Di 24.05.2016
Erleichterung bei Vielen. Bei Anderen Enttäuschung, Stolz („ihr habt alles aufgebracht was ihr habt, und dennoch habt ihr uns nur knapp geschlagen“) und ein Hauch von Rachegedanken („beim nächsten Mal dann“ sowie die Fantasien vom Wahlbetrug) – so sieht das emotionale Ergebnis der 2. Runde der Bundespräsidentschaftswahlen aus. Die vielen WählerInnen die gegen Hofer (und die wenigsten für Van der Bellen) gestimmt haben, haben den Ausschlag gegeben. Gelöst wurde damit nichts. Denn tatsächlich hat ein rechtsextremer Kandidat 49,65% erhalten, ein historisches Ergebnis, nicht nur für die FPÖ, sondern für die gesamte rechtsextreme bzw. rechtspopulistische Szene europaweit. Die Alarmglocken können angesichts dieses Ergebnisses gar nicht laut genug klingeln!
Es ist nicht weniger, aber auch nicht mehr als eine Atempause gewonnen worden – diese muss nun aber auch genutzt werden. Die FPÖ ist alles andere als geschwächt. Hofer schreibt in seiner ersten Stellungnahme „Bitte seid nicht verzagt. Der Einsatz für diesen Wahlkampf ist nicht verloren, sondern eine Investition in die Zukunft“. Und er hat Recht damit – die FPÖ hat sich eine hervorragende Ausgangssituation für die nächsten Wahlen, spätestens im Superwahljahr 2018 geschaffen.
Eine FPÖ-Regierung ist noch gefährlicher als die widerliche existierende – sie bedeutet Angriffe auf Frauen, MigrantInnen, Jugendliche, LGBTQ-Personen, Arbeitslose etc. Eine FPÖ-Regierung bedeutet einen beschleunigten Angriff auf demokratische Grundrechte und verschärfte Zerschlagung des Sozialstaates. Eine FPÖ-Regierung gibt der extremen Rechten auf der Straße noch mehr Selbstvertrauen, die sich in zunehmend gewalttätigen Übergriffen ausdrückt.
Um die Atempause wirklich zu nutzen, müssen endlich die Lehren gezogen werden. Mit den Regierungsparteien, der „Opposition“ und VdB ist der Aufstieg der FPÖ nicht zu stoppen. Die zehn- und hunderttausenden Menschen, die aus berechtigter Angst vor Hofer (angewidert aber doch) VdB gewählt haben, brauchen eine echte Alternative, um die Angriffe der Regierung UND die FPÖ zurück zu drängen. Die „Aufbruch“-Konferenz am 3. und 4. Juni kann hierzu ein Ansatzpunkt sein.
Hintergrund der Wahl ist die wirtschaftliche, soziale und politische Krise
Eine Wirtschaft, die seit bald zehn Jahren schwächelt, Löhne die stagnieren bzw. sinken, der Großteil der Bevölkerung, die sehr reale Existenzängste hat. Die VertreterInnen von Wirtschaft und ihre HelferInnen in der Politik wissen sehr genau, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die nächste Krise kommt. Sie brauchen politische RepräsentantInnen, die Stabilität mit entschlossener „Umgestaltung“ (also Sozialabbau, erhöhter Arbeitsdruck etc.) verbinden. Zu dieser wirtschaftlich unsicheren bzw. bedrohlichen Lage kommt eine politische Elite hinzu, die hilf- und planlos wirkt. Ereignisse, die sich in den letzten Monaten zu überschlagen scheinen: Flüchtlinge – Solidarität, Hetze, Bürgerwehren, Zäune, Köln, massive Hilfe. Laufend Regierungskrisen und Regierungsumbildungen inklusive nun einem Manager-Kanzler den niemand gewählt hat. Dazu noch die internationalen Krisen mit Syrien/Naher Osten, Ukraine/Russland etc. Das Gefühl der Unsicherheit steigt und wird von Medien und Politik noch zusätzlich geschürt.
Der wichtigste Grund der Hofer-WählerInnen war die Unzufriedenheit mit der Regierung. Sogar in dieser Schicht war nur für 12% die „Flüchtlingskrise“ zentrales Wahlmotiv. Und dieser Hass auf die Regierung ist nicht nur verständlich, sondern berechtigt. Wer also versucht, die Stimmen für Hofer mit „fehlender Bildung“ oder „Dummheit“ oder auch „das sind alles Nazis“ zu erklären, liegt meilenweit daneben. Das bewusst rechtsextrem/faschistische Klientel lag historisch nach 1945 bei 4-5%. Es mag durch die Jahrzehnte an staatlichem Rassismus und FPÖ-Hetze größer geworden sein, doch das ist nicht die Masse, die die FPÖ stark macht. Hofer und der FPÖ ist es erfolgreich gelungen, sich als „anders“, als „Outlaws“ und die Opfer des Establishments zu inszenieren. Was ihnen angesichts des nationalen Schulterschlusses des Establishments hinter VdB auch nicht schwer gefallen ist. Jeder Wahlaufruf eines SPÖVP-Politikers, Künstlers etc. hat das Bild von „alle haben sich gegen den Hofer verschworen“ verstärkt. Insbesondere da diese in keinster Weise die real existierenden Zukunftsängste (Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, Wohnungsnot und die Anzeichen der neuen Krise) sowie die Frage des Umgangs und der Finanzierung von Flüchtlingen aufgegriffen haben. Gerade die RegierungsvertreterInnen zeichnen seit fast einem Jahr ein weitgehend künstlich geschaffenes Bild von Notstand.
Die ehemals starken Parteien SPÖ und ÖVP sind im 1. Wahlgang massiv abgestraft worden. Die jeweils rund 11% sind wohl der verbliebene harte WählerInnen-Kern dieser Parteien. Die weniger als 500.000 Hundstorfer/SPÖ-WählerInnen entsprechen im wesentlichen den loyalen Mitgliedern der Partei plus Umfeld. Dass sie zum überwiegenden Teil (69%) im 2. Wahlgang VdB gewählt haben drückt aus, dass man eine Abberufung der SPÖ aus der Regierung verhindern wollte. Zahlreiche traditionelle SPÖ-WählerInnen wählen schon länger nicht mehr SPÖ, manche wählen heute FPÖ, viele wählen gar nicht mehr. Trotz der hohen Wahlbeteiligung darf nicht übersehen werden, dass fast 30% der Wahlberechtigten nicht gewählt haben (und viele hundertausend mehr nicht wählen durften!). Das burgenländische Ergebnis (rund 65% Hofer) zeigt einmal mehr, dass die „Einbindung“ der FPÖ nicht bei deren Bekämpfung hilft, sondern im Gegenteil diese stärkt. Das Wahlergebnis zeigt auch, dass die simple Gleichung „mehr Flüchtlinge – mehr FPÖ-WählerInnen“ die manche SPÖlerInnen zur Rechtfertigung ihrer Anbiederung an die FPÖ und ihren Rassismus aufstellen, nicht stimmt, da es auch z.B. in Städten mit vielen Flüchtlingen eine Mehrheit gegen Hofer gab. Weitere Debatten und Spannungen in der SPÖ sind vorprogrammiert, da für den künftigen Umgang mit der FPÖ und dem Flüchtlingsthema auf Grundlage dieser Wahl sehr unterschiedliche Schlüsse gezogen werden. Die SPÖ selbst hat sich durch den Kanzlerwechsel kurzfristig stabilisiert. Doch nicht nur dass die innerparteilichen Debatten um die Fragen FPÖ und Flüchtlinge weiter zuspitzen werden, werden auch extern die Vorschusslorbeeren für Kern nicht lange halten. Erinnert sei daran, wie rasch Mitterlehners „Django“-Bonus verpufft ist. Kerns hohe Umfragewerte werden rasch wieder absinken, da er die sozialen Probleme nicht wird lösen können und auch ein ärmelaufkrempelndes „wir packens an“ bestenfalls vorübergehend wirkt. Die Krise der Regierung bzw. die Krise der SPÖ sind alles andere als vorbei.
Auch wenn die Grünen von einer „Bewegung“ für VdB sprechen, war das wichtigste Wahlmotiv der VdB-WählerInnen nur, das er eben nicht Hofer ist. 48% der VdB-WählerInnen haben ihn gewählt, um Hofer zu verhindern (bei jenen, die erstmals ein Mitglied der Grünen gewählt haben waren es sogar 60%), nur für 11% war es die Übereinstimmung der politischen Inhalte. VdB steht für alle Ursachen, nicht für die Lösung des Problems Rechtsextremismus. Er steht für ein abgehobenes politisches System, für eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die verantwortlich ist für die wachsende Armut und sozialen Probleme. VdB will ein ähnlich unsichtbarer Präsident sein wie Fischer. Auch deshalb war er der Wunschpräsident von großen Teilen des österreichischen Kapitals und Establishments, die sich von ihm ein stabileres politisches System sowie eine klarer EU-Orientierung erwarten. Und VdB wird sich bemühen, diese Erwartungen auch zu bedienen. Er ist ein klares Signal auch der Grünen in Richtung ÖVP, hat sich als Repräsentant „bürgerlicher Werte“ inszeniert und die hohe Unterstützung für VdB in z.B. Tirol oder Vorarlberg zeigt, dass „grün“ den Schrecken für ländliche bzw. bürgerliche Schichten längst verloren hat. Schon im Zuge des Wahlkampfes ist VdB laufend nach rechts gewandert. Seine ersten Reden nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zeigen, dass er kein Bollwerk gegen rechts sein wird. Das knappe Wahlergebnis wird ihm als Rechtfertigung zur Angelobung eines FPÖ-Kanzlers dienen. Er wird versuchen, wenig aufzufallen, doch wo er es tut, wird es linken Ideen schaden und den Kampf gegen Rassismus und Sozialabbau erschweren.
Die Gräben verlaufen nicht einfach nur zwischen den WählerInnen von Hofer und VdB sondern zwischen Arm und Reich
Die Wahlbeteiligung war zwar höher als im 1. Wahlgang und als bei der letzten Wahl, aber dennoch niedriger als bei so gut wie allen anderen Bundespräsidentschaftswahlen der 2. Republik (auch im Vergleich zu jenen seit Ende der Wahlpflicht). Das zeigt auch, dass für viele der „Richtungswahlkampf“ an den wesentlichen Themen vorbei ging. Es gab trotz einer massiven Politisierung wenig Begeisterung für die Kandidaten, insbesondere nicht für VdB (aber auch die FPÖ hatte z.B. nicht einmal genug Personal, um alle BeisitzerInnen bei der Wahl zu stellen). Die massive Unzufriedenheit und auch Polarisierung gärt v.a. unter der Oberfläche. Das ändert aber nichts daran, dass das Gefühl „es muss sich was ändern“ überwältigend ist. Der Großteil der Hofer-WählerInnen hat ihn aus diesem Grund gewählt, und auch bei den VdB-WählerInnen will nur die Minderheit „das es bleibt wie es ist“. Doch genau dass ist eigentlich VdBs Programm auf den Punkt gebracht. Der Wunsch nach einer Veränderung ist eigentlich sogar ein verbindendes Element vieler WählerInnen beider Kandidaten.
Daher ist die Gesellschaft auch weniger gespalten, als es Polit“Experten“ uns weiß machen wollen. Abgestraft worden ist das System der Sozialpartnerschaft, der abgehobenen Eliten und der Kürzungspolitik. Es sind also primär der Wunsch nach Veränderung, gegen „die da oben“ und die Sorge um die Zukunft, die Menschen zum Kreuz machen bei Hofer motiviert haben. Und genau das ist ein Ansatzpunkt: denn neben dem rechtsextremen Bodensatz, den es zweifellos auch gibt, gibt es viele v.a. ArbeitnehmerInnen und Arbeitslose, die für eine linke Alternative ansprechbar sind. Es kann kein Bündnis mit jenen geben, die Rassismus als Lösung der sozialen Probleme sehen. Aber jene, die auf einen Denkzettel aus waren und sonst wenig mit der FPÖ-Programatik gemeinsam haben, gilt es anzusprechen. Die FPÖ ist stark, weil es keine starke linke Alternative gibt. 71% aller ArbeitnehmerInnen, die erwarten, dass sich ihr Leben künftig verschlechtern wird – und damit haben sie angesichts von Krise und Kürzungspolitik auch recht – haben Hofer gewählt. Der ehemalige ÖGB-Präsident und ex-Sozialminister Hundstorfer war offensichtlich kein attraktiver Kandidat für den absolut überwiegenden Teil der ArbeiterInnenklasse – Er wurde deswegen auch mit 12% abgestraft. 77% der Hofer-WählerInnen sprechen sich „für einen starken Präsidenten der Regierung und Parlament sagt, was sie tun sollen“ aus. Das spiegelt ein zurückgeworfenes Bewusstsein wieder da die Option selbst aktiv werden und v.a. durch eine kämpferische Politik der ArbeiterInnenbewegung Veränderungen zu erkämpfen als Option nicht vorkommt. Es ist aber zu kurz gegriffen, dass einfach als „Ruf nach dem starken Mann“ zu interpretieren. Hier geht es auch stark um den Wunsch, dass „endlich was passiert“, dass endlich mal wer „die da oben wachrüttelt“ und „auf den Tisch haut“. 53% aller ArbeitnehmerInnen (die zur Wahl gegangen sind!) haben für Hofer gestimmt – das bedeutet aber auch, dass 47% für einen abgehobenen, elitären Neoliberalen gestimmt haben, mit im Wesentlichen einem Ziel – Hofer zu verhindern. Immerhin 45% der Gewerkschaftsmitglieder haben Hofer ebenfalls gewählt. All das zusammen ist auch Ausdruck für das völlige Versagen der Gewerkschaft. Nicht nur, dass sie kein effektives Bollwerk gegen Rassismus ist, weil sie selbst auf „Österreicher zuerst“ Logik setzt. Sie wird – zu Recht – auch nicht als Instrument gesehen, um die Regierung unter Druck zu setzen, um endlich wirklich die Arbeitslosigkeit und die wachsenden (sozialen) Probleme zu lösen.
Es ist gut, dass Hofer nicht gewonnen hat. Sein Sieg hätte die Rechtsextremen unmittelbar noch viel selbstbewusster gemacht. Die Vielzahl an Drohungen, explizit und implizit, die in den letzten Wochen direkt aber auch stark in den sozialen Medien ausgesprochen wurden („wartets nur, nach dem Sonntag...) zeigen die Gefahr die immer stärker wird. Der Nazi-Mörder von Vorarlberg hat nicht unmittelbar aus politischen Gründen gemordet. Doch er und seinesgleichen bewaffnen sich in den letzten Monaten zunehmend und es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Aggression, dieser Hass und diese Bewaffnung zu immer gefährlicheren, brutaleren und tödlichen Angriffen führt. Mit einem Wahlsieg Hofers hätte sich dieses Spektrum sicherer und noch selbstbewusster gefühlt. Der Aufmarsch der Identitären am 11. Juni wird auch ein Indikator für die Stimmung innerhalb der extremen Rechten sein.
Jetzt Alternative aufbauen
Die knappe Niederlage von Hofer hat eine Atempause verschafft. Doch VdB und die Bundesregierung bereiten durch die Fortsetzung ihrer Politik den Wahlsieg der FPÖ vor. Sie ändern nichts an all dem, was die Menschen so wütend macht. Im Gegenteil sind sie dafür verantwortlich bzw. selbst das Problem. Allen Ankündigungen über einen „neuen Stil“ gehen an den realen Problemen der Menschen vorbei. Die Kürzungspolitik wird fortgesetzt werden. Und damit die Grundlage für ein weiteres Wachstum des Rechtsextremismus gelegt werden. Um den weiteren Aufstieg der rechten zu stoppen braucht es Widerstand gegen die FPÖ, gegen VdB und gegen die Regierung(en).
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Es reicht nicht „FPÖ raus! Flüchtlinge rein“ oder „Refugees welcome“ zu rufen wenn nicht gleichzeitig laut und deutlich erklärt wird, wo das Geld für Flüchtlinge UND hier lebende herkommen muss: nämlich von den Superreichen. Wer sich auf die moralische Ebene beschränkt, treibt die Menschen der FPÖ in die Arme.
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Die FPÖ kann entzaubert werden. Aber nicht, indem man sich darauf beschränkt, ihren rechtsextremen Charakter und ihre Verbindungen zur Naziszene aufzuzeigen. Sondern in dem Widerstand gegen ihre konkrete Politik organisiert wird. In Wels, in Wiener Neustadt, in Oberösterreich ist die FPÖ zentral für brutale Kürzungen verantwortlich. Den Widerstand gegen diese Politik zu organisieren ist ein effektiver Kampf gegen die FPÖ an sich.
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Eine politische Alternative ist notwendig. Die FPÖ ist die Partei, die unter Jugendliche den größten Teil an Stammwählern (v.a. männlich) hat. Es ist ihr gelungen, einen Teil einer ganze Generation (rassistisch) zu prägen und an sich zu binden. Ihre WählerInnen werden mit ihr älter. Doch wo sie an der Macht ist, wird sie auch zum Establishment und steht auch in einem Konkurrenzverhältnis mit z.B. den radikaler auftretenden Identitären bzw. wird ebenfalls als korrupt wahrgenommen. Gerade für Jugendliche, die keine Bindung an eine Partei haben braucht es das Angebot einer neuen linken kämpferischen Alternative. Der Aufbau einer Linkspartei, einer neuen ArbeiterInnenpartei ist notwendig im Kampf gegen die FPÖ.
Die Atempause müssen wir nutzen um eine ECHTE ALTERNATIVE zu den etablierten Parteien und zur FPÖ aufbauen müssen. Die Konferenz von Aufbruch am 3. und 4. Juni stößt auf enormes Interesse. Viele sehen die dringende Notwendigkeit, einer echten und längerfristigen Alternative gegen FPÖ und Regierung. Eine Kampagne die fordert, den Reichtum der Superreichen für Soziales, Jobs und Flüchtlinge einzusetzen ist ein guter Startpunkt, um eine neue politische Kraft aufzubauen, die bei kommenden Wahlen auch eine Wahlalternative sein kann. Nach dem Schock kommt der Aufbruch – Nutzen wir die Atempause! Jetzt!