Massenprotest gegen G8

Sozialistische Alternative dringend nötig
Sascha Stanicic, CWI-Deutschland

Die Großdemonstration gegen den G8-Gipfel am 2. Juni in Rostock war mit 80.000 TeilnehmerInnen eine erfolgreiche Manifestation der globalisierungskritischen Bewegung und unterstrich, dass die Staats- und Regierungschefs der acht mächtigsten kapitalistischen Staaten der Welt, die sich ab Mittwoch in Heiligendamm versammeln, nicht die Mehrheit der Bevölkerung repräsentieren.

Die Demonstration wird überschattet von Polizeiübergriffen und den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und einer Minderheit autonomer DemonstrationsteilnehmerInnen.

Die Sozialistische Alternative (SAV) hatte ein erfolgreiches Eingreifen bei der Demonstration. Gemeinsam mit Mitgliedern der Schwesterorganisationen aus dem Komitee für eine Arbeiterinternationale aus Schweden, England, Schottland, Irland und den Niederlanden wurde eine sozialistische Alternative zum globalen Kapitalismus aufgezeigt.

Zwei Demonstrationszüge marschierten durch die Rostocker Innenstadt und klagten die Politik der G8-Staaten an. Im Mittelpunkt standen der fehlende Klimaschutz, die fortgesetzte Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt und die Besatzung des Irak.

Auf dem größeren der beiden Demonstrationszüge waren verschiedene politische Gruppen vertreten, darunter auch ein Block von etwa 500 UnterstützerInnen der LINKEN. Mit rund 200 DemonstrantInnen war der Block von SAV und CWI auffällig, laut und kämpferisch und vor allem der Block, der sich deutlich für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft aussprach.

Auffällig war die sehr schwache Präsenz der Gewerkschaften. Angesichts des Telekom-Streiks und der fortgesetzten Angriffe der Merkel-Müntefering-Regierung gegen die Rechte und Löhne der abhängig Beschäftigten war dies aber mehr als nur eine verpasste Gelegenheit gegen die arbeitnehmerfeindliche Politik der Regierung zu protestieren.

Die Gewerkschaftsführungen lassen so auch einen großen Teil der sich radikalisierenden Jugendlichen alleine und zeigen ihnen keine Perspektive des gemeinsamen Kampfes mit der Arbeiterklasse auf. Dementsprechend trägt die Gewerkschaftsführung auch einen Teil der politischen Verantwortung für die Ereignisse im Verlauf der Demonstration.

Medien

Viele Medien und pro-kapitalistische Politiker konzentrieren ihre Kommentare nun auf die Zusammenstöße zwischen Polizei und einer Minderheit der DemonstrantInnen. Sie nutzen die Gelegenheit, um von den Inhalten abzulenken, für die zehntausende auf die Straße gegangen waren. Sie versuchen darüber zu schweigen, dass die Versprechen der mächtigen kapitalistischen Staaten die Schulden der Staaten der südlichen Welt abzubauen und die CO2-Emmissionen zu reduzieren nicht eingehalten werden.

Staatsmacht

Nach den massiven Razzien und Polizeieinsätzen gegen G8-GegnerInnen und Demonstrationen in den letzten Wochen, trat die Staatsmacht auch in Rostock massiv auf. Alleine der 12,5 Millionen Euro teure Zaun, der rund um Heiligendamm herum errichtet wurde, ist ein Ausdruck davon, wie weit sich die Herrschenden von der Bevölkerung entfernt haben und wie weit umgekehrt die Entfremdung der Masse der arbeitenden Menschen von den kapitalistischen Institutionen gegangen sind. Die Aktionen der Polizei in den letzten Wochen waren darauf angelegt, Auseinandersetzungen auch in Rostock zu provozieren.

Warum? Weil es im Interesse von Staat und Regierung ist, die Bewegung gegen G8 zu spalten und in „friedliche“ und „kriminelle“ DemonstrantInnen zu trennen. Das kann wiederum zu staatlicher Aufrüstung genutzt werden und zur Abschreckung von ArbeiterInnen und Jugendlichen, an solchen Protesten teilzunehmen.

Autonome

Diejenigen autonomen Gruppen, die sich in einem etwa 2.000 Leute umfassenden schwarzen Block auf einem der beiden Demo-Züge zusammen geschlossen haben, spielten mit ihren Aktionen daher Polizei, Staat und Regierung nur in die Hände. Das Einwerfen von Schaufensterscheiben, der Angriff auf das Polizeiauto und die Behinderung von Feuerwehrautos sind destruktive Methoden, die nicht dem Aufbau einer starken Bewegung gegen den Kapitalismus dienen, sondern den Aufbau einer solchen Bewegung erschweren. Zurecht gab es unter vielen DemonstrantInnen Unmut gegenüber solchen Aktionen.

Als die Polizei jedoch die gesamte Abschlusskundgebung angriff, versuchten auch viele DemonstrantInnen, die nicht zum „schwarzen Block“ zu zählen sind, sich zu verteidigen. Die SAV steht für das recht von Demonstrationen sich selbständig zu schützen und gegen Polizeiübergriffe zu verteidigen. Dies wäre vor allem dann effektiv möglich, wenn die Gewerkschaften ihre Millionen Mitglieder mobilisieren würden und einen effektiven Ordnerdienst organisieren würden.

Gleichzeitig muss betont werden, dass es die kapitalistischen Verhältnisse sind, die Jugendliche radikalisieren und sie zu solchen Methoden greifen lassen – aus Frustration und aus Mangel an einer starken linken politischen Alternative, die einen erfolgversprechenden Weg zur Veränderung der Gesellschaft aufzeigt.

Angesichts der alltäglichen durch das kapitalistische System verursachten Gewalt – ob in brutaler Form beim Krieg gegen Irak oder dem Hunger in der Welt oder in subtilerer Form, wenn man von seinem Boss den Lohn gekürzt oder beim JobCenter schikaniert wird – sind aber die Empörung der etablierten Politiker und der bürgerlichen Medien über die „militanten Autonomen“ Heuchelei. Ihre Verteidigung des sogenannten staatlichen Gewaltmonopols ist nichts anderes als die Verteidigung des Monopols der herrschenden Klasse Gewalt gegen potenziellen und realen Widerstand der Arbeiterklasse und der Jugend gegen die kapitalistischen Verhältnisse auszuüben.

Polizei eskaliert

Es ist nicht wirklich nachvollziehbar, von wem die Eskalation bei der Demo ausging. Diese Frage ist auch nicht entscheidend. Tatsache ist, dass ein Teil der autonomen Gruppen und die Polizei gleichermaßen ein Interesse an den Auseinandersetzungen hatte. Es ist nicht auszuschließen, dass der vereinzelte Polizeiwagen ein Köder war, auf den die Autonomen hereingefallen sind. Es war aber offensichtlich, dass die Polizei aber mit brutaler Gewalt reagierte und die gesamte Kundgebung angriff und versuchte diese zu zerschlagen. Wahrscheinlich auch aus Rache, da sie offensichtlich den schwarzen Block unterschätzt hatten und sich zwei Mal vom Kundgebungsplatz zurück ziehen mussten, bevor sie mit massivem Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern agierten. Dabei wurden über 500 DemonstrantInnen verletzt. Nach Angaben der Polizei wurden auch über 400 Polizeibeamte verletzt.

Provokative Handlungen der Polizei gingen im Laufe des Abends weiter, als mehrere Wasserwerfer sich am Eingang des Protestcamps am Rostocker Fischerhafen aufbauten, wo Attac, SAV, DIE LINKE. und andere Gruppen ihre Zelte aufgeschlagen haben. Es machte den Anschein, dass dieser Einsatz nur dazu diente eine Reaktion hervorzurufen, um gegen das Camp vorzugehen. Die Camp-TeilnehmerInnen agierten aber besonnen und ließen sich auf keine Provokation ein, so dass die Polizei nach einiger Zeit wieder abzog – nicht ohne einen Hubschrauber immer wieder über dem Camp kreisen zu lassen.

Massenbewegung aufbauen

Der bisherige Verlauf der Proteste gegen G8 zeigt einerseits, dass ein neues antikapitalistisches Bewusstsein unter einer Schicht von ArbeiterInnen und Jugendlichen entstanden ist und viele, vor allem, junge Menschen auf der Suche nach politischen Alternativen sind. Gleichzeitig zeigt sich die offizielle Linke nicht in der Lage eine effektive und mächtige Massenbewegung zu organisieren. Attac hat nicht zuletzt mit der Rekrutierung von Heiner Geißler durch den Attac-Sprecher Pedram Shayar gezeigt, dass es sich wohl eher in eine bürgerliche Richtung orientiert, als in eine antikapitalistische.

Greenpeace und andere Nichtregierungsorganisationen predigten das Konsumerverhalten zu ändern oder appellierten, wie Bob Geldof und Bono, nur an die G8-Staatsrepräsentanten. Eine solche angepasste Politik hat, angesichts der dramatischen Zustände zum Beispiel im Irak, keinerlei Anziehungskraft auf Jugendliche, die sich gegen den Kapitalismus zur Wehr setzen wollen.

Die kurz vor ihrer offiziellen Gründung stehende Partei DIE LINKE war präsent, aber der Widerspruch zwischen G8-Protest und der jahrelangen in Regierungsbeteiligung gerade in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin schwebt permanent über der Partei. Außerdem zeigte sie sich unfähig und unwillig eine gesellschaftliche Alternative aufzuzeigen, also die Frage zu beantworten, wie eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus aussehen und erreicht werden kann. Der Grund ist klar: programmatisch steht sie hinter Privateigentum an Produktionsmitteln und Marktwirtschaft und hat sich von einer sozialistischen Gesellschaft als Ziel verabschiedet.

SAV und CWI

Es waren tatsächlich SAV und CWI, die bisher bei den Protesten durch eine offensives Eintreten für eine sozialistische Demokratie aufgefallen sind. Auch kulturell war der SAV/CWI-Block dank der Auftritte des sozialistischen Rappers Holger Burner ein absoluter Höhepunkt. Im Anschluss an die Abschlusskundgebung organisierte die SAV eine Veranstaltung mit über 150 TeilnehmerInnen, auf der unter anderem Lucy Redler (Mitglied im Bundesvorstand der WASG und im Landesvorstand der neu gegründeten BASG), Roger Bannister (Vorstandsmitglied der UNISON-Gewerkschaft in Großbritannien), Christine Lehnert (SAV-Bürgerschaftsabgeordnete aus Rostock) und weitere RednerInnen auftraten.

Drei DemonstrationsteilnehmerInnen erklärten noch am Samstag ihren Beitritt in die SAV, zwei weitere am Sonntag, so dass innerhalb der ersten 24 Stunden der Proteste schon fünf neue Mitglieder für die SAV gewonnen werden konnten.

Im weiteren Verlauf der Woche wird sich die SAV in Rostock, auf den Camps und bei den Blockadeaktionen an den verschiedenen Protesten beteiligen und gleichzeitig eine Reihe politischer Veranstaltungen anbieten, um unter den TeilnehmerInnen für eine sozialistische Alternative zu werben.

Damit leisten SAV und CWI einen Beitrag zum Wiederaufbau einer starken sozialistischen Arbeiterbewegung, die in Zukunft in der Lage sein wird, solche Demonstrationen nicht nur gegen Polizeiübergriffe zu schützen, sondern auch selbständig Fehlverhalten kleiner provokanter Gruppen zu verhindern. Einer Bewegung, die aber vor allem durch Massendemonstrationen, Generalstreiks und Aufstände in der Lage sein wird, die bestehenden Machtverhältnisse über den Haufen zu werfen, die sich gegen den kapitalistischen Staat und seine Organe wird durchsetzen können und eine andere, sozialistische Gesellschaft wird aufbauen können.

Die Basis für eine solche Bewegung muss die Arbeiterklasse sein, also die Klasse aller Lohnabhängigen. Nur sie kann aufgrund ihrer ökonomischen Stellung die kapitalistische Gesellschaft zum Stillstand bringen und eine sozialistische Gesellschaft organisieren. Dazu muss eine kämpferische Arbeiterbewegung auf sozialistischer Grundlage wieder aufgebaut werden, die sich mit den antikapitalistischen Bewegung der Jugend verbindet und dieser eine Perspektive zur gesellschaftlichen Veränderung aufzeigt.