So 01.02.1998
Insgesamt sind derzeit über 300.000 als erwerbslos gemeldet. Dazu kommt noch eine Dunkelziffer von weiteren 100.000 Arbeitslosen, wird die Dramatik der Situation deutlich. Außerdem gibt es 166.000 Geringfügig-Beschäftigte, von denen die meisten eigentlich einen Vollzeit-Job bräuchten. Poltiker verweisen oft auf den (geringfügig steigenden) Beschäftigungsgrad in Österreich. Doch “neue” Arbeitsplätze sind meist nur in schlechtbezahlten Teilzeitjobs verwandelte ehemalige Vollzeitarbeitsplätze. “Der Arbeitsmarkt wird atomisiert” hat Johanna Dohnal richtigerweise gesagt.
„1998 kommt der Aufschwung am Bau“, titelte ein STANDARD-Artikel vom 22.11.1996. Die Tageszeitung zitierte den Präsidenten der Vereinigung Industrieller Bauunternehmer Österreichs und PORR-Chef, Horst Pöchhacker. Wie immer vor der Jahreswende machten sich Unternehmer und bürgerliche Wirtschaftsforscher auf, um einen „Aufschwung“ zu versprechen. Gerade im Baubereich war das besonders zynisch, denn die Zahl der Arbeitssuchenden hat hier erstmals die 100.000er Grenze erreicht. Die Seifenblase von den neuen Jobs durch neue Technologien zerplatzt rasch. So mußte z.B. das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO bekannt geben, daß 1998 4000 Arbeitsplätze im Telekommunikationsbereich verloren gehen. Auch die Vorhersage, neue Jobs im Handel durch die Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten zu schaffen, erwies sich als Lüge.
Daß Arbeitszeitverkürzung in Zeiten wie diesen auf der Tagesordung stehen sollte, erkennen immer mehr Menschen. Wie falsch das Argument, „die Wirtschaft kann sich das nicht leisten“, ist, wird angesichts steigender Unternehmergewinne, immer offensichtlicher.
Der Druck aus der Bevölkerung hat die „Linksregierungen“ von Italíen und Frankreich dazu gebracht, die Einführung der 35-Stunden-Woche zu versprechen. Gut,a ber zuwenig, da der Effekt dieser Maßnahme durch die geplante Flexibiliserung der Arbeitszeiten verpuffen würde. Die Gewerkschaft der Privatangestellten springt in ihrer Zeitung „Kompetenz“ auf diese Initiative auf. In der Jänner-Ausgabe bezeichnet Zentralsekretärin Stein eine Arbeitszeitverkürzung „als überfällig“. Zu recht klagt die „Kompetenz“ hier auch die bürgerlichen Medien an. Der Kurier erwies sich als besonders treuer Diener seiner Herren (Mediaprint und Raiffeisen): Er zitiert den Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Fritz, der wenig Freude mit der Diskussion über die Arbeitszeitverkürzung hat: „Österreich habe vor allem ein Problem mit älteren Arbeitslosen, weshalb die Industrie auch bereit sei, in Richtung Gleitpension und Altersteilzeit etwas zu tun.“ Kein Wunder, die Zeche dabei zahlt die Sozialversicherung, wie die Kompetenz richtig bemerkt. Enttäuscht ist man von GPA-Vorsitzenden Sallmutter. Er findet zur Frage „voller Lohnausgleich: ja oder nein“ keine klaren Worte und verlangt „vernünftige und kreative Modelle“. Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich ist aber nichts anders als Kurzarbeit.
Abgesehen von den sozialen Auswirkungen von Lohnkürzungen, ist Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich kaum jobwirksam. Das - leider sogar jüngst in der KPÖ-Volksstimme - „gepriesene“ VW-Modell zeigt das deutlich. 1994 wurde eine 28,8 Stunden-Woche bei VW eingeführt, auf das Jahr gerechnet mußten die Beschäftigten einen 20 %igen Lohnverlust hinnehmen. Im Gegenzug wurde eine Arbeitsplatzgarantie im Tarifvertrag vereinbart. Die 28,8 Stunden-Woche steht am Papier. 1997 wurden 11 Millionen Überstunden gemacht... Im Werk Emden betrug die wöchentliche Arbeitzeit 33 Stunden, in Braunschweig 35,1 und in Hannover 35,6. VW strebt in den nächsten 5 Jahren eine Produktivitätssteigerung von 35 % an. Dazu sollen trotz Rekordgewinn von 8 Milliarden DM 15.000 Arbeitsplätze abgebaut werden.
Der Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich bleibt der zentrale Ansatz. Die uralte ÖGB-Forderung nach der 35-Stundenwoche hinkt hinter der europäischen Diskussion hinterher. Gefordert werden 30-Stunden-Woche oder 6 Stunden-Tag. Österreich spielt durch die totale Flexibiliserung (also defacto Verlängerung) der Arbeitszeiten eine negative Vorreiterrolle. Es gilt den Spieß umzudrehen und eine internationale Bewegung für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn auf die Beine zu stellen.