Rechter Richtungsstreit

Franz Neuhold

Rechtsextremer Richtungsstreit

Der heftige Einbruch der FPÖ bei den Wiener Wahlen hat keineswegs nur den Ibiza-Skandal als Ursache.

Die Ursachen für die Krise der FPÖ sind vielschichtig. Bedeutende Teile ihrer rechtspopulistischen Politik und das Schauspiel der Schein-Opposition wurden schon vor längerem von der „neuen ÖVP“ angeeignet und angewandt. Dies hat wohl Langzeitfolgen. Doch mit einem Verschwinden des „Phänomens FPÖ“ ist vor dem Hintergrund von Wirtschaftskrise und Vertrauensverlust in die etablierte Politik keineswegs zu rechnen. Zu stark wirkt das seit Jahrzehnten verabreichte Gift von Rassismus und Entsolidarisierung.

Was in den 1990ern galt, gilt heute umso mehr: Nur soziale Bewegungen von unten können rassistische Spaltungen überwinden und der FPÖ (sowie allen Formen von Rechtspopulismus) das Wasser abgraben. Bis solche Bewegungen die Entwicklung dominieren, wird die FPÖ mit Schein-Opposition und „Kleiner Mann“-Gehabe viele frustrierte und auch sozial deklassierte Menschen erneut dazu bringen, sie zumindest zu wählen. Hier gibt es Überschneidungen mit Teilen der SPÖ.

Die Krise befeuert auch jene Auseinandersetzungen, die es schon immer in der FPÖ zwischen Tendenzen oder sogar Fraktionen gab. Es gibt eben feine bis gar nicht so feine Unterschiede zwischen überzeugten Nazis, großbürgerlichen deutschnationalen Burschenschaftern, rücksichtslosen kleinbürgerlichen Karrierist*innen und berechnenden Seitenblicke-Promis. Und rund um Haimbuchner wurde wieder präsenter, dass die FPÖ, immerhin Nachfolgepartei der Nachfolgepartei der NSDAP, stets ebenso Heimat für den radikalen bürgerlichen Wirtschaftsliberalismus war.

Welche Schlüsse zieht das Nazi-Milieu aus dem FPÖ-Einbruch?

Aus Sicht bewusster (Neo-)Faschist*innen war die FPÖ immer bedeutendes Betätigungsfeld. Sicherlich hat die Schrumpfung des Apparats und damit Postenschachers eine abschreckende Wirkung auf Karrierist*innen. Dies erhöht den Spielraum für ideologisch stramme Agitation. Doch ebenso könnte diese erneute FPÖ-Krise infolge der Regierungsbeteiligung eine Neubewertung im Nazi-Milieu auslösen. Etwa: Ist ein parlamentarischer Weg, der „korrumpiert“, überhaupt sinnvoll? Braucht es eigenständige Methoden und Strukturen außerhalb der FPÖ? Anzeichen dafür zeigen sich schon seit längerem mit den „Identitären“. Der gegenwärtige Anstieg an Verschwörungs-Wahn und Corona-Leugnung könnte ein Brennpunkt für solche Umtriebe werden; inklusive offener Gewalt, wie Beispiele aus anderen Ländern bereits zeigen.

Covid-19-Krise beweist: FPÖ ist keine Arbeiter*innenpartei!

Krisen zeigen am deutlichsten, was Sache ist. Die FPÖ kämpft eindeutig nicht für die sozialen Anliegen von Arbeitnehmer*innen, z.B. im Gesundheits- und Sozialbereich oder Handel. In ihr tummelt sich lediglich ein bizarrer Mix von Corona-Verharmlosung, Verschwörungs-Idiotien inkl. Antisemitismus und inhaltlich entleerter kleinbürgerlicher Wüterei. Die FPÖ brachte angesichts des Gesundheits-Notstands keinerlei produktive Vorschläge zur Problemlösung von Beschäftigten, Erwerbsarbeitslosen oder Lernenden. Sie versucht nicht, Menschen für solche sozialen Forderungen zu mobilisieren und Druck in Betrieben und auf der Straße aufzubauen. Die FPÖ ist und bleibt eine pro-kapitalistische Partei, die etwas Anderes vorgaukeln muss. Sie braucht schließlich die Stimmen von Arbeitnehmer*innen bei Wahlen.

 

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