Sa 29.12.2018
Trump zeigt auch das Potential für die Entwicklung einer antikapitalistischen Partei
Bemerkenswert ist eigentlich nicht, dass Trump und ein Großteil der Republikanischen Partei immer offener Verachtung für Frauen, Minderheiten und Meinungsfreiheit zeigen, sondern was das sogenannte weitsichtige Bürgertum rund um die Demokratische Partei macht. Kurzum: Nicht viel. Im Gegenteil, ihre Hauptsorge besteht darin, dass unkontrollierbare Bewegungen von unten als Reaktion auf Trumps Attacken entstehen. Mehr als ein Jahr wurde auf die Kongresswahlen vertröstet, die nun der Demokratischen Partei eine Mehrheit im Repräsentantenhaus brachten. Auch haben neue Kandidat*innen die Bühne betreten, die dynamischer und weniger etabliert scheinen. Einige davon bezeichnen sich sogar selbst als sozialistisch. Doch dies ändert den Charakter der Partei als wesentlichen Pfeiler des US-Kapitalismus keineswegs.
Natürlich ist es keine Kunst, „weniger schlimm“ als Trump zu sein. Doch Trump ist der fleischgewordene Ausdruck der kapitalistischen Krisenperiode. Wie darauf kurzfristig reagiert werden soll und welcher Tonfall angestimmt werden soll, darüber gibt es heftige Debatten unter den Herrschenden. Das US-Bürgertum wird deswegen aus der Trump-Ära noch gespaltener als zuvor hervorgehen. Aber alle Angriffe auf Beschäftigte, Arme, Minderheiten und demokratische Errungenschaften sind aus Sicht der Herrschenden und Besitzenden letztlich unvermeidbar. Deswegen wäre es falsch, auf eine „geregelte“ Aufarbeitung der Verbrechen von Trump & Co. durch die rechtsstaatlichen Institutionen zu warten. Wir können keine Hoffnungen in Sonderermittler, Justizapparat oder das neue Repräsentantenhaus legen. Dessen neuer demokratischen Vorsitzenden, Nancy Pelosi, ging es immer schon nur um Schadensbegrenzung für das Zwei-Parteien-System.
Entscheidend ist, ob und wann die vielfältigen Proteste und Bewegungen zu einer neuen Qualität und Generalisierung des Widerstands führen werden, der letztlich nicht nur den rechtsextremen Flügel des Establishments, sondern das gesamte Wirtschaftssystem in Frage stellen muss. Ein „Zurück zur Normalität“ darf und wird es nicht geben. Auch könnte ein landesweiter Massenstreik über 24-48 Stunden Trump viel wahrscheinlicher und schneller „amtsentheben“, als die Sonderermittlungen Robert Muellers. Dies allein ist jedoch zu wenig, um den Kapitalismus samt Rassismus, Frauenhass, Homophobie und Waffengewalt zu überwinden. Es braucht eine Massenpartei von und für Arbeiter*innen mit sozialistischem Programm. Diese wird sich nur über Kampagnen und Aktionen bis hin zu Streiks und Massenbewegungen bilden können. Welche Ansatzpunkte gibt es dafür? Werfen wir einen Blick auf politischen Widerstand und soziale Proteste in den USA:
Das Höchstgericht hat kürzlich eine wesentliche Einschränkung für die Finanzierung der Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst verfügt. Weitere Angriffe (zB. Streikrecht) sind zu erwarten. Die unmittelbaren „Gründe“ dafür geben jedoch Hoffnung. Von den Medien wenig beachtet fand 2018 eine Serie höchst erfolgreicher Arbeitskämpfe von Lehrer*innen statt. Die Gewerkschaftsbewegung ist dabei, sich zu erneuern bzw. von (jungen) Basisaktivist*innen neu gestaltet zu werden. Als Folge dieser Entwicklung wächst die Zustimmung zu Gewerkschaften wieder. Ebenso lag die öffentliche Unterstützung für die Streiks in West Virginia und Arizona bei 73%. Die Forderungen der Lehrer*innen gingen weit, bis hin zur Frage der gesellschaftlichen Umverteilung. Große Streiks könnten bei UPS (Paketdienst), im Hotelgewerbe sowie in der Schwerindustrie bevorstehen.
Das Selbstbestimmungsrecht von Frauen steht unter Beschuss. Mit dem Fundamentalisten Kavanaugh als Höchstrichter hat die extreme Rechte nun eine Mehrheit zur Rücknahme wichtiger Errungenschaften, zB. beim Schwangerschafts-Abbruch. Doch Massenproteste können dies stoppen. Vielen wird klar, dass es sich um strukturelle Frauenfeindlichkeit eines Systems handelt, das auf Reichtum und Macht einer kleinen Minderheit beruht. Wie wichtig dabei die soziale Frage ist, zeigen die mutigen Streiks gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz bei McDonald’s und Google. Die historische Bedeutung dieser Proteste kann nicht überschätzt werden! Nun ist #metoo nicht mehr nur ein Internet-Phänomen, getragen durch wohlhabende Prominente, sondern ein zentrales Thema von Arbeiter*innen, v.a. jenen, die zusätzlich durch Rassismus unterdrückt werden. Oftmals stehen weibliche Beschäftigte an vorderster Front. So hat die Gewerkschaft der Pfleger*innen schon 2016 maßgeblich Bernie Sanders Kandidatur mitgetragen. In diesem Präsidentschafts-Wahlkampf konnte Sanders mit einem anti-neoliberalen Programm über 200 Millionen US-Dollar an Kleinstspenden sammeln. Dies gibt einen Vorgeschmack, was möglich sein wird, wenn eine breite neue Arbeiter*innen-Partei das etablierte System aufs Korn nehmen wird.
Die Jugendrevolte gegen Waffengewalt und ihre Lobby bietet langfristig Chancen, zum Aufbau einer echten politischen Alternative beizutragen. Auch könnten Bewegungen von Menschen, die unter Rassismus und Polizeigewalt leiden, neuen Schwung aufnehmen (zB. „Black Lives Matter“ BLM). Trumps Gewaltaufrufe gegen Migrant*innen dürften – abgesehen bei seinen Kernschichten – nicht viel gebracht haben. So verlor seine Partei in Texas nicht nur in allen großen Städten, sondern auch in südlichen Grenz-Countys. Der Kampf für die Rechte von Migrant*innen wird nicht durch moralische Appelle gewonnen werden, sondern mittels solidarischer Aktionen, und eines Programms für soziale Verbesserungen für Alle: Sei dies am Arbeitsplatz durch einen 15$-Mindestlohn, durch ein Gesundheitssystem für Alle, durch freien Bildungszugang oder niedrigere Mietpreise.
Als Beispiel für die Zunahme politischer Aktivitäten seien DSA (Democratic Socialists of America) genannt, die massiven Mitgliederzuwachs verzeichnen. Sie wirken im Rahmen der Demokratischen Partei und wollen diese beeinflussen. Die letzten Monate brachten beeindruckende Erfolge für Alexandria Ocasio-Cortez (Repräsentantenhaus) und Julia Salazar (Senat), welche unter dem Banner der DSA für die Demokratische Partei antraten und gewannen. Es mag verlockend erscheinen, auf Basis der allgemeinen Radikalisierung die ein oder andere bislang konservativ geführte Parteifunktion für fortschrittliche Politik zu erobern. Doch eher früher als später werden DSA vor die Frage gestellt sein, ob ein eigenständiges Auftreten und ein offenes Angebot an die unzähligen Aktivist*innen außerhalb dieser Partei nicht die gewinnbringendere Variante für die Arbeiter*innen-Bewegung ist. So sieht es jedenfalls „Socialist Alternative“, die Schwesterorganisation der SLP in den USA. Natürlich können Wahlerfolge Menschen motivieren, und vielerorts sind DSA-Gruppen wichtige Bündnispartner. Im Mittelpunkt sollten sicherlich zuerst Forderungen und Methoden einer Kampagne stehen. Doch die Frage des organisatorischen Rahmens wird in diesen Bewegungen immer wieder aufgeworfen werden. Gerade dann, wenn die Demokratische Partei sich nicht mehr auf Trump und das „kleinere Übel“ ausreden wird können.