Di 01.06.1999
Als vor nicht allzu langer Zeit das Todesurteil gegen Ken Saro Wiwa vollstreckt wurde, konnte man sehen, wie in Nigeria mit der politischen Opposition umgegangen wird. Jetzt droht einem weiteren Oppositionellen, Lanre Arogundade, der Tod.
Die Präsidentschaftswahlen in Nigeria wurden nach 16 Jahren Militärdiktatur von den Medien als wichtiger Schritt Richtung Demokratie gesehen. Diese Wahlen waren jedoch von Korruption und der Kontrolle durch Präsident Abubakar überschattet. Beispielsweise durften parteilose KandidatInnen nicht zur Wahl antreten. Für General Olusegun Obasanjo kein Problem: Er verwendete 30 Millionen Dollar, um die Unterstützung der PDP (Peoples Democratic Party) zu erkaufen und antreten zu können. Im Endeffekt traten dann zwei ganz und gar nicht dem Regime feindliche Kandidaten zur Wahl an – Olu Falae und General Olusegun Obasanjo, beides Freunde bzw. Handlanger des Ex-Diktators Babangida. Letzterer gewann, von Demokratie ist das Land nach wie vor weit entfernt.
Soziales Desaster in Nigeria
Diktatur und Korruption sind nicht die einzigen Probleme Nigerias: In den letzten zwei Jahren sind die Einnahmen durch die Erdölförderung und damit auch die Rohstoffpreise um 40 % gefallen, außerdem ist das BIP um 10 % gesunken. Daraus folgt die wachsende Armut des Volkes: das Pro-Kopf-Einkommen ist in nur 20 Jahren um 75 % gefallen und 60 % der Bevölkerung leben in Armut.
Kampf gegen das System
Unter diesen Umständen kämpft Lanre Arogundade, Mitglied der DSM (Democratic Socialist Movement – Nigerianische Schwesterorganisation der SOV) seit Jahren für die Rechte der ArbeiterInnen, der StudentInnen und sozial Schwachen. Lanre und die DSM sind dem Regime schon lange ein Dorn im Auge – wegen der Aktivitäten in der StudentInnenbewegung und in den Gewerkschaften, z.B. mit der „Campaign for Independent Unionism“ (Kampagne für unabhängige Gewerkschaften). Seit Jahren werden immer wieder AktivistInnen der DSM vom Regime verfolgt und teilweise auch verhaftet. Erst vor kurzem wurde Ayodele Akele, der im Herbst 1998 einen Massenstreik für die Erhöhung der Mindestlöhne anführte, auf Druck des Regimes entlassen.
Den jüngsten Angriff gegen die DSM stellt die Verhaftung und Anklage gegen Lanre Arogundade, dem Vorsitzenden der JournalistInnengewerkschaft von Lagos, dar. Ihm wird vorgeworfen, die ehemalige Schatzmeisterin der JournalistInnengewerkschaft, Bolade Fasasi, ermordet zu haben. Mit dieser Anschuldigung wurde Lanre Arogundade am 25. April konfrontiert, als vier Untersuchungsbeamte und ein Polizist voll bewaffnet um 7 Uhr Früh seine Wohnung stürmten und damit begannen, sie nach Waffen und anderem Belastungsmaterial zu durchsuchen. Dazu Lanre: „In den nächsten Stunden wurde meine Wohnung durchsucht. Schließlich fanden die Untersuchungsbeamten kein Gewehr oder irgendeine andere Waffe in meiner Wohnung. Sie gaben auch zu, daß es nichts Belastendes in meiner Wohnung gab. ..Nach der Durchsuchung wurde ich zuerst zu den Polizeistationen Alokuko und Denton in Lagos mitgenommen...Wir kamen etwa um 20.30 in Iyaganku an und ich wurde sofort in eine Zelle gesperrt. Ich verbrachte die Nacht in Zelle A.“
In der JournalistInnengewerkschaft gibt es zwei Flügel – jenen, der für demokratische Rechte eintritt, die Mehrheit ausmacht und zu dem auch Lanre gehört und einen regierungstreuen, von dem in der Vergangenheit bereits Drohungen gegen Lanre ausgegangen sind.
Die Anschuldigungen sind offensichtlich konstruiert und dienen dazu, den geschätzten und oppositionellen Vorsitzenden der Gewerkschaft Lanre Arogundade zu beseitigen. Jetzt schwebt Lanre Arogundade in höchster Gefahr, wie Ken Saro Wiwa, zum Tode verurteilt zu werden. Jetzt heißt es handeln. Bereits unmittelbar nach der Verhaftung rollte eine internationale Solidaritätskampagne an. Der erste Erfolg ist, daß Lanre auf Kaution freigelassen wurde. Aber immer noch ist er in großer Gefahr, durch das Regime ermordet zu werden. Hilfe ist notwendig, Unterstützung gibt es in Österreich bereits, u.a. von der Vorsitzenden der JournalistInnengewerkschaft, Astrid Zimmermann, und dem Vorsitzenden der GPA, Hans Sallmutter, sowie den Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen.