Sa 01.09.2001
Der Libro-Konzern hat 268 Filialen und mehrere Tochterfirmen: Amadeus (Buchhandel - 27 Filialen), CeDe-Shop (Libro-Schweiz), und Libro Internationale Buchhandel (Deutschland), Libro Entertainment, MVL (Vertrieb), die Onlinevertriebsfirma "Lion.cc" und die Libro Online AG, an der Medienriese WAZ mit 30,01% beteiligt ist.
Ursprünglich gehörte Libro zum Billa-Konzern. 1996 wurde der Konzern ohne Libro an die deutsche Rewe verkauft. 1997 im Zug eines "Management Buy Outs" wurde Libro vom damaligen Management gekauft und übernommen. Es folgte 1999 eine Rahmenvereinbarung mit der Tele- kom-Austria für die Bereiche Internet und Telekommunikation. "Lion.cc" wurde gegründet und die Telekom mit 25% und einer Aktie an Libro beteiligt. Noch im selben Jahr folgte der Börsegang und der Beginn der Schwierig-keiten. Am 29. Juni 2001 wurde schließlich der Ausgleichsantrag gestellt und ein neues Manage-ment eingesetzt. In Folge wurden 450 Beschäftigte am 19. Juni 2001 beim AMS zur Kündigung angemeldet. Betroffen sind aber 2842 Beschäftigte.
Vorwärts sprach Mitte August mit den Amadeus-Beschäftigten Godehard Wolf (Betriebsrat) und Gerhard (Name von der Redaktion geändert).
Vorwärts (V): Wie ist die Stimmung derzeit?
Wolf (W): Bei Libro ist die Stimmung wohl wesentlich schlechter als bei uns. Bei Libro arbeiten die Leute halt wirklich nur fürs Geld. Bei Amadeus kommt es auf die Filiale an.
Gerhard (G): Leider ist die Belegschaft gespalten. Die Amadeus Leute sehen sich als etwas besseres als die Libro Beschäftigten und umgekehrt.
V: Bei Libro sperren die Geschäfte jetzt früher auf, wie reagieren da die Mitarbeiter; es sind ja viele Frauen mit Kindern?
W: Ich glaube das neue Management will Signale setzen, so nach dem Motto: " Wir packens an, wir verändern was". Natürlich kündigen jetzt viele, die neuen Zeiten sind gerade für Mütter mit kleinen Kindern ein Wahnsinn, das ist ein angenehmer Nebeneffekt für das Management.
G: Ich glaube die wollen einfach Leute los werden und wenn die Leute selber kündigen ist das viel billiger für das Unternehmen. Gerüchteweise sind es schon über 150 Leute. Die Belastung ist groß, weil die Schlusszeiten gleich bleiben. Außerdem werden ja die Stellen der gekündigten oft nicht nachbesetzt; was die Belastung für die Verbleibenden steigert. Für ein schlechtes Geld in der Augusthitze in einer Filiale stehen die vielleicht eh zusperrt ist etwas extrem.
V: Wer hat eigentlich verdient bei Libro, wie ist es so weit gekommen ?
G: Es gibt sicher Verbindungen zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern, und der Aufsichtsrat hat seine Kontrollfunktion nicht wahrgenommen. Es gab noch beim Börsengang 480 Millionen Sonderdividende. Die Ursache liegt nicht allein bei "Lion.cc." oder am Auslands-geschäft wie oft kolportiert wird, sondern ist hausgemacht. Es gab eine extreme Hierarchie mit rasant steigenden Gehältern, das hat die Kontrolle massiv er-schwert. Keiner wollte halt der "Miesmacher" sein, der Kritik übt.
V: Am 29.9. gibt es die 1. Ausgleichstagsatzung, kommt da das Ende?
W: Ich halte dieses Datum für nicht so wichtig. Das Ende kann, wenn es kommt, auch früher oder später kommen. In Vorbereitung auf den Ausgleich oder einen neuen Investor, der wahrscheinlich notwendig ist, werden sehr vermutlich einige Filialen v.a. in Wien geschlossen. Die Kündigungen sind bereits ergangen. Betroffen sind in Wien die Filialen: Floridsdorfer Spitz, Donau- Zentrum, Steffl und Virgin Megastore auf der Mariahilferstrasse. Außerdem eine Filiale in Feldkirch und Innsbruck.
V: Was soll jetzt passieren?
G: Der Betriebsrat ist um so stärker, je früher er seine rechtlichen Möglichkeiten zur Neige ausschöpft. Arbeitskämpfe hatten in der Vergangenheit deshalb eine schwache Verhandlungsposition, weil die Belegschaftsvertretung zu zögerlich auftrat. Ausgleiche und Konkurse in der Vergangenheit haben gezeigt, dass unterm Strich die Gesamtheit oder einen Großteil der Belegschaft ihren Arbeitsplatz verloren hat. Trotz sämtlicher Beteuerungen der Geschäftsleitungen und der Gewerkschaft. Was die Belegschaft daraus lernen kann, ist sich nicht spalten zu lassen, sondern vielmehr solidarisch zu handeln und die Öffentlichkeit zu suchen. Wir haben zu lange gewartet und müssen jetzt die Zeche dafür zahlen.