MigrantInnen in die Gewerkschaften!

MigrantInnen sind ein wichtiger Teil der ArbeitnehmerInnen – und oft das schwächste Glied der Kette. Die Tatsache, dass es in Österreich keine politische Vertretung von ArbeitnehmerInnen gibt, d.h. dass es keine ArbeiterInnenpartei gibt, hat auch und gerade in Bezug auf MigrantInnen negative Auswirkungen. Das Fehlen einer ArbeiterInnenpartei verlängert die Isolation, in der sich MigrantInnen häufig befinden. Und das Fehlen einer politischen Vertretung macht es religiösen Gruppen leichter, dieses Vakuum zu füllen und vermeintliche Antworten auf die Probleme des täglichen Überlebenskampfes zu geben.

Zusätzlich erleichtert es ein solches Vakuum auch, dass rechte und rassistische Parteien das Thema MigrantInnen für ihre rassistische Hetze benützen.

Religiöse Gruppen können das Vakuum füllen

In den USA haben religiöse Gruppen starken Einfluss auf die Politik. Das gilt nicht nur für den religiösen Fanatiker Georg W. Bush, sondern für Politik auf allen Ebenen. Grund dafür ist nicht zuletzt die Tatsache, dass es im Wesentlichen zwei große bürgerliche Parteien (Demokraten und Republikaner) gibt, aber keine ArbeiterInnenpartei. In Ländern wie Frankreich, wo eine bürgerliche Revolution stattgefunden hat die u.a. auch zu einer klaren Trennung von Kirche und Staat geführt hat ist der Einfluss der Kirchen heute schwach. Im Gegensatz dazu ist dieser Einfluss in Österreich, wo die bürgerliche Revolution 1848 in den Kinderschuhen stecken geblieben ist, nach wie vor hoch.

Aber auch in den USA gibt es Veränderungen. Vor dem Hintergrund einer starken Anti-Globalisierungs- und Anti-Kriegsbewegung sowie der alternativen Kandidaturen von Ralph Nader gibt es eine atheistische Bewegung, nicht zuletzt um das Buch des Evolutionsbiologen Richard Dawkins „The God Delusion“.

Aber wegen des Fehlens einer politischen Alternative in Form einer Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche gibt es seit den 1980er Jahren auch ein Erstarken des religiösen Fundamentalismus – und zwar quer durch alle Religionsgemeinschaften. Allerdings ist nur ein Bruchteil der Mitglieder der verschiedenen Religionsgemeinschaften „radikal“ oder „fundamentalistisch“. Von den rund 400.000 Moslems/Muslimas die in Österreich leben sind das gerade mal 5%. Allerdings leben 20% in miesen sozialen Bedingungen – und such nach Lösungen. Wenn diese nicht von einer linken Kraft angeboten wird, dann füllt die religiöse Rechte diesen Raum aus. Erleichtert wird ihr das auch durch den ständigen Sozialabbau. Wenn soziale Leistungen bei z.B. Kinderbetreuung und Krankenpflege nicht mehr von der öffentlichen Hand geleistet wird, dann können und müssen Private einspringen. Und das sind oft religiöse Strukturen. Die ständigen Kürzungen im Bildungswesen führen u.a. auch dazu, dass katholische Privatschulen wieder stärker als „gute“ Schulen gelten können.

Gewerkschaften säumig

Für den Aufbau einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche kommt den Gewerkschaften eine besondere Rolle zu. In Deutschland z.B. ist ein wichtiger Teil der WASG aus dem DGB gekommen. Kämpferische GewerkschafterInnen, die oftmals mit der Sozialdemokratie gebrochen haben, werden auch in Österreich ein wichtiges Standbein für eine solche neue Formation bilden. Erschwerende kommt allerdings dazu, dass MigrantInnen von den Gewerkschaften oft fast ignoriert werden. Im schlechtesten Fall zieht sich die Gewerkschaft auf einen national-bornierten Standpunkt von „einheimische ArbeiterInnen zuerst“, der sich nur wenig von rechter Hetze unterscheidet, zurück. Dies hat eine lange und schlechte Tradition in der ArbeiterInnenbewegung. Schon in der 2. und 3. Internationale haben sich die rechtesten Kräfte durch Rassismus und Ausgrenzung hervorgetan. In den USA konnten schwarze ArbeiterInnen lange nicht Mitglied von Gewerkschaften werden, die deutschen Gewerkschaften stellten sich teilweise gegen eine Einwanderung der „rückständigen“ polnischen ArbeiterInnen und die französische Gewerkschaft CGT beteiligte sich in den 1920er Jahren in einer staatlichen Migrationsbehörde, die Quoten festlegte und Arbeitserlaubnisse kontrollierte.

Alibiaktionen

Offiziell sind die Positionen der Gewerkschaften heute natürlich anders – man sei natürlich für die Integration von MigrantInnen in die Gewerkschaften. Aber auch der ÖGB hat jahrzehntelang nichts dafür getan, dass MigrantInnen in Österreich zum Betriebsrat gewählt werden können. Im Wesentlichen beschränkt sich die MigrantInnenarbeit der Gewerkschaften auf vollmundige Erklärungen. Entsprechend niedrig ist dann auch der Anteil von MigrantInnen erster und zweiter Generation an den Gewerkschaftsmitgliedern:

  • Deutschland 9%
  • Italien 2,9%
  • Niederlande 4-5%
  • Dänemark 6%

Nur 10 von 24 Gewerkschaften, die im Rahmen einer europaweiten Untersuchung befragt wurden, haben Material zur Mitgliedergewinnung in anderen als der Landessprache. 10 bzw. 11 der 24 haben keine VertreterInnen mit Migrationshintergrund in Leitung bzw. Vorstand. In einigen gibt es zwar spezielle Hauptamtliche für MigrantInnen, aber ihre Anzahl ist verschwinden – in Deutschland z.B. sind es gerade mal 20 Personen. Entsprechend niedrig ist dann auch der Organisationsgrad von MigrantInnen. Interessant auch dass z.B. der Organisationsgrad von türkischen MigrantInnen in Deutschland sich in den letzten 20 Jahren halbiert hat – was nicht nur auf Veränderungen in der Arbeitswelt bzw. das Erlangen der Staatsbürgerschaft zurückzuführen ist, sondern auch über eine Enttäuschung bezüglich der Arbeit der Gewerkschaften.

Vieles wirkt – ähnlich wie bei der „Frauenarbeit“ der Gewerkschaften – wie Alibiaktionen. Ein nettes Büro, ein paar FunktionärInnen, eine Resolution – aber die Themen bleiben Randthemen, die in der „richtigen“ Gewerkschaftsarbeit keinen Platz haben.

Für kämpferische, antirassistische Gewerkschaften

Gewerkschaften haben die Aufgabe, Menschen aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit – ArbeiterIn/AngestellteR vs. UnternehmerIn – und nicht aufgrund ihrer Nationalität zu beurteilen, zu organisieren und zu vertreten. Sie sind daher auch dazu aufgerufen, sich lautstark gegen Rassismus einzusetzen, anstatt eine „unsere Leute zuerst“ Politik zu fahren. Sie müssen Widerstand gegen Sozialabbau gemeinsam mit Menschen unterschiedlicher Nationalität, Religion, Hautfarbe organisieren. Sie müssen die Interessen aller ArbeiterInnen kämpferisch vertreten anstatt faule Kompromisse mit den Unternehmen einzugehen.

Denn kämpferische Gewerkschaften sind ein attraktives Angebot an MigrantInnen. Sie können religiösen Fundamentalisten die Basis entziehen. Und kämpferische Gewerkschaften in denen sich auch viele ArbeiterInnen mit Migrationshintergrund organisieren, sind eine wichtige Grundlage für eine künftige neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche.