Do 04.08.2005
Die kommenden 15 Tage werde ich in Caracas, Venezuela, verbringen. Hier finden von 7.-15. August die 16en Weltjugendfestspiele statt. Zehntausende Jugendliche aus der ganzen Welt kommen unter dem Motto "Für Frieden und Solidarität - wir kämpfen gegen Imperialismus und Krieg" zusammen.
Venezuela ist aber nicht nur deshalb interessant. Seitdem Hugo Chavez 1998 zum Präsidenten gewählt wurde, ist Venezuela ein Brennpunkt. Die "bolivarische Revolution" - ein Prozess bei dem Chavez versucht, den Ölreichtum des Landes u.a. auch für Bildungs- und Gesundheitsprogramme für die armen Teile der Bevölkerung einzusetzen, in dem es aber auch die ersten Verstaatlichungen gab - lässt niemanden kalt. Neben glühenden BefürworterInnen gibt es wütende GegnerInnen - allen voran die herrschende Klasse in Venezuela selbst und in den USA. Venezuela gehört zu ihren wichtigsten Öllieferanten und ein radikal-populistisches Modell, wie es Chavez umzusetzen versucht, stößt in ganz Lateinamerika auf Interesse und Symphatie.
Am Weg vom Flughafen reiht sich ein Graffiti an das andere - die GegnerInnen warnen vor einer angeblichen drohenden kubanischen Invasion und es gibt anti-Fidel- und anti-Kommunismus-Schmiererein (die einzige kubanische Invasion die es tatsächlich gibt sind die mehr als 10.000 kubanischen ÄrztInnen die für Viele erstmals den Zugang zu medizinischer Versorgung bieten). Die Mehrheit sind aber Sprüche, die Chavez und seine Politik unterstützen. In den letzten Jahren wurden Schulen und Universitäten eröffnet, es gab eine großangelegte Alphabetisierungskampagne und massive Verbesserungen im Gesundheitswesen. Trotzdem reihen sich im Zentrum von Caracas immer noch die schlafenden Obdachlosen aneinander, gibt es Slums und Elend. Deutliches Zeichen für die Armut sind die extremen Sicherheitsvorkehrungen: alle Fenster sind vergittert, in viele Geschäfte, Hotels etc. kommt man nur nachdem die Tür von innen geöffnet wurde.
Die Hoffnungen sind in diesem Land, in dem rund 80% als arm gelten, groß. Wie die Menschen die Veränderungen warnehmen, welche Hoffnungen und Erwartungen sie haben werde ich in den nächsten Tagen versuchen, herauszufinden.
In den letzten Monaten hat in Venezuela eine Diskussion über "Sozialismus" begonnen. Immer mehr stellen sich die Frage, ob eine Lösung der Probleme im Rahmen des Kapitalismus überhaupt möglich ist. Chavez hat von einem "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" gesprochen. Was er darunter versteht, ist aber unklar. Diese Frage - welchen Sozialismus und v.a. wie dort hin kommen, das ist die zentrale Frage meines Besuches. Mehr davon in den nächsten Tagen.