Mo 25.06.2007
Nach fast sechs Wochen Streik: Ver.di (Dienstleistungs-Gewerkschaft; Anm.) segnet drastische Lohnkürzungen und unbezahlte Arbeitszeitverlängerung für ausgegliederte Servicebereiche ab. Neueingestellte verlieren 30 Prozent.
Die Deutsche Telekom hat sich trotz des fast sechswöchigen Streiks mit ihrem Kürzungsprogramm für die mehr als 50.000 von Ausgliederung betroffenen Servicemitarbeiter weitgehend durchgesetzt. Mittwoch früh verkündeten ver.di-Verhandlungsführer Lothar Schröder und Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger vor der Presse das Ergebnis der nächtlichen Verhandlungen. »Wir haben den Zielkorridor unseres Sparprogramms ordentlich getroffen«, freute sich Letzterer. Die Konzernspitze hatte sich zuvor eine Reduzierung der Personalausgaben um 500 bis 900 Millionen Euro vorgenommen.
»Die Beschäftigten können darauf vertrauen, daß auf dem Weg in die neuen Gesellschaften kein Griff in ihre Geldbeutel erfolgt.« Mit diesen Worten zitiert die Financial Times Deutschland ver.di-Verhandler Schröder. Doch die ihm getroffene Vereinbarung sieht völlig anders aus: Um 6,5 Prozent sollen die Löhne und Gehälter der Beschäftigten, die zum 1. Juli in drei eigenständige Servicegesellschaften übergehen, gekürzt werden. Vorübergehend abgemildert werden sollen die Verluste durch einen Fonds, der »wie ein Sozialplan« wirke. Aus diesem werden die Gehaltseinbußen in den ersten 18 Monaten zu 100, in den folgenden zwölf Monaten um 66 und danach zu 33 Prozent ausgeglichen. Ende 2010 werden dann die vollen 6,5 Prozent wirksam. Bis dahin habe ver.di aber die Möglichkeit, mit einer »aktiven Tarifpolitik« dafür zu sorgen, daß »die Gehälter geradeaus laufen«, formulierte Schröder. Bis Ende 2008 sind Tariferhöhungen allerdings ausgeschlossen – und das nicht nur für die von der Ausgliederung Betroffenen, sondern auch für die restlichen Beschäftigten der T-Com und der Konzernzentrale.
Doch damit nicht genug. Der »Kompromiß« beinhaltet auch – wie vom Unternehmen gefordert – die unbezahlte Verlängerung der Wochenarbeitszeit um vier auf 38 Stunden. Eine halbe Stunde hiervon soll zur »Servicequalifizierung« verwendet werden. Zudem wurde eine »serviceorientierte Flexibilisierung der Arbeitszeit« vereinbart. In der Realität bedeutet dieser Neusprech, daß der Sonnabend zum Regelarbeitstag wird. Zudem sollen die »leistungsbezogenen Entgeltbestandteile«, die sich nach Unternehmenserfolg, Kundenzufriedenheit und individueller Leistung berechnen, von derzeit sieben auf 15 bis 20 Prozent ausgeweitet werden. Besonders dramatisch fallen die Einkommenskürzungen für Neueingestellte aus: Die Einstiegsgehälter sinken bis 2010 um etwa 30 Prozent, wie ein Unternehmenssprecher auf jW-Nachfrage bestätigte. Ein »markt- und wettbewerbsfähiges Niveau«, nennt Manager Sattelberger das. Ver.di hatte hingegen stets darauf hingewiesen, daß das Lohnniveau bei der Telekom keineswegs über dem vergleichbarer Konkurrenten liegt.
Auf der Habenseite verbucht die Gewerkschaft lediglich den Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen bis Ende 2012. Vor einem Verkauf sind die neuen Gesellschaften lediglich bis Ende 2010 geschützt. Außerdem soll in die »Systematik der Servicequalifikation« investiert werden. So werden »Mitarbeiter, die sich durch Leistung, persönliches Engagement und Kompetenz auszeichnen, künftig durch Servicekarrieren gefördert«.
Telekom-Verhandlungsführer Sattelberger hatte ob dieses Ergebnisses bei der Pressekonferenz denn auch einige Mühe, seine Freude über den Abschluß nicht allzu offensichtlich werden zu lassen. Schließlich müssen die ver.di-Mitglieder diesen in der kommenden Woche noch per Urabstimmung absegnen. Allerdings ist hierfür eine Zustimmungsquote von lediglich 25 Prozent erforderlich. Die Tarifkommission der Gewerkschaft wollte noch am Mittwoch über die Annahme entscheiden.
Eindeutig die Haltung von Kapital und Regierung: Das Bundeskabinett habe den Kompromiß »zur Kenntnis genommen und ausdrücklich begrüßt«, erklärte Sprecher Thomas Steg. Der Kurs der T-Aktie machte nach Bekanntgabe des Ergebnisses einen Sprung um 1,6 Prozent.