Kapitalismus schmeckt nicht gut

Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Lebensqualität ein Hindernis für Wachstum & Profite ist
Oliver Giel

Vegan, Bio, regional – bewusste Ernährung liegt im Trend. Auch diverse Skandale, ständige Wegbegleiter der Nahrungsmittelindustrie, tragen dazu bei. Der Grundtenor: Verantwortung für gesunde Ernährung trägt der/die Verbraucher*in. Besonders Frauen wird ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn sie nicht gesundes Essen, das auch noch „Spaß“ macht, auf den Tisch und in die Jausenbox zaubern.

Nur: Gesundes Essen ist teuer und braucht Zeit. Man muss einen größeren Teil des Einkommens investieren, selbst in der Küche stehen, oder ein gutes Restaurant besuchen. Doch auch Restaurants arbeiten häufig mit Fertigprodukten, bzw. Halbfertigprodukten, die voll von Fett, Farbstoffen und Geschmacksverstärkern sind. Diese sind billiger und können daher mit höherem Gewinn oder zu einem niedrigeren Preis verkauft werden bzw. sie sparen Arbeitskraft. Ironischerweise können sich so Ketten wie Vapiano oder McDonalds bessere Qualität, regionale Produkte und gleichbleibende Preise eher leisten. Bezahlt wird dies mit Massenproduktion, niedrigen Löhnen und Selbstbedienung.

Im Kapitalismus werden Lebensmittel einerseits für den Markt hergestellt, mit dem Ziel, Profit zu machen bzw. um im Falle von Kleinbäuer*innen, zumindest einigermaßen „über die Runden zu kommen“. Andererseits hängt vom Preis dieser Waren auch das Überleben der städtischen Bevölkerung ab.

Da der Lohn ausreichen muss, um die Arbeitskraft zu erhalten, hat der Kapitalismus als Ganzes ein Interesse daran, die Kosten für Nahrung möglichst niedrig zu halten. Dies geschieht über staatliche Subventionen (in Österreich jährlich 1.000.000.000 €), extreme Ausbeutung von Erntearbeiter*innen, oder eben die Verbilligung durch Qualitätsverschlechterung. Das Kostendumping wird mit der unbezahlten Hausarbeit von Frauen vervollkommnet. Gab es Anfang des 20. Jahrhunderts schon begrenzte Ansätze der Vergesellschaftung von Hausarbeit, wie in den cooperative housekeepings in den USA, ist diese durch Fast Food, Lieferservices und (Halb)fertigessen verdrängt worden. Das ist zwar qualitativ schlechter und selten günstiger, aber so können Frauen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und die Kleinfamilie als Keimzeile des Staates bleibt erhalten.

Die Frage des guten Essens entpuppt sich als einer der Widersprüche, die der Kapitalismus nicht lösen kann, weil Lebensqualität nicht Zweck, sondern ein Hindernis für die Wirtschaft ist – sei es Ernährung, Wohnraum, Bildung oder Pflege. In einer sozialistischen Gesellschaft müsste man sich nicht entscheiden, ob man gut oder leistbar leben könnte. Und die heutigen Haubenköch*innen können ihre Kunst Betriebs- und Schulrestaurants zur Verfügung stellen, anstatt sie auf das reichste 1 % beschränken zu müssen. Die Lösung liegt nämlich nicht darin, dass jedeR jeden Tag 3x gesund für die Familie kochen muss, sondern dass in guten und gesunden Großküchen essen kann, wer will und das Selberkochen zum Vergnügen und nicht zur täglichen Last wird.

 

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