Do 01.05.1997
1996 waren in Österreich insgesamt 708.753 Menschen arbeitslos, im Schnitt blieben sie es für 121,4 Tage. Im Jänner 1997 erreichte die Zahl der Beschäftigungslosen mit knapp 300.000 den Höchststand seit 1945. Hinter diesen nackten Zahlen verbergen sich Not, Delogierung, soziale Ausgrenzung und persönliche Katastrophen bis hin zu Selbstmorden. Die Sparpakete der Bundesregierung verschärfen die Situation dramatisch. Es wird bei den Ärmsten gespart. Zur Information: Ein Arbeitsloser erhält durchscbnittlich öS 9.000,-, Notstandshilfebezieher rund öS 7.000,-. pro Monat. Gleichzeitig fallen durch den Sozialabbau tausende Stellen im öfftenlichen Sektor weg (Seite 3).
Das Märchen, daß „jeder, der wolle, auch arbeiten könne“, wird durch die Realität widerlegt: Auf eine offene Stelle kamen im Jänner ‘97 bereits 19,77 Stellensuchende. Besonders benachteiligt im Gerangel um die letzten verbliebenen Jobs sind einmal mehr Frauen. Sie bleiben im Schnitt 16 Tage länger arbeitslos als ihre männlichen Schicksalsgenossen (M: 115 Tage; F: 131 Tage).
Nachdem das Problem „Arbeitslosigkeit“ jahrelang ignoriert wurde, werden die PolitikerInnen aller Couleurs nun nicht müde, stets zu betonen, daß für sie der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit das Wichtigste sei. Noch unter Vranitzky rief die SPÖ eine neue Gründerzeit aus. 50.000 neue Betriebe sollten entstehen. Im Industriebereich sieht das konkret so aus: 147 Neugründungen mit 3.080 Arbeitsplätzen stehen 160 Betriebsschließungen mit 3.492 verlorenen Arbeitsplätzen gegenüber (1995, ÖSTAT). Als zweiten Ansatz zum Problem reiben uns bürgerliche Medien und PolitikerInnen immer wieder das Beispiel USA unter die Nase. Dort gäbe es erstens nur 5,4 % Arbeitslosigkeit und zweitens wurden Millionen Jobs im Dienstleistungssektor geschaffen. Dieses Beispiel ist einen genaueren Blick wert.
Noch unter Reagan begann die US-Regierung, ein „Beschäftigungsprogramm“ zu forcieren, das wohl kaum im Interesse der Arbeitenden sein kann. So ist das Lohnniveau heute 19 % niedriger als noch vor 20 Jahren. Ca. 65 % der seit 1992 neu geschaffenen Jobs werden unter dem Durchschnitt bezahlt, von vielen dieser McJobs kann man nicht leben, man braucht 2 oder 3 Jobs. Die Anzahl jener, die trotz Job unter der Armutsgrenze leben, wächst ständig.
„Standort Österreich“ und globale Konkurrenz
Als Erklärung für die Jobkrise wird immer öfter die „Globalisierung“angeführt. Der Standort Österreich sei zu teuer, die Wettbewerbsfähigkeit müsse verbessert werden. Darin sind sich Unternehmer und Gewerkschaftsspitze einig. Die Unternehmer haben die konsequente Schlußfolgerung parat: Damit die Jobs nicht in Billiglohnländer ausgelagert werden, müssen wir uns eben in Verzicht (bei Lohn, Arbeitsbedingungen, Sozialleistungen etc.) üben.
Doch diese Argumente basieren auf mehreren „Fehlannahmen“, die am Beispiel der deutschen Wirtschaft - wo die Standortdebatte zur Zeit besonders tobt - deutlich werden. Mythos 1: Auslagerung in Billiglohnländer: Wenn die deutsche Wirtschaft Jobs auslagert, dann zu 90% in die USA und andere EU-Staaten und nicht nach Südostasien oder Osteuropa. Mythos 2: Arbeitsplätze werden von einem Standort zum anderen transferiert. Die (wenigen) Jobs, die deutsche Unternehmen neu schaffen, entstehen in den meisten Fällen in Deutschland und nicht außerhalb der deutschen Grenzen. Gleichzeitig gibt es eine Rekordarbeitslosigkeit von fünf Millionen. Wohin gehen die Betriebe, die in Deutschland aus „Kostengründen“ schließen? Ins globale Nichts, denn tatsächlich findet europaweit eine Vernichtung von Arbeitsplätzen - vor allem im industriellen Bereich - statt. Der Hintergrund dafür ist eine tiefe Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems, zu deren direkten Folgen die permanente Massenarbeitslosigkeit gehört.
Guten Morgen, ÖGB!
Der Zweck der Standort-Propaganda ist offensichtlich. Es sollen ArbeitnehmerInnen gegeneinander ausgespielt und erpreßt werden, um Sozialabbau zuzulassen. Die Standortlogik schließt eine „Spirale nach unten“ ein, das erkennt auch die GPA (Kompetenz, 2/97). Damit hebt sich die GPA-Führung noch positiv gegenüber anderen Gewerkschaftsspitzen ab, die die Standort-“logik“ auch inhaltlich voll mittragen. Konkrete Schritte zu internationalen Aktionen sind nur spärlich vorhanden. Bestenfalls demonstrieren einige FunktionärInnen in Brüssel. Eine Mobilisierung der Basis oder eine internationale Vernetzung von BetriebsrätInnen, Arbeitslosenorganisationen etc. wird nicht forciert.
Internationale Solidarität
Die Kapitalisten hätten wohl weltweit gerne ArbeitnehmerInnenrechte wie in Osteuropa. Osteuropäische ArbeitnehmerInnen wollen Bedingungen wie in Österreich. In welche Richtung das Gefälle ausgeglichen wird, entscheidet das Kräfteverhältnis zwischen internationalem Kapital und internationaler ArbeiterInnenklasse. Läßt sich die ArbeiterInnenschaft auf die Standortlogik ein, kann sie nur verlieren. Auch die konkrete Erfahrung, z.B in der Verstaatlichten oder bei Semperit, zeigt, daß Verzicht keine Arbeitsplätze sichert, sondern zu weiterem Sozialabbau und Jobvernichtung führt. Wir brauchen ein offensives Programm, um der Vernichtung von Arbeitsplätzen entgegen zu treten. Der wichtigste Ansatzpunkt ist die Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle, durch eine drastische Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn.