Fr 05.08.2005
Am kommenden Sonntag finden in Venezuela Kommunalwahlen statt. Das ist in der ganzen Stadt deutlich. Allerdings sehr unterschiedlich - je nachdem, ob man sich in einem ärmeren oder reicheren Stadtteil befindet. In den armen Stadtteilen Valle und Coche z.B. gibt es fast nur pro-Chavez Plakate. Auf den ersten Blick und aus der Ferne mögen diese Bezirke malerisch wirken. Kleine, teilweise bunt bemalte Häuschen schmiegen sich förmlich an den Berg. Bei näherem Hinsehen verschwindet der malerische Eindruck aber rasch. Es sind illegal errichtete Häuser, klein und übereinander gestapelt, die meisten sind nicht verputzt, viele durch Wellblech zumindest ergänzt.
Die Armut ist hier allgegenwärtig. Ein junger Mann wartet vor einem eingezäunten Wohnkomplex darauf, jemandem die Einkäufe nach Hause zu tragen und so ein paar Bolivares zu verdienen. Ein alter, blinder Mann geht mit einer Blechdose für Almosen von Lokal zu Lokal. Bei vielen der Bussen und Autos fragt man sich, wie sie überhaupt noch fahren können. Die Plakate der Oppositionsparteien hängen hier nicht lange.
Anders in den reichen Vierteln - man fühlt sich wie in einer beliebigen europäischen Metropole, schicke Autos, gut gekleidete Menschen und Wahlplakate der Oppositionsparteien. Auffällig ist, dass die KandidatInnen der Opposition meist viel hellere Haut als die Mehrheit der Bevölkerung haben. Die Klassen- und sozialen Unterschiede sind hier optisch sehr deutlich.
In der Opposition gibt es heftige Debatten darüber, ob man sich an den Wahlen überhaupt beteiligen soll. Manche versuchen es, manche rufen zum Wahlboykott auf. Als Grund nennen sie eine angebliche Wahlfälschung durch die Regierung - eine alte Behauptung, die schon bei den letzten Wahlen aufgestellt wurde um über das schlechte Ergebnis der Opposition hinwegzutäuschen.
Obwohl die Zustimmung zur Politik von Chavez bzw. der Regierung groß ist, ist es fraglich, ob die Wahlbeteiligung hoch sein wird. Es gibt Kritik an der Auswahl der KandidatInnen. Oft werden sie von oben bestimmt, viele sind in ihren Wahlkreisen nicht bekannt.
Letztlich sind die sozialen Probleme auf dem Weg von Wahlen allein nicht lösbar. Die Graffities, die "Sozialismus" fordern sind allgegenwärtig. Aber Sozialismus braucht Demokratie, braucht die aktive Teilnahme der Bevölkerung. Die ArbeiterInnen, Bauern und BäuerInnen, die Jugendlichen und die Armen dürfen keine bloßen ZuschauerInnen sein, sondern müssen der führende Teil des Prozesses sein. In Venezuela ist ein grosser Teil der Wirtschaft - v.a. die Ölindustrie - verstaatlicht. In den letzen Monaten haben darüberhinaus Verstaatlichungen stattgefunden. Es gibt eine Diskussion über "Cogestion". Darunter ist - je nach dem mit wem man spricht - ArbeiterInnenmitbestimmung, Co-Management, ArbeiterInnenselbstverwaltung - zu verstehen. Diese Debatte und ihr Ergebnis sind zentral für die kommenden Entwicklungen. Mehr dazu später.