Mi 20.09.2017
FahrerInnen der slowenischen Firma Arriva organisierten von 4. bis 14. September einen Streik für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Bezahlung und Einhaltung von Sicherheitsstandards. Die Arriva Gruppe gehört der Deutschen Bahn und ist ein typisches Beispiel dafür, wie westliche Firmen ArbeiterInnenrechte am Balkan mit Füßen treten.
Wir veröffentlichen ein Interview mit Endre Mesaroš, Präsident der Gewerkschaft der BusfahrerInnen Sloweniens, das während des Streiks aufgenommen wurde. Endre Mesaroš wurde aufgrund seiner gewerkschaftlichen Aktivität gefeuert.
Seit dem Interview hat die Gewerkschaft sich mit Arriva über eine Erhöhung des Stundenlohns geeinigt (weitere Details des Deals wurden nicht veröffentlicht). Obwohl viele Forderungen nicht erfüllt wurden, wurde der Streik beendet, aber weitere Konflikte sind nicht ausgeschlossen.
Sie befinden sich im Moment seit über einer Woche im Streik. Worum geht es in diesem Streik?
Die Geschäftsleitung weigert sich, die Probleme im Unternehmen zu diskutieren, wie der große Druck, der auf den Fahrern lastet, das steigende Arbeitspensum bei keiner gleichzeitigen Lohnerhöhung und der Druck der Geschäftsleitung auf die Fahrer, die Fahrtenschreiber zu verfälschen.
2012 und 2013 wurde die Zusatzpensionsversicherung des Unternehmens mit der Erklärung gestrichen, dass Fahrer, die es nicht schaffen, mindestens 60000 km pro Jahr zu fahren, und die nicht mindestens 80% ihrer Arbeitszeit an ihrem eigentlichen Arbeitsplatz (sprich im Bus, ohne Berücksichtigung der Wartezeiten zwischen den Fahrten beispielsweise.) nicht anspruchsberechtigt sind. Diese Kriterien sind unrealistisch, da es unmöglich ist, beispielsweise so viele Kilometer im Stadtverkehr zu erreichen: auch das Unternehmen, das sich mit dem Personentransport in Ljubljana befasst, hat dies bereits festgestellt.
Die Gesetzgebung ist auch Teil des Problems. Es gibt zwei Verordnungen, die die Rechte und Pflichten von Kraftfahrern festlegen: eine bezieht sich auf Kurzstreckenfahrer, die max. 50 km in eine Richtung fahren, während die andere für alle gilt, die über 50 km fahren. Die Unternehmensführung verletzt diese Verordnungen, indem sie Gesetzgebung der Kurzstreckenfahrer auch für jene, die mehr als 50 km fahren, anwendet.
Die Busflotte des Unternehmens ist veraltet: Das Unternehmen kauft Ausschussfahrzeuge mit einem Kilometerstand von über einer Million. Das ist unsinnig: Fahrzeuge mit einem Kilometerstand von einer halben Million zeigen bereits eindeutige Anzeichen von Abnützung und werden abgeschrieben. Doch Arriva kauft sie und versäumt es dann, sie ordnungsgemäß in Stand zu halten. Diese Busse werden dann für den Transport von Schulkindern, Touristen, ArbeiterInnen und anderen Menschen verwendet.
Wir fordern, dass:
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Die Unternehmensführung alle Sanktionen gegenüber den Gewerschaftsmitgliedern fallen lässt!
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Die Unternehmensführung die Zusatzpensionsversicherung für alle Arbeiter, die mehr als 80% ihrer Arbeitszeit auf ihrem Arbeitsplatz* verbringen, wiedereinführt!
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Die Unternehmensführung die gesetzlichen Regelungen für Kurz- und Langstreckenfahrer befolgt.
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Der Stundenlohn auf 7 Euro erhöht wird,
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Das Management einen Kollektivvertrag für alle Arriva Beschäftigten entwirft, inklusive Vereinbarungen über Beförderungen und faire Bezahlung
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das Management sich an alle Bestimmungen hält, die Ausstattung und Bustransport betreffen
Welche Leistungen bietet die Firma an und welche Eigentümerstruktur steckt hinter Arriva?
Arriva Slowenien stellt Kurz- und Langstreckentransport für SchülerInnen, ArbeiterInnen und TouristInnen zur Verfügung. Sie hat den größten Marktanteil im Transport über öffentliche Straßen und besitzt 500 Busse mit über 20.000 Sitzen.
Die Gruppe besteht aus 4 regionalen Tochterunternehmen (Arriva Štajerska, Arriva Dolenjska, Arriva Primorska and Alpetour). Sie sind Teil von Arriva International Ltd International group, mit Sitz in Sunderland in Großbritanien, mit Ablegern in vierzehn europäischen Ländern außerhalb Deutschlands, und einem Bestand von insgesamt 19.500 Bussen. Arriva International gehört der Deutschen Bahn, deren Hauptfokus auf Logistik liegt. Die Deutsche Bahn wollte schon die Slowenische Eisenbahn (Slovenske železnice) und den Hafen von Koper (Luka Koper) kaufen. Das war auch der Grund, aus dem der Premierminister Pahor vor ein paar Jahren, auf den Vorschlag des deutschen Beraters Helmut Mehdorn hin, die Idee einer Holding förderte - zwischen diesen zwei Logistik Firmen und Intereuropa, einer anderen großen Logistikfirma.
Macht Arriva Profite?
Um ein gutes Beispiel zu geben: Es gibt 10 FahrerInnen auf der Route zwischen Koper und Piran, zwei kleinen slowenischen Küstenstädten, jeder von ihnen erwirtschaftet zwischen 40 und 50 Tausend Euro im Jahr, das ist eine halbe Million, die allein auf diesen Linien gemacht wird, und das ohne die Monatstickets und die Tickets, die direkt an den Busstationen gekauft werden, zu berücksichtigen.
Die Arriva Gruppe hat letztes Jahr insgesamt 3,5 Millionen Reingewinn erwirtschaftet. Das ist ziemlich umstritten, sogar illegal, weil sämtliche Transportdienste, die Arriva anbietet (außer dem Transport für TouristInnen) gefördert werden, was bedeutet, dass sie keinen Profit erwirtschaften sollten. Ich verstehe nicht, warum die Behörden nicht darauf reagieren.
Wie läuft der Streik?
Es gibt ca. 950 ArbeiterInnen, die für die Firma arbeiten, von denen ca. 570 BusfahrerInnen sind – 70% von denen sind im Streik. Das Management bedroht die ArbeiterInnen, indem es Nachrichten an ihre Arbeitstelefone verschickt, die den Streik als Illegal bezeichnen, damit drohen, dass die ArbeiterInnen sowohl vor dem Zivilgericht als auch vor dem Strafgericht für die Teilnahme am Streik verklagt werden und dass ihre Verträge aufgelöst werden. Ähnliche Nachrichten wurden auch auf der Pinnwand in der FahrerInnenzentrale veröffentlicht.
Sie haben Benachrichtigungen über den Streik von den Bussen entfernt, die Security eingesetzt, während der CEO der Firma Bo Karlsson gleichzeitig arrogant verkündet hat, dass er sich weigert, mit „Erpressern“ zu verhandeln.
Es hat keine Entwicklung in den Verhandlungen mit der Geschäftsleitung gegeben, sie sind nur daran interessiert, die gesetzlich festgelegten minimalen Transportleistungen auch während dem Streik aufrecht zu erhalten. Bis zu diesem Tag (Montag, 11. September, 2017) haben wir, als Zeichen unserer Kooperationsbereitschaft, mehr als das geleistet: zusätzlich zu dem Transport zu Schulen und zur Arbeit haben wir auch den Transport zu Gesundheitseinrichtungen organisiert. Ab heute werden die FahrerInnen im Streik nur noch das gesetzlich festgelegte Minimum an Transporten zu Schulen und Arbeitsplätzen leisten. Letzte Woche haben die streikenden ArbeiterInnen in Kranj einen spontanen Protest organisiert.
Welche Rolle spielen die politischen Parteien und die Regierung?
Weder der Transportminister, der verantwortlich für den Bereich des öffentlichen Verkehrs ist, der verantwortlich ist, noch die slowenische Regierung haben bisher reagiert.
Erhaltet ihr Solidarität von Gewerkschaften oder anderen Organisationen?
Es gab eine große Reaktion von Gewerkschaften aus dem In- und Ausland; einschließlich der Gewerkschaft der Postbediensteten; Schiffsarbeiter; Minenarbeiter; Sozialarbeiter; Beamte; Feuerwehrleute; Polizisten; Verkäufer; Universitätsangestellte; Journalisten; Versicherungsmakler; Arbeiter im Gesundheitsbereich und viele andere. Sie senden uns Solidaritätsbriefe, die wir auf unserem Facebookprofil veröffentlichen und sie haben an die Geschäftsführung von Arriva Slovenia geschrieben und sie dazu aufgefordert, die Behinderung der Aktivität unserer Gewerkschaft zu unterlassen, zu der wir verfassungsrechtlich berechtigt sind und forderten sie auf, unsere Forderungen zu erfüllen.
Wir haben keine Unterstützung von den beiden zuständigen Gewerkschaften in der Firma bekommen, sie bleiben dem Management treu. Das Management hat vorgeschlagen, dass diese beiden Gewerkschaften an den Verhandlungen teilnehmen sollen, aber wir wehren uns gegen diese Möglichkeit. Wenn wir es schaffen, eine Erhöhung des Stundenlohns zu erreichen sind wir bereit, den Streik vorübergehend bis Neujahr zu beenden und gemeinsam mit anderen Gewerkschaften die Verhandlungen für einen neuen Kollektivvertrag aufzunehmen.
Danke für das Interview!