Mo 11.09.2023
Am 16.9. jährt sich die brutale Ermordung der jungen Kurdin Jina Amini durch die iranische Sittenpolizei in Teheran. Ihre Ermordung war der Auslöser der größten Bewegung gegen das brutale Mullah-Regime seit seiner Etablierung. Ihre Ermordung wurde zum Symbol für die allseitige Unterdrückung durch das Regime. Der Aufstand, angeführt von jungen Frauen, versammelte hinter sich Industrie-Arbeiter*innen, nationale Minderheiten und Arme. Die Arbeiter*innen der Haft Tappeh-Fabrik schrieben in ihrem Aufruf zu landesweiten Streiks: „Mädchen der Sonne und der Revolution; Am Tag des Sieges wird die ganze Welt vor euch den Hut ziehen - ihr habt allen eine Lektion im Aufstehen und Widerstehen erteilt.“ Auch international hat die Bewegung Millionen inspiriert. Dass feministische Forderungen im Zentrum der Bewegung stehen, zeigt auch die Sprengkraft der globalen Revolte von jungen und arbeitenden Frauen.
Obwohl die Bewegung ein Jahr nach dem Mord - und den vielen die gefolgt sind - nicht mehr dieselbe Präsenz auf den Straßen hat, ist klar: für die Frauen, Unterdrückten, Arbeiter*innen und Jugendlichen im Iran gibt es kein Zurück: Sie haben gesehen, wie zum ersten Mal männliche Arbeiter für junge Frauen gestreikt und sich öffentlich solidarisch gezeigt haben; und wie zum ersten mal Jugendliche auf den Straßen Teherans ihr Leben riskierten, um durch Demo-Slogans ihre Solidarität mit der kurdischen oder baluchischen Bevölkerung auszudrücken.
“Ich war, ich bin, ich werde sein”
Das sehen wir auch tagtäglich auf den Straßen iranischer Städte, in denen das Regime versucht, die reaktionären Kleidervorschriften wieder durchzusetzen, aber dabei immer wieder auf Widerstand trifft. Im Frühjahr streikten Arbeiter*innen für höhere Löhne. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die revolutionäre Bewegung sich wieder erhebt und frei nach Rosa Luxemburg verkündet: „ich war, ich bin, ich werde sein!“ Für den Jahrestag der Ermordung werden wieder neue Proteste erwartet.
Gleichzeitig ist es notwendig, alle Schlussfolgerungen aus dem mangelnden Erfolg der Bewegung zu ziehen, im Iran und in der Solidaritätsbewegung international. Die Bewegung hat gezeigt, dass das Mullah-Regime keine Zugeständnisse machen kann; alle Fäden des iranischen Staates und der Wirtschaft laufen in seinen Händen zusammen. Sie werden Macht und Reichtum nicht freiwillig aufgeben. Um sie loszuwerden, braucht es die volle Mobilisierung aller Unterdrückten, aber allen voran die Arbeiter*innenklasse. Streiks sind nicht nur schwieriger zu zerschlagen als Demonstrationen - wenn die Arbeiter*innen in der Ölindustrie und anderen industriellen Zentren streiken, treffen sie das Regime nicht nur ins Mark; durch ihre Konzentration und die Kontrolle der Betriebe stellen sie auch alternative Machtzentren dar. Das kann nur gelingen, wenn sich eine selbstständige revolutionäre Führung der Arbeiter*innen, Frauen, Unterdrückten und Jugendlichen im Iran entwickelt. Dafür braucht es ein Programm, das nicht nur für die Befreiung von der religiösen Unterdrückung, sondern jeder Ausbeutung, Armut und Unterdrückung kämpft.
Gerade die internationale Solidaritätsbewegung und die Diskussionen im Ausland können bei der Entwicklung genau so einer revolutionären Führung und eines Programms eine zentrale Rolle spielen. Aber leider haben gerade hier die Unterstützer*innen von Reza Pahlavi (dem Sohn des ehemaligen Schah) in zahlreichen Ländern mit viel Geld und Unterstützung durch den westlichen Imperialismus die Kontrolle übernommen. Aber diese Kräfte werden nie eine Perspektive auf echte Befreiung im Iran aufzeigen können: Warum sollen Ölarbeiter*innen im Iran für den Sturz des Regimes streiken, wenn sie fürchten müssen, dass ihre Fabriken danach an westliche Konzerne verkauft werden? Deshalb wollen wir als ISA und ROSA einen sozialistischen Pol in der Bewegung aufbauen. Im Herbst 2022 haben wir antikapitalistische, feministische und internationalistische Demonstrationen mit tausenden Teilnehmer*innen organisiert. Wir werden auch am 16.9. auf die Straße gehen und für eine echte Befreiung von jeder Unterdrückung im Iran kämpfen.