Do 23.09.2010
Wussten Sie, dass der Europäische Gewerkschaftsbund EGB für 29. September zu einem europaweiten Aktionstag aufgerufen hat und in einer Reihe von Ländern an diesem Tag Streiks und Generalstreiks gegen Kürzungspläne der Regierungen geplant sind? Auch in Österreich plant die Regierung das größte Kürzungspaket der 2. Republik - wir sollen für die Krise zahlen, die wir nicht verursacht haben! Nur wegen den Wahlen sind die Details noch nicht bekannt. Wir können und wollen uns eine weitere Verschlechterung unseres Lebensstandards nicht leisten.
Der ÖGB darf keine Verschlechterungen akzeptieren und soll daher für den 29.9. auch in Österreich Aktionen, Betriebsversammlungen, Demonstrationen und Streiks gegen konkrete Angriffe - wie die geplante Arbeitszeitverlängerung bei LehrerInnen oder die geplante Streichung beim Pflegegeld - organisieren.
Interview mit Franz Neuhold, Betriebsratskandidat Technisches Museum Wien zum Aktionstag des EGB am 29.9.2010
Was wird am 29.9.2010 in Österreich passieren?
Grundsätzlich glaube ich, dass leider nur das geschehen wird was linke Organisationen und fortschrittliche Betriebsräte selbstständig organisieren. Die Ankündigung, dass ein paar FunktionärInnen nach Brüssel fliegen wollen um zu demonstrieren, sieht für mich eher nach Flucht aus. Damit tut man einem Minister Hundstorfer nicht weh.
Warum sollte man als Gewerkschafter dem ehemaligen ÖGB-Chef wehtun?
Weil er schon klar gemacht hat, dass er die bevorstehenden Kürzungen mittragen wird und nicht wie 2003 zu Streiks auffordert. Für mich hat er ganz offensichtlich die Seiten gewechselt. Aber GewerkschafterInnen, die das stört, sollten nicht nur sudern, sondern aktiv werden.
Was wirst Du am 29.9.2010 tun?
Im 20. Bezirk wird es von der SLP initiierte Aktionen geben – zu diesen werde ich auch KollegInnen einladen. Ein großer Schritt wäre es z.B. auch, den 29. als Möglichkeit zu verwenden, um mit aktiven Menschen aus anderen Bundesmuseen zusammenzutreffen. Es geht aber dabei nicht nur z.B. um einen gemeinsamen KV.
Zumindest im Kleinen können so linke GewerkschafterInnen auch versuchen, schon jetzt den notwendigen Widerstand gegenüber den kommenden Sparpaketen vorzubereiten.
Die SLP wirft im Zusammenhang mit diesen kommenden Sparmaßnahmen den Begriff Streik und sogar Generalstreik auf. In wieweit hältst Du das jetzt für realistisch?
Angesichts von Bewegungen in vielen anderen Ländern und dem Umstand, dass es auch bei uns überall unter der Oberfläche brodelt, könnten Streiks schneller bevorstehen, als es heute scheint.
Wo siehst du einen konkreten Auslöser?
Im Moment steht vor allem der öffentliche Dienst – Stichwort LehrerInnenhetze – unter Beschuss. Aber ich denke, das Sparpaket wird so massiv sein, dass ein kollektiver Aufschrei möglich ist. Ein solcher könnte dann in einen Generalstreik münden; 2003 hatten wir in einigen Städten faktisch eine solche Situation. Wir müssen aber auch aus den Erfahrungen lernen: Offensiv auf die Straße, die gesamte Bevölkerung einbinden, informieren und demokratisch von unten organisieren. Dazu ist es z.B. notwendig, dass klare Ziele formuliert und abgestimmt werden. An sich gäbe es in den Gewerkschaften auch die Ressourcen für all das.
Und werden diese Ressourcen nicht genutzt, bzw. wie könnten sie genutzt werden?
Politisch befinden sich die Gewerkschaften noch immer in zu starker Abhängigkeit gegenüber der SPÖ-Führung. Praktisch hat das Eigenleben des Apparats oft wenig mit der Realität in den Betrieben zu tun; die glauben ja wirklich noch, es gäbe eine Sozialpartnerschaft. Doch falls es eine große Protestbewegung im Herbst geben sollte, würde das ganz viel in Frage stellen. Sollte der Apparat hier nicht mitspielen wollen, würden sich viele KollegInnen überlegen gewerkschaftliche Foren selbst zu organisieren. Aus solchen Ansätzen sind in einigen europäischen Staaten auch schon neue politische Formationen auf der Linken entstanden, die sogar bei Wahlen angetreten sind.
Unter welchen Voraussetzungen könnte eine solche Bewegung tatsächlich ein Sparpaket zurückschlagen?
Erfolgreiche soziale Bewegungen brauchen auch ein Programm. Keine Kompromisse, die real Verschlechterungen bedeuten – das ist z.B. ein wichtiger Punkt. Zentral ist für mich die Frage: Wer zahlt für die Krise? – das versteht inzwischen jeder! Nämlich, dass man den Banken und Konzernen geben und von den ArbeitnehmerInnen nehmen will. Auf das versuchen ja auch SPÖ und Grüne neuerdings aufzuspringen – allerdings wenig glaubwürdig; dort wo sie an der Macht sind halten sie's nämlich genau so. Grundsätzlich müssen sich GewerkschafterInnen im Klaren sein, dass es eben am System liegt – wer sich von dem, was angeblich im Kapitalismus machbar oder nötig ist beschränken lässt, hat schon verloren.