch wenn sich bei Papst Johannes Paul II Aussagen
gegen Krieg, Hunger und Ausbeutung finden lassen, so war doch sein gesamtes
Wirken auf den Erhalt dieses Systems – des Kapitalismus – der diese Übel mit
sich bringt, gerichtet. Er hat nicht jene Bewegungen unterstützt, die dagegen
ankämpften, sondern stets jene Regimes, die es verteidigten. Seine Appelle gegen
die Armut konzentrierten sich darauf, das jene, die mehr haben, Almosen geben
sollen und jene die nichts haben, beten sollen. Ein Konzept das schon die
letzten Jahrtausende – egal von welcher Religion vorgebracht – nur den
Herrschenden/Reichen genützt hat.
- Das Vertrösten auf ein Jenseits, auf einen göttlichen
Willen und Sinn war in der Vergangenheit immer ein Herrschaftsinstrument. Papst
Johannes Paul II ist hier keine Ausnahme.
- Die Lösung von Problemen wie Umweltzerstörung, Krieg,
Ausbeutung, Seuchen liegt darin, die Ursachen zu erkennen – nämlich ein System
in dem Menschen Profite auf Kosten von Menschen machen. Ein System dass nicht
„gottgegeben“ ist, sondern verändert und bekämpft werden kann wenn sich
Menschen zusammenschließen und für ihre Rechte eintreten. „Es rettet uns kein
höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun...“ heißt es in der
„Internationalen“, dem Lied der internationalen ArbeiterInnenbewegung. Die
organisierte ArbeiterInnenbewegung hat in den letzten 150 Jahren mehr für die
Verbesserung des Lebensstandards der breiten Massen erreicht, als die Kirche:
soziale und demokratische Rechte. Zwar entstand unter dem Druck der
erstarkenden ArbeiterInnenbewegung die katholische Soziallehre, aber erkämpft
wurden die Verbesserungen durch die ArbeiterInnenbewegung. Denn im Gegensatz zu
Kirchen, die die Menschen letztlich aufspalten (bis hin zu blutigen
Konflikten), kann die ArbeiterInnenbewegung über religiöse und ethnische
Unterschiede hinweg auf Grundlage der verbindenden Klasseninteressen Verbesserungen
für alle ArbeiterInnen erreichen.
- Wir sind nicht religiös, glauben an keinen Gott. Unsere
Motivation kommt aus der Überzeugung, dass der Kapitalismus nicht in der Lage
ist, die Probleme der Menschheit zu lösen und dass dies nur in einer neuen,
sozialistischen Gesellschaft möglich ist. Wir sind aber offen für eine
Zusammenarbeit mit Menschen, die heute religiöse Hoffnungen und Vorurteile
haben, aber sich für eine „bessere Gesellschaft“ einsetzen wollen. Wir sind
überzeugt, dass die Grenzen einer religiösen Lösung sich in der praktischen
politischen Arbeit zeigen werden und deutlich wird, dass Freiheit nur erkämpft und Armut nur überwunden werden
kann, wenn die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, und für ihre
Rechte und ihre Zukunft kämpfen. In diesem Kampf kommt einer kämpferischen,
internationalen ArbeiterInnenbewegung die zentrale Aufgabe und Verantwortung
zu.