Sa 26.03.2022
Artikel aus der aktuellen ROSA-Zeitung (März 2022)
Polen hat eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in Europa. Schwangerschaftsabbrüche sind nur im Falle einer Vergewaltigung, Inzest oder wenn Gefahr für die Schwangere besteht, erlaubt. Die Regierungspartei PiS wollte in einer Allianz der katholischen Kirche Abtreibungen komplett verbieten. Im Zuge dessen kam es zu zahlreichen Protesten und der ursprüngliche Entwurf wurde zurückgezogen. Nun versucht die Regierung einen „Kompromiss“ durchzubringen. Dieser sieht vor, dass Schwangerschaftsabbrüche im Falle einer Vergewaltigung oder bei Lebensgefahr für die Schwangere erlaubt sein sollen, nicht aber bei Missbildungen des Fötus. Frauen sollen somit gezwungen werden Kinder auszutragen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überlebensfähig wären. Außerdem soll die Pille danach verboten werden.
Im Zuge dessen kam es am 3. Oktober 2016 zum sog. „Schwarzen Montag“. An diesem Tag kam es in zahlreichen Städten im gesamten Land zu Protesten und Streiks. In den folgenden Jahren kam es zu weiteren, teilweise sogar noch größeren Protesten, die noch breiter organisiert waren. Jedoch verliert die Bewegung in letzter Zeit an Größe.
Warum schafft es die Bewegung nicht ihre Forderungen nach vorne zu bringen? Die Hauptursache liegt an der liberalen Führung, die nicht das System grundlegend in Frage stellt. Sie unterdrücken radikalere Stimmen und schwächen damit die Kampfkraft der Bewegung. In der Praxis bedeutet das, dass linken politischen Organisationen verboten wird Flugblätter auszuteilen und Demonstrant*innen mit radikaleren Slogans von Veranstaltungen verwiesen werden. Somit wird revolutionären Organisationen verwehrt ihre Ideen einzubringen und frischen Wind in die Bewegung zu bringen. ROSA Polen fordert u. a. kostenlosen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, außerdem kostenlose und einfach zugängliche Verhütungsmittel. Liberale Parteien und Bewegungen sind beispielsweise gegen die Forderung nach einer „Abtreibung nach Bedarf“. Außerdem beschränken sie den Kampf nur gegen die restriktiven Abtreibungsgesetze und nicht gegen dessen Ursachen. So fehlen auch weitergehende Forderungen nach Ausbau der Kinderbetreuung, höhere Löhne für Frauen und soziale Absicherung. Sie fokussieren sich stattdessen immer mehr auf eine Zusammenarbeit mit Parlamentarier*innen und entfernten sich in Folge immer mehr von der Massenbasis der Bewegung.
ROSA in Polen hat durch eine Petition an die Gewerkschaft appelliert, echte Streiks zu organisieren. Dazu kam es aber nicht. Den fehlenden Mut, massenhafte Streiks zu organisieren, kennt man von den heimischen Gewerkschaften in Bezug auf den Unmut der Beschäftigten im Pflege- Sozial- und Bildungsbereich leider ebenfalls. Es kommt zwar immer wieder zu kleineren und größeren Protesten, jedoch nicht zu großen, branchenübergreifenden Streiks.
Um die Regierung wirksam unter Druck setzen, braucht es jedoch solch einen Massenstreik. Die Grundlage des Kapitalismus ist nämlich die Vermehrung von Profit. Durch einen Streik wird dieser gefährdet. So können Regierungen im Besten Fall sogar gestürzt werden. Anstatt einer Zusammenarbeit mit bürgerlichen Politiker*innen braucht es eine demokratische Selbstorganisation eines solchen Streiks. Konkret bedeutet das Aufstellen von demokratischen Komitees in Schulen, Universitäten sowie Betrieben. Eine solch demokratische Massenbewegung hätte eine Schlagkraft, die jetzige herrschende Klasse ins Wanken zu bringen und auf diese Weise Frauen langfristig die Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper gewinnen.
Die ganze ROSA-Zeitung findest du hier: