Do 21.06.2018
Angesichts von Politikern wie Trump oder Strache blicken viele hoffnungsvoll nach Kanada zu Justin Trudeau: der liberale Premierminister lächelt viel, spricht von Geschlechtergerechtigkeit und geht auf Pride-Paraden. Doch was steckt wirklich hinter seiner Politik?
Kanadas liberale Partei und Trudeau haben einen linken Wahlkampf inszeniert und regieren doch rechts. Bei den letzten Wahlen versprachen die Liberalen eine „strahlende Zukunft“ und gaben sich linker als die sozialdemokratisch geprägte New Democratic Party (NDP). Die Liberalen griffen die Stimmung gegen die Sparpolitik der Konservativen auf, verdrängten die NDP auf den dritten Platz und gewannen.
Anfangs schien Trudeau das Bild zu bestätigen, das während der Wahlen entstand: Das erste Kabinett bestand zu 50% aus Frauen, beim Pariser Klimagipfel erklärte er die Erderwärmung auf 1,5° C begrenzen zu wollen (im Gegensatz zum offiziellen Ziel von 2° C).
Die Liberalen führten einige bescheidene Reformen durch, wie höhere Steuervorteile für Familien mit Kindern. Sie profitierten von der Stärke der kanadischen Wirtschaft, diese hat allerdings ein sehr wackliges Fundament - eine Immobilienblase und hohe Privat-Verschuldung. Die durchschnittlichen Schulden von Familien betragen 174% des Einkommens und über 50% aller KanadierInnen wären in finanziellen Schwierigkeiten, wenn sie eine unerwartete Rechnung von 200$ bezahlen müssten.
Im Gegensatz dazu geht es den Superreichen extrem gut. Zwei Familien sind so reich wie elf Millionen KanadierInnen. Das internationale Netzwerk investigativer JournalistInnen erklärte anlässlich der Paradise Papers, dass Kanada zu „den größten Geschäftsquellen“ für Offshore-Unternehmen zählt. Auch Stephen Bronfman, Trudeaus Hauptsponsor, wurde in den Papers genannt.
Wenig überraschend, dass Trudeaus „Regierung keine […] Untersuchung der Steuer-Schlupflöcher unternommen hat, obwohl sie jährlich mehr als 100 Milliarden Dollar an Staatseinnahmen verloren haben“ (Canadian Centre for Policy Alternatives). Allein durch die Steuersenkungen seit 2000 gehen 78,5 Milliarden Dollar/Jahr verloren, die Unternehmen sitzen gleichzeitig auf nicht investierten 680 Milliarden Dollar. Damit bleiben die Liberalen ihrem Ruf als Partei der Bay Street (das Zentrum der kanadischen Wirtschaft) treu.
Ein zentrales Wahlversprechen Trudeaus waren Infrastruktur-Investitionen. Nicht erwähnt hatte er, dass diese mit der Privatisierung öffentlicher Flughäfen und Häfen finanziert und durch Partnerschaften mit Privaten erfolgen werden – ein weiteres Geschenk an die Bay Street.
Im Gegensatz zu seinen Versprechungen bezüglich des Klimawandels treibt Trudeau gleich drei Pipeline-Projekte voran. Das umstrittenste Projekt ist die Pipeline von Kinder Morgan (ein US-Konzern), dieses wird von der Provinzregierung British Columbias, indigenen Völkern entlang der geplanten Strecke und Gemeinden um Vancouver abgelehnt. Trudeau ignoriert deren Widerstand und hat Kinder Morgan finanzielle Hilfe angeboten.
Bei den Wahlen versprachen die Liberalen „eine […] Beziehung [mit den indigenen Völkern], die auf Vertrauen, Respekt und […] echter Zusammenarbeit beruht.“ Jetzt sind die indigenen Völker enttäuscht von der fehlenden Umsetzung des Versprechens. Die Untersuchung bezüglich der vermissten oder ermordeten indigenen Frauen (insgesamt 1.200 wurden seit 1980 ermordet) ist von Verzögerungen und Kontroversen geprägt.
Seine großen Worte von Geschlechtergerechtigkeit haben keinerlei Maßnahmen zur Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles hervorgebracht, weltweit steht Kanada hier auf Platz 30, Frauen in Vollzeitjobs verdienen nur rund 73,5% von dem Gehalt eines Mannes. Seine Reden über Menschenrechte hinderten ihn auch nicht, einen 15-Milliarden-Dollar-Waffendeal mit Saudi-Arabien abzuschließen.
Die Aufnahme von 30.000 syrischen Flüchtlingen sorgte für Lob von vielen Linken, zum Einreiseverbot für Muslime von Trump schrieb er: „An die, die vor Verfolgung, Terror und Krieg fliehen, die KanadierInnen werden euch willkommen heißen.“ Doch viele SyrerInnen müssen darum kämpfen, sich niederzulassen, einen Anstieg der Flüchtlinge aus den USA beantwortete die Regierung mit Drohungen. 41.000 Flüchtlingsanträge sind unbearbeitet.
Aber es gibt immer mehr Widerstand gegen die Pipeline. Der Kampf um einen 15$-Mindestlohn hat wichtige Fortschritte gemacht und der beliebteste Politiker Kanadas ist kein Kanadier, sondern Bernie Sanders. Bei Stadtratswahlen in Vancouver konnte eine radikale Kampagne von BasisaktivistInnen den zweiten Platz erreichen. Socialist Alternative ist aktiv in diesen Kampagnen und bekommt immer mehr Unterstützung, da viele ArbeiterInnen und Jugendliche nach Alternativen zum Kapitalismus suchen.