Fr 26.03.2021
Während mitten in der dritten Welle der Corona-Pandemie die Spitäler insbesondere in Ostösterreich nahezu an ihre Grenzen kommen und “Expert*innen” trotzdem empfehlen zukünftig Spitalbetten abzubauen, arbeiten die Beschäftigten in der Krankenpflege, aber auch im sonstigen Gesundheits- und Sozialbereich, seit Jahren am Limit. Das fängt schon mit der Ausbildung an: Arbeitsdruck, unbezahlte Praktika, finanzielle Not. Ebenso wie in der Ausbildung/Studium in der Krankenpflege müssen Studierende im Gesundheits- und Sozialbereich ohne Bezahlung viele Stunden Arbeit in ihren Pflichtpraktika leisten. Selbsternannte Expert*innen und Verantwortliche in der Politik jammern oft über einen angeblichen Fachkräftemangel. Aber dieses Argument ist an Heuchelei kaum zu überbieten: wenn man Menschen für eine Ausbildung gewinnen will dann ist das möglich, man muss nur Arbeits- und Ausbidungsbedigungen verbessern. Z.B. bekommen Polizeischüler*innen ab dem ersten Jahr der Grundausbildung ca. 1.765 Euro Brutto.
FH-Studierende im Gesundheits- und Sozialbereich fordern deshalb bezahlte Pflichtpraktika, was eine dringend notwendige Forderung ist. GPA und younion haben durch Druck von unten diese Forderung aufgegriffen und unterstützen eine Petition dazu, was gut ist aber noch lange nicht ausreicht. Zwei Drittel der Studierenden arbeiten neben dem Studium, um sich die Ausbildung und die Studiengebühren leisten zu können, in der Pflegeausbildung ist das ähnlich. Der Personalmangel und die allgemeine Unterfinanzierung des Gesundheits- und Sozialbereichs führen dazu, dass es keine ordentliche Praxisanleitung gibt und Studierende oft auf sich alleine gestellt sind bzw. eh schon überlastete Kolleg*innen zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen.
Viele sind unzufrieden mit diesen Verhältnissen, in den vergangenen Monaten gab es deswegen auch schon gemeinsame Proteste von Pflege- und Medizinstudierenden. Pflegestudierende setzen sich zunehmend zur Wehr und wollen sich organisieren. Das heißt an der Frage von besseren Ausbildungsbedingungen gibt es auch die Möglichkeit, Kräfte zu bündeln und den gesamten, sehr zersplitterten, Gesundheits-, Sozial- und Pflegebereich zusammenzubringen. Die Gewerkschaften haben bei diesen selbstorganisierten Protesten bisher keine entscheidende Rolle gespielt, das muss sich ändern. Eine Petition kann ein erster Schritt sein, aber entscheidend ist dass die Gewerkschaften echte Kämpfe rund um konkrete Forderungen organisieren, die Selbstorganisierung von Studierenden und Auszubildenden im gesamten Gesundheits- und Sozialbereich unterstützen und vorantreiben. Ein erster Schritt wäre den 12.Mai, den Tag der Pflege, als Aktionstag aufzugreifen und Proteste zu organisieren. Leider sind die zuständigen Gewerkschaftsführungen auf unterschiedlichen Ebenen auch über die SPÖ mit den Verantwortlichen für die Misere im Gesundheits- und Sozialsystem verbunden und haben kein Interesse daran, einen tatsächlichen Kampf um Verbesserungen zu führen. Umso wichtiger ist eine echte Basisorganisierung an den FHs und Pflegeschulen in Verbindung mit den Kolleg*innen, die schon in Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen arbeiten, denn auch Pfleger*innen, Sozialarbeiter*innen etc. die noch in Ausbildung sind können streiken und so Verbesserungen erkämpfen! Das Potential dafür, größere Verbesserungen zu erkämpfen ist unglaublich groß. In der Bevölkerung gibt es enorm viel Solidarität, auf jeder Aktion die wir und andere in den letzten Monaten zu diesem Thema organisiert haben sind wir auf sehr starke Unterstützung aus der Bevölkerung gestoßen. Unter den Beschäftigten gibt es großen Unmut, wenn es gelingt diese Solidarität und diesen Unmut zu mobilisieren um einerseits die Gewerkschaft unter Druck zu setzen endlich in die Offensive zu kommen und andererseits zu beginnen, Druck auf die Verantwortlichen in Bundes- und Landesregierung aufzubauen ist es möglich in den nächsten Monaten echte Verbesserungen zu erkämpfen.
Damit sich die Ausbildungsbedingungen im Gesundheits- und Sozialbereich nachhaltig ändern und nicht mehr so viele frühzeitig aus diesen Berufen aussteigen, braucht es außerdem mehr als bezahlte Praktika, es braucht:
- angemessen bezahlte Praktika im gesamten Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich als erster Schritt in Richtung allgemeiner existenzsichernde Bezahlung für Studierende und Auszubildende im Gesundheits- und Sozialbereich ab dem ersten Ausbildungsjahr
- sofortige Abschaffung der Studiengebühren
- 20% mehr Personal und zusätzliches, extra geschultes Personal um eine bedarfsgerechte Praxisanleitung gewährleisten zu können
- 6% Lohnerhöhung + Corona-Zuschläge für alle
- 250 Euro Corona Bonus pro Monat der Pandemie für ALLE Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich
- Arbeitszeitverkürzung auf 30h bei vollem Lohn- und Personalausgleich
Woher das Geld für all das kommen soll? Während Corona sind auch in Österreich die Reichen noch reicher geworden. Das durchschnittliche Vermögen des reichsten 1% in Österreich ist rund 150 mal höher als jenes von einem durchschnittlichen Haushalt. Während die Regierung Millionen zur Rettung von Konzernen ausgibt, ändert sich an der Unterfinanzierung “systemrelevanter” Branchen nichts. Das zeigt, wie notwendig ein grundlegender Systemwechsel weg von der kapitalistischen Profitlogik ist. Die Pandemie hat mehr als deutlich gemacht, was sich im Gesundheitssystem grundlegend ändern muss. Drohende Kürzungen in dem Bereich während der Krise machen es umso notwendiger, dass die Gewerkschaften aus ihrem Corona-Schlaf erwachen und für ein bedarfsorientiertes, ausfinanziertes und öffentliches Gesundheits- und Sozialsystem kämpfen, das nicht dem Profit dient. Dafür müssen wir Druck von unten aufbauen und uns selbst organisieren: Schließ dich der SLP an, die sich zum Beispiel gemeinsam mit Kolleg*innen bei der Basisinitiative “Sozial aber nicht blöd” für diese Forderungen und für einen kämpferischen Kurs innerhalb der Gewerkschaften einsetzt.