Di 04.12.2012
Es war kalt, es war laut es war kämpferisch. Zwischen 3.500 und 5.000 Landesbeschäftigte (von insgesamt 9.000) marschierten am Montag, dem 3. Dezember vormittags in drei Demonstrationszügen auf den Chiemseehof, den Sitz der Salzburger Landesregierung um gegen die Nulllohnrunde zu protestieren. Die Gewerkschaftsführung stellte sich gegen die Proteste und verweigert den KollegInnen die Streikfreigabe. Somit lautete die „offizielle“ Bezeichnung für die montägliche Aktion „öffentliche Betriebsversammlung“. Aber, was ist eine Demonstration von tausenden KollegInnen während der Arbeitszeit anderes als ein de-facto Streik?
Der Streiktag (die Betriebsversammlung)
Um 7:30 versammelten sich die ersten KollegInnen in der Christian-Doppler-Klinik (Landesnervenklinik) und marschierten gemeinsam zum Landeskrankenhaus, wo sie sich mit den dortigen KollegInnen zusammenschlossen. Der Demonstrationszug von mindestens 2.000 KollegInnen zog lautstark durch die Stadt und vereinigte sich auf der Staatsbrücke mit den KollegInnen aus der Landesverwaltung, den Straßenmeistereinen, dem Wirtschaftshof, etc. und zog von dort zum Chiemseehof. Dort kamen noch hunderte KollegInnen aus dem Landesklinikum St. Veit dazu, die gemeinsam mit Bussen angereist waren. Die Stimmung war außerordentlich kämpferisch. „Wir können und wir werden uns das schlicht nicht leisten.“ kommentierte eine Krankenpflegerin. Auf selbstgemalten Transparenten, im Gegensatz zu vielen Gewerkschaftsdemonstrationen gab es keine Hochglanz-bedruckten Transparente und Schilder, standen Slogans wie „Nulllohnrunde im ganzen Land? Unsere Antwort: Widerstand!“ bis hin zu „One Solution: Revolution!“.
Die Demonstration war ein Zeichen der kollektiven Stärke der KollegInnen. JedeR zeigte großen stolz auf seine/ihre KollegInnen, auf seine/ihre Abteilung, die sich in der Regel stark beteiligt hatte. Vielen wurde zum ersten Mal bewusst, wie viele KollegInnen er/sie eigentlich hat, die alle von den gleichen Angriffen betroffen sind und die, wenn sie gemeinsam kämpfen in der Lage sind die Kürzungen zurückzuweisen.
Die SLP nahm als einzige linke Organisation an den Protesten teil (niemand sonst hatte überhaupt einen Kommentar dazu) und erklärte sich mit den KollegInnen solidarisch. Bereits in den letzten Wochen hatte die SLP-Salzburg vor jeder Betriebsversammlung im Landeskrankenhaus und bei den anderen Landesbetrieben Flugblätter verteilt, den KollegInnen ihre volle Solidarität ausgedrückt und mit ihnen mögliche weitere Schritte diskutiert. Teilweise standen KollegInnen Schlange um auf der Demonstration die Flugblätter, in denen u.a. Vorschläge für unabhängige Streiks gemacht wurden, zu nehmen. Insgesamt wurden über 1.000 Flugblätter verteilt.
Die vereinigten Demonstrationszüge hielten eine längere Kundgebung im Chiemseehof ab, auf der BetriebsrätInnen sprachen und anhaltend die VertreterInnen der Landesregierung zum Herauskommen aufforderten. Landeshauptfrau Burgstaller (SPÖ) und ihr Stellvertreter Haslauer (ÖVP) ließen die KollegInnen erst ca. eine Stunde in der Kälte warten, bis sie geruhten ihre Büros zu verlassen und zu sprechen. Ihre Stellungsnahmen waren eine Beleidigung für die KollegInnen und wurden mit empörten Buhrufen und Pfiffen beantwortet. Burgstaller meinte, die Landesbeschäftigten sollten sich nicht aufregen, schließlich hätten sie ja „sichere Arbeitsplätze“. Diese Null-Toleranz-Politik gegenüber Fakten (nur noch ein Drittel der Landesbeschäftigten sind Beamte, in der Krankenhäusern sogar noch weniger), wurde darüber hinaus mit einem eindeutigen Transparent beantwortet: „Ein ‚sicherer Arbeitsplatz‘ macht meine Kinder nicht satt!“ Bewegung war von Seiten der Landesregierung keine zu sehen. Vielmehr wurden die demonstrierenden KollegInnen vor den Kopf gestoßen. Nach wenigen Minuten sahen sich Burgstaller und Co. gezwungen sich wieder in ihre warmen (und sicheren) Büroräume zurückzuziehen.
Nulllohnrunde und Einmalzahlungen
Das zwischen Bundesregierung und Gewerkschaft Öffentlicher Dienst abgeschlossene Abkommen über eine Nulllohnrunde für die Bundes- und Landesbeschäftigten würde für die KollegInnen in den Betrieben eine deutliche Verschlechterung bedeuten. Die Folge wäre angesichts der aktuellen Inflation ein deutlicher Reallohnverlust. Die Salzburger Landesregierung (SPÖ-ÖVP-Koalition) hat den Beschäftigten eine Einmalzahlung angeboten, die wenige Tage vor dem 3. Dezember noch von ca. drei auf über acht Millionen Euro erhöht worden war. Dass eine Einmalzahlung kein Ersatz für eine echte Lohnerhöhung ist, war für alle KollegInnen, die am Montag auf die Straße gingen völlig klar. Einmalzahlungen hätten weder eine langfristige Wirkung, noch wären sie pensionswirksam. Allerdings unterstreicht die Tatsache, dass die Landesregierung sich gezwungen sah das „Angebot“ zu erhöhen doch von ihrer Schwäche, bzw. von der Stärke der ArbeitnehmerInnen.
Für die KollegInnen ist es besonders empörend, das jüngst Spekulationsgeschäfte der Landesregierung (auf den Wert der türkischen Lira und des südafrikanischen Rand) bekannt wurden. Einhellige Meinung, die auch auf zahlreichen Selbstgemalten Transparenten zu lesen war: „Spekulationen mit Steuergeldern und Nulllohnrunde bei ArbeitnehmerInnen? Mit uns nicht!“
Rolle der Gewerkschaftsführung
„Die Gewerkschaftsbonzen haben uns verraten und verkauft. Jetzt müssen wir das alleine machen.“ Kommentierte ein Kollege aus der Straßenmeisterei das Verhalten der GÖD-Führung. Tatsächlich könnte die Rolle der GÖD-Führung nicht verheerender sein. Auf dem Rücken der KollegInnen und ohne Absprache mit den Betroffenen zu halten, stimmte GÖD-Chef Neugebauer einer Nulllohnrunde für die Öffentlich Bediensteten zu. Im aktuellen Konflikt spielt die GÖD, mit offensichtlicher Rückendeckung durch die ÖGB-Führung objektiv die Rolle einer gelben Gewerkschaft, einer Agentur der Bundesregierung. Laut einer Betriebsrätin des Landeskrankenhauses wurde einem Wiener Gewerkschaftsfunktionär, der sich solidarisch erklärte und am Montag nach Salzburg fahren wollte verboten zu sprechen. Er dürfe auf keinem Fall als Funktionär, sondern bestenfalls als Privatperson an der Demonstration teilnehmen. Bereits in der Vergangenheit, etwa bei der Auseinandersetzung um die ein-Prozent-Kürzung in Oberösterreich hat die Gewerkschaftsführung ihre bremsende Rolle klar gemacht (damals sowohl die FCG-geführte GÖD, als auch die FSG-geführte GDG) und den Streik in letzter Minute abgeblasen, ohne mit den KollegInnen Rücksprache zu halten.
Die aktuelle Situation hat in Bezug auf die Gewerkschaft unterschiedliche Folgen:
1. Die Protestaktionen wurden und werden ausschließlich von den BetriebsrätInnen bzw. der Personalvertretung organisiert. Diese stehen unter weitaus unmittelbarerem Druck durch die KollegInnen in den Betrieben, als dies bei der Gewerkschaftsführung der Fall wäre. Es ist möglich, dass dadurch ein fauler Kompromiss unwahrscheinlicher wird. Entscheidend ist es allerdings sämtliche Verhandlungsergebnisse einer Urabstimmung durch die KollegInnen zu unterziehen.
2. Die verheerende Rolle der Gewerkschaftsführung führt zu einer recht unverhohlenen allgemeinen Gewerkschaftsfeindlichkeit unter vielen KollegInnen, was in zahlreichen Gesprächen deutlich wurde. Ob aus dieser Situation heraus es zu vielen Austritten kommt, ist nicht bekannt, allerdings nicht unwahrscheinlich. Die Wut und der Frust vieler KollegInnen ist nachvollziehbar, der Wunsch auszutreten bis zu einem gewissen Grad auch. Entscheidend wäre es allerdings gerade jetzt innerhalb der Gewerkschaft aktiv einen Kampf um die Führung und um die politische Ausrichtung zu führen. Gewerkschaftliche Organisation ist schlicht notwendig, die Organisation darf nicht den Neugebauers und Foglars überlassen werden.
3. Wie bereits erwähnt verweigert die Gewerkschaft eine Streikfreigabe. Das heißt nicht, dass Streiks deshalb nicht möglich wären (auch wenn die Gewerkschaft oft anderes behauptet, Streiks sind "erlaubt", auch ohne Gewerkschaftsführung), allerdings gäbe es wohl kein Streikgeld. Das erschwert die Situation natürlich, denn es ist fraglich inwieweit „öffentliche Betriebsversammlungen“ einen vergleichbaren Druck ausüben können, wie dies ein gut organisierter und konsequenter Streik tun würde. Und zentral ist nun die Frage: Was sind die nächsten Schritte? Diese müssen von den KollegInnen und BetriebsrätInnen/PersonalvertreterInnen gemeinsam besprochen und beschlossen werden.
Politische Konsequenzen
Einige BetriebsrätInnen, die auf der Kundgebung im Chiemseehof sprachen, beantworteten die Beleidigungen durch Burgstaller und Haslauer mit „Wahltag ist Zahltag!“ Das traf zwar bei vielen KollegInnen auf Zustimmung, warf aber auch die Frage auf, wen man denn dann wählen solle. Daraus folgten zahlreiche Gespräche mit KollegInnen, für die durchwegs klar war: die bestehenden Parteien sind durchwegs gegen uns gerichtet, sie machen alle die gleiche Politik zu Ungunsten der Beschäftigten. Mittlerweile haben sämtliche etablierten Parteien auf Landes- und Bundesebene bewiesen, dass sie Sozialabbau-Parteien sind, die nur zu gern bereit sind Budgets auf Kosten der Beschäftigten zu sanieren. „Eigentlich bräuchte es so etwas, wie die Linke in Deutschland.“, meinte ein Kollege von den Straßenmeistereien „die würde ‚denen da oben‘ mal richtig zeigen, wie es geht. Die Parteien sind ja alle das gleiche korrupt Pack.“ Gäbe es eine starke Linke in Österreich, müsste sie in den aktuellen Kämpfen beweisen, auf wessen Seite sie steht. Sie könnte und sollte eine zentrale Rolle bei der Organisierung von Protesten und Widerstand spielen und ihn auf politischer Ebene weiterführen und unterstützten. Diese Linke gibt es in Österreich (noch) nicht. Sie muss erst aufgebaut werden. Wenn sich der Konflikt weiterentwickelt, kann er sich vermehrt auf politischer Ebene ausdrücken. Aufgabe von Linken ist es dann nicht nur konkrete Kampfvorschläge für die Lohn-/Gehaltsauseinandersetzung zu machen, sondern auch mit den KollegInnen gemeinsam politische Konsequenzen zu ziehen und mit ihnen Schritte zum Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei zu setzen.
Wie weiter für die Landesbeschäftigten?
Der Streik (öffentliche Betriebsversammlung) am Montag war ein unglaublich wichtiger Schritt. Den KollegInnen hat er Mut gegeben, sie konnten ihre Stärke zeigen und die Landesregierung weiß, dass sie mit vehementem Widerstand rechnen muss. Am Donnerstag, den 5.12. finden die nächsten Verhandlungen statt. Angesichts der Kommentare von Burgstaller und Co. vor der Kundgebung, ist es unwahrscheinlich, dass die Regierung schnell klein beigeben wird. Einige BetriebsrätInnen haben auf der Demonstration schon klar gemacht: „Wenn sich nichts tut, kommen wir nächsten Montag wieder.“ Das wäre gut und wichtig, kann aber ebenso nur ein weiterer (kleiner) Schritt sein. Wenn sich die Landesregierung nicht bewegt, ist es notwendig „härtere“ Kampfmaßnahmen zu organisieren. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Gewerkschaftsführung, sind Streiks auch ohne deren Zustimmung möglich. Zwar sind sie schwieriger zu organisieren, letztlich wird aber wohl keine Alternative übrig bleiben. Viele KollegInnen haben auf der Demonstration bereits eine sehr große Bereitschaft zu härteren Kampfmaßnahmen gezeigt. Ein Kollege aus dem LKH kommentierte die Demonstration: „Das ist gut, aber das wird wohl nicht reichen. Wenn es nach mir ginge, würden wir ab morgen unbefristet streiken und gleichzeitig der Chiemseehof besetzen, bis diese Arxxxlöcher klein beigeben.“
Streiks, etwa in Krankenhäusern sind mit Sicherheit schwerer zu organisieren, als dies etwa in der Verwaltung oder in der Industrie der Fall wäre. Es müssen Notdienste eingerichtet werden und eine Grundversorgung der PatientInnen, bzw. die Behandlung von Notfällen gewährleistet sein. Am Montag gab es zwar Notdienste, allerdings dürften diese nicht sehr effektiv organisiert worden sein. In den einzelnen Abteilungen gab es keine Organisierung. Die Abteilungsleitung verkündete nur, wie viele KollegInnen bleiben mussten, wer dann wollte bzw. sich überreden ließ blieb, die anderen gingen auf die Demonstration. Diese Organisierung kann kurzfristig funktionieren, längere und konsequentere Kampfmaßnahmen verlangen aber auch eine bessere Organisation. In den einzelnen Dienststellen und Abteilungen sollten Komitees gewählt werden, die sowohl die Organisierung des Streiks, als auch die Notversorgung der PatientInnen durchführt. Auch die Einbeziehung der PatientInnen und der Öffentlichkeit ist notwendig. Bereits jetzt zeigen die PatientInnen starke Solidarität. Einhellig berichteten die LKH-Beschäftigten, von Solidaritätsbekundungen durch die PatientInnen, manche hatten sogar gefragt, ob es irgendwie eine Möglichkeit gäbe, etwa mit Unterschriftenlisten, die Beschäftigten zu unterstützen. Diese Unterstützung ist von größter Bedeutung und muss gezielt aufgebaut werden. Eine solche Unterstützung kann auch bei öffentlichen Kindergärten, in Schulen, der Müllabfuhr und Behörden organisiert werden. In Wien z.B. sammeln Eltern bereits Unterschriften gegen die Nulllohnrunde in "ihren" Kindergärten.
Komitees in Dienststellen sollten demokratisch gewählt, jederzeit wähl- und abwählbar und nur den KollegInnen selbst verpflichtet sein. Sie sollten sich im ganzen Krankenhaus vernetzen und ein gemeinsames, demokratisches Streikkomitee bilden. Gemeinsam wird diskutiert, was die nächsten Schritte sind, wie Notdienste organisiert werden können, wie Solidarität in anderen Gewerkschaften, z.B. bei den BAGS-Beschäftigten, und bei KlientInnen und KundInnen organisiert werden kann.
Klar muss auch sein: jedes Verhandlungsergebnis muss eine Urabstimmung durch die KollegInnen unterzogen werden. Nach dem Verrat der Gewerkschaftsführung sind viele KollegInnen auch bewusst misstrauisch gegenüber allen Entscheidungen, die über ihren Köpfen gefällt werden. Schließlich geht es um ihren Lohn/Gehalt. Sie sollten gemeinsam entscheiden.
Die Proteste in Salzburg sind ein starkes Signal, sie können ein Startpunkt für eine österreichweite Bewgung gegen die Nulllohnrunde und Angriffe auf Löhne& Gehälter sein. In ganz Österreich haben sich KollegInnen im Öffentlichen Dienst gegen die Nulllohnrunde ausgesprochen. Sie warten darauf, dass es endlich Kampfmaßnahmen gibt. Die KollegInnen in Salzburg sollten auch einen Aufruf für eine österreichweite Demonstration oder einen österreichweiten Demonstrationstag gegen die Nulllohnrunde an KollegInnen in anderen Bundesländern richten!