Fr 27.01.2017
Am 17. Jänner verkündete die Duma, das russische Parlament, die Entscheidung den Paragraph aus dem Strafgesetzbuch zu nehmen, welches häusliche Gewalt kriminalisiert. Aus diesem Anlass nahmen AktivistInnen der "Sozialistischen Alternative", der russische Sektion des CWI, vor dem Gebäude an einem ‘individual picket’ genannten Protest teil. Kurz nach der Verlautbarung fegte eine Welle der Entrüstung durch die sozialen Netzwerke. ‘Individual picket’ ist jetzt die einzige offiziell erlaubte Form des Protestes und sollte den Vorläufer für größere Demonstrationen bilden. Beim ‘individual picket’ handelt es sich um eine Kundgebung von Individuen die mit Hilfe von Plakaten ihrer Meinung kundtun.
Die AktivistInnen hielten Plakate, auf denen stand: “Das Gesetz bietet keinen Schutz vor häuslicher Gewalt – es sollte Notlager in allen Regionen geben”. Eine vereinte Demonstration aller FeministInnen und Frauenorganisationen ist für den 28. Jänner geplant. Ursprünglich war ein Termin im Februar vorgesehen, weil die Gesetzgebung in Eile durchgepeitscht wurde, wurden die Proteste vorverlegt. Normalerweise findet die zweite Lesung des Gesetzesentschlusses erst einen Monat nach der ersten in der Duma statt, diesmal schon nach drei Tagen. Die Behörden erlauben keine Proteste dagegen mit der Begründung, dass daran “zuviele Personen” beteiligt sein könnten.
Laut offizieller Statistiken stirbt in Russland stündlich eine Frau an den Folgen häuslicher Gewalt. Durchschnittlich erleidet jeden sechsten Tag ein Kind aus den selben Gründen den Tod. Es ist anzunehmen, dass jedem Tod heftige Schläge vorausgegangen waren, diese werden in den Statistiken nicht erfasst. Die Frauen sind psychisch und finanziell abhängig von ihren Tyrannen, die Polizei zu involvieren löst die Probleme nicht. Diese reagiert in solchen Fällen meistens sowieso widerwillig Aussagen aufzunehmen. Oft verlangen sie von den Opfern ihre ‘häuslichen Probleme selbst zu lösen’. Die geplante Entkriminalisierung häuslicher Gewalt wird den Opfern jegliche Möglichkeit nehmen die Aggressoren zur Rechenschaft zu ziehen.
Allerdings sind dazu auch ‘gute’ Gesetze nicht in der Lage. Solche Personen können nur vor regulären Attacken beschützt werden wenn ein Netzwerk aus Frauenhäusern etc regional errichtet wird. Sämtliche von häuslicher Gewalt betroffen Personen würden wissen, dass Hilfe in der Nähe zu finden ist. Diese Frauenhäuser sollten auch professionelle psychologische Hilfe und Schutz, temporäre Unterbringung, Unterstützung bei rechtlichem Vorgehen, Hilfe bei der Jobsuche und Requalifikationsschulungen bieten. Häufig sind Frauen in dieser grauenhaften Situation, weil sie finanziell von ihrem Partner abhängig sind. Dies hindert sie daran wegzuziehen, einen Job zu finden und ihre Eigenständigkeit zu erlangen.
Ein Programm, um solche Frauenhäuser zu etablieren, sollte sofort vom Staatsbudget finanziert werden. Sie sind notwendig um die Symptome zu behandeln, nicht die Ursachen. Diese können nur durch direkter Konfrontation des Verursachers, dem Kampf gegen Sexismus und dem Patriarchat im kapitalistischen System eliminiert werden. In Russland verdienen Frauen für die selbe Tätigkeit wie Männer 30% weniger Gehalt. Sogar im neuen IT Sektor vergrößert sich die Ungleichheit. Hauptsächlich von Männern besetzte Berufe, wie Minenarbeit und Logistik, werden besser entlohnt als weibliche Arbeitsbereiche wie im Pflege- und Bildungswesen. Wir sollten alle Lohnabhängigen in dem Kampf für eine gleiche Entlohnung gleicher Arbeit vereinen.
Rechte PolitikerInnen argumentieren, dass Hausarbeit, die Erziehung der Kinder und die Erhaltung der Familie in den Händen der Frauen liegen sollte. Dies ist eine Ausrede weniger Geld in den Sozialbereich zu leiten. Wir brauchen gratis und frei zugängliche Kindergärten, komunales Essensausgaben und qualitative und staatliche Bildung und Gesundheitsversorgung. Die konservativen PolitikerInnen vergrößern die Kluft zwischen Männern und Frauen. Sie beziehen sich auf die alte reaktionäre Vorstellung, dass Frauen von Natur aus ‘passiv’ und Männer ‘aggressiv’ sind. In der täglichen Ausbildung begegnet uns Sexismus, welcher absichtlich Teil der reaktionären Bürokratiepolitik ist.
Rechtsruck
Präsident Putins’ bewusste Adaption der von ihm genannten ‘konservativen Tradition’ hat die Fesseln der ultra-rechten und klerikalen Mächte entfesselt, die kontinuierlich die Regierungspolitik übernehmen. Die im letzten Sommer ernannte Bildungsministerin wütet gegen die bolschevistische Oktoberrevolution 1917, ist aber Anhängerin Stalins und der Russisch Orthodoxen Kirche. Eine ihrer Positionen ist, dass Kinder mithelfen sollten die Schulen zu putzen. Der Wahlsieg Donald Trumps in den amerikanischen Präsidentschaftswahlen erlaubt Putin weitere Schritte nach rechts. Letzten Dezember wurde Putin von Mizulina, einer Partlamentsabgeordneten und bekannt für ihren Einsatz bei der Durchsetzung der neuen anti-LGBT Gesetze, gefragt, ob dieser öffentlich seine Unterstützung für die Entkriminalisierung von Gewalt bekunden könnte. Putin antwortete, dass er gegen die Einmischung in den private Angelegenheite sei. Nur Putin kann hinter der Entscheidung sein diese reaktionäre, frauenfeindliche Gesetzesänderung rasch durchzuführen. Der Kampf gegen die Entkriminalisierung häuslicher Gewalt sollte den Anfang einer breiten Frauenbewegung sein, die es ablehnt weiterhin von Männern dominiert zu werden. Gemeinsam mit einem Programm, die Gesellschaft radikal im Interesse der Mehrheit umzugestalten und mit Hilfe der ArbeiterInnenklasse können wir gewinnen.