Mo 04.09.2006
Die soziale Lage in Österreich ist nach mehr als einem Jahrzehnt neoliberaler Politik nicht gerade rosig. Die tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitsstunden sind hierzulande die längsten in ganz Europa. Die ungeschützten (prekären) Arbeitsverhältnisse nehmen zu. Die Anzahl der “Working Poor”, das sind Leute, die trotz Arbeit zum Leben zuwenig haben, steigt. Die triste Lage bei den Löhnen hat jetzt selbst die Gewerkschaftsspitze erkannt. Das Lob, das der Leitende ÖGB-Sekretär Richard Leutner vom KP-Spitzenkandidaten Mirko Messner für seine Feststellung erhielt, dass die Arbeitenden “heute netto real nicht mehr in der Geldbörse (haben) als 1995”, ist trotzdem fehl am Platz. Die Gewerkschaftsbürokratie ist es ja gerade, der wir mit ihrem sozialpartnerschaftlichen Kuschelkurs diese Entwicklung mitzuverdanken haben.
Weitere Angriffe werden kommen
Trotzdem müssen wir mit weiteren Angriffen auf die arbeitende Bevölkerung rechnen, egal wie die Wahlen im Oktober ausgehen werden. Weitere Privatisierungen bei Post, Telekom und Bahn, bei der E-Wirtschaft und beim Wasser versprechen hohe Profite auf Kosten von Arbeitsplätzen und bei Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen sowie im Dienstleistungsangebot. Auch bei Bildung und Gesundheit drohen Verschlechterungen im Angebot, bei der Finanzierung und bei Arbeitsplätzen und Löhnen. Die UnternehmerInnen werden zwecks Erhöhung ihrer Profite bei den KV-Verhandlungen weiter auf Zurückhaltung bei den Löhnen und auf Flexibilisierung – sprich Ausweitung – der Arbeitszeiten drängen. Einen Vorgeschmack dazu bekamen wir bereits mit dem KV-Ergebnis in der Elektro- und Elektronikindustrie. Die gewerkschaftlichen Verhandler haben einer Ausweitung der Bandbreite zugestimmt, sodass jetzt tägliche Arbeitszeiten bis zu 10 Stunden möglich sind.Kämpferische und demokratische Gewerkschaften sind notwendigDarum müssen wir uns auf die Organisierung von Widerstand dagegen vorbereiten. Was wir also brauchen, sind solche neuen Gewerkschaften: sie müssen uns Arbeitenden eine Struktur geben um die auf uns zukommenden Angriffe abzuwehren. Und sie müssen für unsere Bedürfnisse nach sicheren Arbeitsplätzen und einem menschenwürdigen Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen.Wir sind keine Illusionisten, die meinen, der ÖGB (gemeint ist damit der Apparat) werde sich schlagartig um 180 Grad verändern. Die Gewerkschaftsspitze zeigt bisher – wie gehabt hinter verschlossenen Türen ohne Einbeziehung der Basis – keinen wirklichen Reformwillen. Alles soll bleiben wie es ist. Doch es ist etwas in Bewegung gekommen. Die Gewerkschaftsbürokratie hat zum Teil ihre Glaubwürdigkeit verloren und kann die Gewerkschaftsbasis nicht mehr so unter Kontrolle halten wie bisher. Selbst Teile des Apparats haben erkannt, dass Veränderungen notwendig sind, auch wenn ihre Vorschläge oft auf halbem Weg stehen bleiben. Die Rede ist hier z.B. von den Initiativen “Zeichen setzen” und “Zeichen setzen und mitreden”. Die SLP beteiligt sich außerdem schon seit längerem an der “Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften” die für grundlegende Veränderungen eintritt.
In diesen Prozess können und müssen aktive, kämpferische GewerkschafterInnen eingreifen und aufzeigen, dass die Politik der Sozialpartnerschaft und die Abgehobenheit der Bürokratie eine wirksame Verteidigung bei den bevorstehenden Angriffen verhindert. Stattdessen ist die Orientierung auf Arbeitskämpfe unvermeidlich.
Dazu sind mehrere Maßnahmen notwendig:
- Rund um ein Forderungs-programm braucht es einen Zusammenschluss und die Vernetzung der kämpferischen GewerkschafterInnen über die Fraktionsgrenzen hinweg auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Ein solches Programm kann die folgenden Punkte umfassen: nach Arbeitszeitverkürzung und Mindestlohn, echte Reallohnerhöhungen und Mindestbeträge, stärkere Anhebung der Frauenentlohnung, Absicherung und Ausbau des Sozialstaats, Nein zu Privatisierung, gleiche soziale und demokratische Rechte für InländerInnen und MigrantInnen, für eine Gesellschaft, in der nicht die Profite einiger Weniger sondern die Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung.
- Die KollegInnen in den Betrieben und gewerkschaftlichen Strukturen auf die bevorstehenden Angriffe vorbereiten und anhand konkreter – auch internationaler – Beispiele aufzeigen, wie Widerstand erfolgreich organisiert werden kann und dort, wo dies möglich ist, zusätzlich gewerkschaftliche Aktivgruppen aufbauen.
- Aktives Eingreifen bei bzw. Initiierung von Arbeits-kämpfen und sonstigem gewerkschaftlichen und politischen Widerstand.
- Kämpferische GewerkschafterInnen unterscheiden sich in ihrer Arbeitsweise von herkömmlichem Gewerkschaftertum, indem sie nicht “für” und “statt” der Kollegenschaft sondern “mit” diesen operieren. Das bedeutet Organisierung von Betriebs- bzw. gewerkschaftlichen Vollversammlungen und Urabstimmungen bei wichtigen Fragen.
In Wien und Oberösterreich (Linz) existieren bereits die solche Plattformen für kämpferische und demokratische Gewerkschaften. Die nächsten notwendigen Schritte werden die Konsolidierung und Ausweitung auf weitere Bundesländer und eine österreichweite Konferenz gegen Ende des Jahres auch in Hinblick auf den ÖGB-Kongress im Jänner des nächsten Jahres sein.