Mi 10.07.2013
In den vergangenen Tagen sind die weltweiten Finanzmärkte erneut schwer erschüttert worden. Zuerst war da die Ankündigung der US-Notenbank „Fed“, die letzten Mittwoch (19. Juni) in Aussicht gestellt hat, sie könne zum Jahresende hin ihre Politik der günstigen Kredite, die sogenannte „quantitative Lockerung“, beenden. Und dann, einen Tag später, waren die Finanzmärkte wie benommen, weil die Liquiditätskrise das staatliche chinesische Bankensystem ergriff und die Großbanken es praktisch ablehnten, sich gegenseitig Geld zu leihen. Diese „Kreditklemme“ ist Ausdruck der stärker werdenden Sorgen um den nicht mehr haltbaren Anstieg der Schulden, die sich in allen Bereichen der chinesischen Volkswirtschaft auftürmen, und die zunehmende Abhängigkeit vom undurchsichtigen und deregulierten Schatten-Bankensektor.
Die US-amerikanische Zeitung „The Washington Post“ sah „eine schlimme Parallele zu den Anfängen des US-amerikanischen Finanzkollapses“, weil die Geldmärkte in China einfroren und die Zinsen für Übernachtkredite zwischen den Banken auf Rekordniveaus schossen. „Bis vor wenigen Tagen war die Vorstellung, dass China unmittelbar einer Finanzkrise zum Opfer fallen könnte, eine Annahme, die nur die mutigsten Pessimisten wagten“, so der Kommentar von Simon Rabinovitch, Korrespondent der „Financial Times“ in Shanghai (21. Juni 2013). „Aber als die Geldmarkt-Zinsen für kurzfristige Kredite am Donnerstag auf 28 Prozent emporschossen, schienen Krisenvorhersagen plötzlich nicht mehr so abwegig“, fügte er hinzu.
Die Kosten für das Kreditgeschäft zwischen den Banken sanken zwar nach dem Eingreifen der Zentralbank wieder etwas gegenüber ihrem Höchststand, doch verharrten am Montag, dem 24. Juni, weiterhin auf einem Niveau, das Kreditvergabe praktisch ausschließt. Das hat an den weltweiten Börsen zu erneuten gepfefferten Einbußen geführt. Der Börsenindex von Shanghai büßte am 24. Juni um 5,3 Prozentpunkte ein, wodurch sich der Markteinbruch über die letzten vier Wochen nun auf beinahe 20 Prozent beziffern lässt. Auch andere Börsen verzeichneten umfassende Einbrüche. In den letzten fünf Jahren war Chinas Wirtschaft der wichtigste Motor für globales Wachstum. Die Weltmarktpreise für Energie und Rohstoffe waren daher hoch und es gab ein Gegengewicht zur Rezession in den älteren Industrieländern.
Herabstufung der BIP-Prognosen
Seit Einsetzen der globalen Finanzkrise vor fünf Jahren ist der Kapitalismus im Weltmaßstab von einer beispiellosen Flut billiger Kredite abhängig geworden, die für das Profitsystem mittlerweile eine „lebenserhaltende Maßnahme“ darstellen. Die Aussicht, dass die Zentralbanken jetzt diese Anreize im Geldgeschäft abwürgen, hat die Finanzmärkte wiederum in Panik versetzt. Der jüngste Aufruhr im chinesischen Finanzsektor folgte auf wochenlange düstere Wirtschaftsdaten, die für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt einen beschleunigten ökonomischen Abkühlungsprozess bestätigten. Alle wichtigen Konjunkturbeobachter, darunter gerade erst der IWF, haben ihre Prognosen für Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) herabgestuft. Bei der letztjährigen Zunahme des chinesischen BIP um 7,8 Prozent hatte es sich bereits um das geringste Wachstum seit 13 Jahren gehandelt. Doch die Zahlen für das erste Halbjahr 2013, die Ende der Woche veröffentlicht werden sollen, werden wahrscheinlich auf eine weitere Abschwächung hindeuten. Viele AnalystInnen zweifeln jetzt daran, dass China 2013 das von der Regierung ausgegebene Ziel von 7,5 Prozent BIP-Wachstum für 2013 erreichen wird. Die Unbeständigkeit im Bankensektor führt nur dazu, dass die Unsicherheiten noch viel größer werden. Damit wären für die gesamte, globale, kapitalistische Wirtschaft schlimme Folgen verbunden.
Verschiedene Faktoren erklären die Liquiditätskrise, die die Zinsen für Kredite zwischen den Banken in die Höhe schnellen ließ. Die Banken in China tun alles dafür, ihre Bilanzen zu schönen, um am Quartalsende gut dazustehen. Hinzu kommt, dass Ende Juni sogenannte „wealth management products“ (Finanzprodukte im Bereich der Vermögensverwaltung; Anm. d. Übers.) im Wert von rund 1,5 Billionen chinesischen Yuan fällig werden. Diese komplexen und in vielerlei Hinsicht den „Subprime“-Finanzprodukten ähnelnden Werte haben sich in den letzten Jahren stark vermehrt, weil die Banken neue Wege entwickelt haben, um den Kreditbeschränkungen der Regierung aus dem Weg gehen zu können. Das ist auch der Grund dafür, weshalb die Zentralbank es in diesem Fall abgelehnt hat, den Bankhäusern durch Zurverfügungstellung zusätzlicher liquider Mittel zu Hilfe zu kommen.
Diese Situation wurde allem Anschein nach von der Regierung und der Zentralbank PBOC eingefädelt. Die BBC bezeichnete dieses Vorgehen schon als „eine Art staatlich geförderte Kreditklemme“. Die Frage lautet: Warum hat man zu solch drastischen Maßnahmen gegriffen? „Führende chinesische Politiker scheinen ein Desaster verhindern zu wollen, indem sie die Blase im Grunde zum Platzen bringen. Eine Form von kontrolliertem Mini-Kollaps soll helfen, den großen Knall zu verhindern“, hielt Max Fischer in der „Washington Post“ (20. Juni 2013) fest. Insbesondere die Regierung hat in letzter Zeit verschiedene Maßnahmen ergriffen, um der Ausbreitung der „wealth management products“ einen Riegel vorzuschieben. Diese sind ein wesentlicher Bestandteil des Schatten-Finanzsystems und belaufen sich Schätzungen zufolge auf insgesamt 13 Billionen Yuan (~ 2,1 Billionen US-Dollar).
Sollte dem wirklich so sein, dann hat sich die PBOC für eine höchst riskante Strategie entschieden. Auch wenn man die Situation nicht eins zu eins mit dem Fall „Lehman Brothers“ aus dem Jahre 2008 vergleichen kann, der eine weltweite Kreditklemme und einen Finanz-Crash auslöste, so ging die Entwicklung doch auch auf das Handeln von PolitkerInnen und ZentralbankerInnen zurück, die in dem Fall eine Bankenrettung abgelehnt hatten und damit versuchten, den Finanzmärkten Disziplin beizubringen. Craig Stephen vom „Wall Street Journal“ kommentierte hinsichtlich der Haltung Pekings: „Dies sieht allermindestens nach einer waghalsigen Methode aus, mit der die Märkte zur Disziplin erzogen werden sollen: Damit riskiert man, dass eine Zahlungsunfähigkeit oder ein Gerücht zu ungewollten, viel weitgehenderen systematischen Problemen führen“. Das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ beschrieb das Ganze als „schrecklich unbeholfene Art, die Ausdehnung der Kredite in den Griff bekommen zu wollen“.
Die Vorstellung, wonach Chinas selbsternannte „kommunistische“ Herrscher von der „Kommunistische Partei Chinas“ (KPC) alles unter Kontrolle hätten, hat sich als Trugschluss erwiesen. Denn wie Rabinovitch von der „Financial Times“ ebenfalls feststellt: „Eine dritte Schlussfolgerung aus dem ganzen Spektakel der letzten Woche lautet, dass Peking weit davon entfernt ist, allmächtig zu sein, wenn es ums Management der chinesischen Volkswirtschaft geht“.
In den vergangenen zehn Tagen ist es häufiger vorgekommen, dass die chinesischen staatlichen Medien von Gerüchten über die Pleite einer mittelgroßen Bank und eine Reihe von Zahlungsausfällen lokaler Regierungsstellen berichteten, die mit Investitionsprojekten für „Geisterstädte“ in den Provinzen in Verbindung stehen würden, unter anderem in Shandong und der Inneren Mongolei. Die Intensität dieser Gerüchteküche zwang die „Bank of China“, eine der vier Großbanken des Landes, zu dementieren, dass sie eine ihrer Kredite nicht mehr bedienen könne. Noch beunruhigender ist ein „Bloomberg News Bericht“ vom 20. Juni, in dem davon die Rede ist, die Zentralbank habe mit 8,2 Milliarden US-Dollar eingegriffen, um der „Industrial and Commercial Bank of China“ (ICBC) „Entlastung“ zu verschaffen. Bei ihr handelt es sich um die größte Bank der Welt.
Während sich die undurchsichtige Natur des chinesischen Bankensystems hervorragend eignet, um Gerüchten Nahrung zu geben, und man wahrscheinlich nie ein klares Gesamtbild von der Bankenlandschaft bekommen wird, sieht es danach aus, dass die zentralen Stellen mit den nominell unter ihrer Kontrolle stehenden Banken ein gewagtes Spiel spielen. Sie drehten in der letzten Woche als Warnung den Geldhahn zu, damit die überbordende Ausweitung der Kreditvergabe gedrosselt und der zunehmende Rückgriff der Bankhäuser auf das Schatten-Bankensystem gedämpft werden.
Schuldenkrise
Was auch immer unmittelbar dabei herauskommen wird: Das Drama der letzten Tage ist eine eindeutige Warnung, dass in China mittlerweile massive und nicht mehr tragbare Ungleichgewichte im Finanzsektor entstanden sind.
„Ich glaube, was die Leute nicht wirklich begreifen, ist, dass das Ausmaß des Ganzen nicht mehr nur eine Liquiditätskrise sondern eine Schuldenkrise beschreibt. Es geht also nicht um etwas, das verschwinden kann“, argumentiert die Pekinger Wirtschaftswissenschaftlerin Anne Stevenson-Yang. „Sie sind nun in einer Situation, in der sie die komplette Wirtschaft nur noch auf Schulden basiert am Laufen halten.“
Auch wenn China aufgrund des hohen Grads an Staatseigentum im Bankensystem und der Wirtschaft besondere Mittel der Intervention zur Verfügung hat und darüber hinaus eine Diktatur, die die Staatsgeschäfte führt, erlaubt dies ihnen dennoch nicht, die wirtschaftliche „Schwerkraft“ außer Kraft zu setzen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch in China zu einer Finanzkrise kommt. Der Grund dafür sind die massiven Schuldenstände, vor allem seit dem monströsen Konjunkturpaket des Regimes von 2008 im Umfang von vier Billionen Yuan (~ 650 Milliarden US-Dollar). Diese an sich schon enorme Gesamtsumme war nur die Spitze des Eisbergs gemessen an der sich anschließenden Ausweitung der Kreditvergabe, die laut dem jüngsten Bericht der Ratingagentur „Fitch“ „beispiellos in der modernen Weltgeschichte“ ist.
Der „Fitch“-Report stellt fest, dass sich Ende 2012 die offenen Kredite der chinesischen Banken und der Schatten-Finanzinstitutionen auf 200 Prozent des BIP beliefen. 2008 betrug dieser Wert noch rund 125 Prozent. Das staatliche „China Securities Journal“ hat eine noch höhere Zahl veröffentlicht. Demnach beträgt die Gesamtsumme aller im Finanzsystem laufender Kredite 221 Prozent des BIP. In absoluten Zahlen ausgedrückt stieg die Kreditsumme von neun Billionen US-Dollar im Jahr 2008 auf 23 Billionen US-Dollar im vergangenen Jahr. „Sie haben das gesamte US-amerikanische Geschäftsbankensystem innerhalb von fünf Jahren reproduziert“, so Charlene Chu, die „Fitch“-Bereichsleiterin für Peking.
Die Zentralgewalten haben die Kontrolle über diese Kreditausweitung verloren, und die bisherigen Versuche der Regierung, auf die Bremse zu treten, haben sich als unbrauchbar erwiesen. Allein im ersten Quartal 2013 wurden in China 7,5 Billionen Yuan (~ 1,2 Billionen US-Dollar) für neue Kredite in Umlauf gebracht. Wie Tom Holland in der „South China Morning Post“ (25. Juni 2013) darlegt: „Das ist mehr neuer Kredit als die Summe, die im ganzen Jahr 2007, dem Höhepunkt des immensen Olympia-Investitions-Booms, geschöpft wurde“.
Unterdessen sind umfassende neue Kredit-Spritzen nötig geworden, um sicherzustellen, dass alte Kredite nicht abgeschrieben werden müssen, was eine Welle von Firmenpleiten und Zahlungsunfähigkeiten unter Chinas hoch verschuldeten Kommunalregierungen ausgelöst hätte. Einer Studie der französischen Geschäftsbank „Société Générale“ zufolge liegen die Zinsforderungen an die chinesischen Unternehmen bei zusammengenommen einer Billion US-Dollar allein in diesem Jahr. Das ist mehr als jede andere Volkswirtschaft der Welt vorzuweisen hat.
Da die massiven Überkapazitäten in der Industrie die Profite beschneiden, ist ein Gutteil dieser neuen Kredite in Spekulationsgeschäfte geflossen: Immobilien, Rohstoffe oder neue Formen der Schattenfinanzwirtschaft. Das hat zu einer Blase in der Finanzwirtschaft geführt. Bei Chinas Immobilienmarkt handelt es sich um die größte Immobilienblase der Geschichte. Die Folge davon ist, dass riesige Häuserzeilen mit bezugsfertigen Wohnungen einfach leer stehen, und ganze „Geisterstädte“ die Landschaft verschandeln.
Ausdehnung des Schatten-Bankensystems
Zwischen 2010 und 2012 verdoppelte sich der Umfang des Schatten-Bankensystems und umfasste nach Angaben des US-amerikanischen Bankhauses „JP Morgan Chase“ 36 Billionen Yuan. Das entspricht 69 Prozent des BIP. Die Schatten-Finanzwirtschaft besteht in erster Linie aus Krediten, die nicht in den Bilanzen erscheinen, und Investmentprodukten, die von staatlichen Banken erdacht wurden, um den Kontrollen der Regierung entgehen zu können und ausgefallene Kredite zu verstecken. Charlene Chu von der Ratingagentur „Fitch“ schätzt, dass rund drei Viertel der im Schatten-Bankensystem vorgenommenen Transaktionen direkt oder indirekt mit den offiziellen Geschäftsbanken in Verbindung stehen. Über kurz oder lang, so meint sie, schafft dies bei den staatlichen Banken eine zweite, eine inoffiziell existierende Bilanz.
Die Ausdehnung des Schatten-Bankensystems deutet auf das Ausmaß hin, zu dem Chinas Volkswirtschaft bereits zum „Kredit-Junkie“ geworden ist, um aus einem jüngst erschienen „Bloomberg“-Bericht zu zitieren. Dadurch ist es möglich, sich auch dann quasi durch die „Hintertür“ einen neuen Kredit-„Schuss“ zu setzen, wenn die Regierungspolitik gerade darin besteht, den Zugang zu den Kapitalressourcen der offiziellen Banken zu beschränken. In den letzten Monaten hat sich das Wachstum der Schatten-Finanzwirtschaft beschleunigt und zeichnet mittlerweile sogar für die Mehrheit der ausgegebenen Kredite verantwortlich.
In den ersten fünf Monaten dieses Jahres hat die gesamtgesellschaftliche Finanzvergabe, womit die Anzahl aller ausgegebenen und angenommenen Kredite gemeint ist, im Vergleich zu 2012 um 52 Prozent zugenommen. Und zwei Drittel stammen aus der Schatten-Finanzwirtschaft. Das ist ein sicheres Zeichen für eine bevorstehende Krise und erklärt, weshalb die Zentralbank in der vergangenen Woche zu solch drastischen Maßnahmen gegriffen hat.
Der Ökonomie droht Ungemach
Die Kreditklemme folgt einem ganzen Schwall an düsteren Nachrichten zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung auf dem Fuße. Die in der letzten Woche veröffentlichen Statistiken legen den Schluss nahe, dass die Produktion in Chinas verarbeitendem Gewerbe im Juni auf ein Neun-Jahres-Tief abgefallen ist. Der „Einkaufsmanagerindex“ (PMI, Frühindikator für die wirtschaftliche Aktivität; Erg. d. Übers.), den der britische Finanzdienstleister HSBC ermittelt, sank diesen Monat auf 48,3 Punkte. Im Mai hatte er noch bei 49,2 Punkten gelegen – und Werte unterhalb der 50-Punkte-Marke deuten auf „negatives Wachstum“ hin. Dabei beschränkt sich die Flaute nicht „nur“ auf den Bereich des produzierenden Gewerbes. Das in dieser Woche vorgelegte „China Beige Book“ (Jahreswirtschaftsbericht) führt aus: „Die Wirtschaft schwächelt in allen Bereichen. Die bis dato robusten Einzelhandels- und Dienstleistungssektoren beginnen nun einen Rückgang ihrer Einnahme-Wachstumszahlen festzustellen“.
Es ist offensichtlich, dass das Mini-Konjunkturprogramm, das letzten Sommer aufgelegt wurde und einen Gegenwert von rund 160 Milliarden US-Dollar hatte, bereits wirkungslos geworden ist. Eigentlich sollte damit kurz vor Beginn des 18. Parteitags der KPC das Wirtschaftswachstum angeregt werden. Dies deutet auf ein weiteres schwerwiegendes Problem hin: Frisches Kredite führen zu immer geringeren Erträgen. „In den vergangenen fünf Jahren ist das zusätzliche BIP-Wachstum, das mit jedem zusätzlichen Yuan Kredit erzeugt wurde, von 0,85 auf 0,15 gesunken. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Lage erschöpft ist“, so Ambrose Evans-Pritchard in „The Telegraph“ (16. Juni 2013).
Das Wirtschaftsblatt „The Financial Times“ interpretierte die rigide Haltung der Zentralbank als „sowohl gute als auch schlechte Nachricht“. Sie hofft, dass dieses Vorgehen einen schwerwiegenden zukünftigen Kollaps im Kreditwesen verhindern könnte. Die Zeitung fügte aber hinzu: „Einen Kredit-Boom in den Griff kriegen zu wollen, ist immer riskant. Vor allem, wenn – wie im Falle Chinas – ein Großteil davon auf Geschäften basiert, die nicht in den Bilanzen erscheinen, oft auf Schneeballsystemen beruhen und auch noch im Zusammenhang mit unsicheren Liquiditätsbedingungen stehen. Die Verbindung von strengeren Vorschriften und geringer Zurverfügungstellung liquider Mittel für diese Märkte bringt die Gefahr einer Fehlkalkulation oder eines Zufalls, der zu genau der Instabilität führen kann, die die Behörden eigentlich vermeiden wollten“.
Selbst wenn die chinesische Zentralbank ihren derzeitigen Konflikt mit den Banken „gewinnt“ und darin erfolgreich sein sollte, auf diese Weise zu mehr Kredit-Disziplin beizutragen, so wird dies die Kosten für Kredite in die Höhe treiben. Das bedeutet eine bittere Medizin für die gesamte Wirtschaft und einen weiteren Fall der BIP-Wachstumsrate. Der Markt für Firmenanleihen ist bereits in Mitleidenschaft gezogen worden, was die Kosten, die die Unternehmen zur Kapitalbeschaffung aufwenden müssen, noch vergrößert. Entsprechend warnt die japanische Bank „Nomura“: „Wir erwarten für die nächsten Monaten einen schmerzhaften Prozess der verminderten Kreditvergabe. Wahrscheinlich wird es im Bereich des produzierenden Gewerbes und unter den Finanzinstitutionen, die nicht zu den Geschäftsbanken gehören, zu einigen Finanzausfällen kommen“.
Auch wenn der vollständige Ausbruch einer Finanzkrise fürs erste verhindert werden kann, so wiegen die derzeitigen, ihres gleichen suchenden Schuldenberge wie Blei auf den Schultern der gesamten Wirtschaft. So warnt Frau Chu von „Fitch“ denn auch: „Sie haben keine Möglichkeit, durch Wachstum aus ihren Vermögens-Problemen herauszukommen, wie es in der Vergangenheit noch möglich war. Wir gehen davon aus, dass es ganz anders ablaufen wird als die Bankenkrise der späten 1990er Jahre“.
In einem System, in dem die Mehrzahl der Betriebe in staatlicher Hand ist, wird das chinesische Regime nicht einfach daneben stehen und zusehen, wie die Banken zusammenbrechen. Es wird eingreifen, um – genau wie in den 1990ern – ins Trudeln geratene Institutionen vor dem Scheitern zu bewahren. Doch selbst wenn die Banken den Staat als Lebensader haben – was heute ein wesentlich kostspieligeres Unterfangen als noch vor 15 Jahren darstellt – so kann dies wie eine gigantische Last auf zukünftiges Wirtschaftswachstum drücken. Das bedeutet auch, dass man der Bevölkerung Chinas enorme Kosten auferlegen wird – vor allem den ArbeiterInnen, BäuerInnen und Armen. Dies würde durch eine steigende Inflation, Steuererhöhungen sowie neoliberale „Umstrukturierungen“ im öffentlichen Dienst vonstatten gehen. China riskiert, auf „gefährliche Weise dem Beispiel Japans in den 1980er Jahren zu folgen. Damals hatten wir es mit einer Volkswirtschaft zu tun, in der eine Investitionsblase enormen Ausmaßes eine ganze Generation matt setzte und das Wachstum merklich schrumpfte“, warnt der BBC-Wirtschaftsredakteur Robert Peston.
Das Spiel, das die Zentralbank derzeit spielt, passt zur PR-Kampagne der neuen KPC-Führung. Xi Jinping und Li Keqiang wollen zeigen, dass sie zu Beginn ihrer Herrschaft ernst machen. Laut Medienberichten planen sie für die Sitzung des Zentralkomitees in diesem Herbst ein umfassendes Programm pro-kapitalistischer Wirtschaftsreformen (unter Umständen ist das heutige Dilemma der Banken ein Beispiel für die stärkere Rolle der „Marktkräfte“, die sie unterstützen möchten). Doch mehr als alles andere fürchtet sich das Regime vor politischen Unwägbarkeiten und der Aussicht darauf, dass die Massen auf die Straße gehen. In anderen BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China; Anm. d. Übers.) ist das schon ein vertrautes Bild, wie das Beispiel der riesigen Protestbewegung in Brasilien zeigt. Die Führungsriege Chinas hat diese Entwicklungen mit Sicherheit ganz genau im Blick. Die derzeitige finanzielle Instabilität ist ein eindeutiger Beleg dafür, dass die Jahre des chinesischen „Wunders“ vorüber sind und der Diktatur der KPC eine turbulente und unsichere Zukunft bevorsteht.
Mehr Infos unter: http://chinaworker.info/