Fr 09.11.2012
Am 9. September protestierten mehr als 800 GewerkschaftsaktivistInnen in Brighton beim Kongress des britischen Gewerkschaftsverbandes (TUC) - organisiert vom National Shop Stewards Network (NSSN – Bundesweites Netzwerk von BetriebsrätInnen). Es sprachen führende FunktionärInnen der PCS („Public and Civil Servants“), der RMT („Rail, Maritime and Transport“) und der POA (Gewerkschaft der GefängniswärterInnen). Das sind drei der kämpferischsten Gewerkschaften in Britannien, und alle gratulierten dem NSSN für die Verbreitung der Idee eines 24-Stunden-Generalstreiks gegen die 100 Milliarden-Kürzungsorgie der konservativ-liberalen Regierung. Die POA brachte einen Antrag ein, dass die Gewerkschaften „koordinierte Aktionen mit weitreichenden Kampagnen bis hin zu einem Generalstreik“ organisieren sollten. Die Protestkundgebung der NSSN beim Gewerkschaftskongress sollte dieser Forderung Nachdruck verleihen. Kurz davor hatte der Bundesvorstand des TUC darüber abgestimmt, ob dieser Antrag unterstützt wird – mit 16 zu 16. Zwei der großen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, Unison (die größte Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes) und die GMB („General, Municipal, Boilermakers“), enthielten sich zu diesem Zeitpunkt noch. Gerade als sich die Kundgebung der NSSN dem Ende zuneigte und der Kongress beginnen sollte, wurde angekündigt, dass nach der GMB nun auch Unison entschieden hatte, den Antrag der POA zu unterstützen. Damit war klar, dass der Antrag beschlossen werden würde.
Natürlich ist die Verabschiedung eines Antrags auf einem Gewerkschaftskongress nicht gleichbedeutend mit einem Aufruf zu einem Generalstreik durch den TUC. Es wäre der erste Generalstreik in Britannien seit 1926. Aber die Idee ist nun durch die Abstimmung ein Faktor geworden. ArbeiterInnen diskutieren darüber, wie die massiven Kürzungen, von denen 85% noch ausstehen, zurückgeschlagen werden können. Bis jetzt wurden bereits 400.000 öffentlich Bedienstete abgebaut, Löhne sind für vier Jahre eingefroren, Privatisierung des Gesundheitssystems, eine Verdreifachung der Studiengebühren auf 9.000 Pfund/Jahr, Kürzung von Beihilfen etc. Auf der Konferenz der Konservativen hat Finanzminister Osborne weitere 16 Mrd. Kürzungen angekündigt, von denen 10 Mrd. den Sozialbereich betreffen und die Ärmsten treffen.
Diese wichtigen Ereignisse zeigen die zentrale Rolle des NSSN. Das hat sich auch bei den koordinierten Streikaktionen im Juni und November letzten Jahres sowie am 10. Mai bestätigt. In Wirklichkeit hat die RMT diese Rolle vorweggenommen, als sie 2006 nach zwei Jahrzehnten historisch niedrigen Levels von Kämpfen das NSSN initiierte. Das NSSN ist eine Organisation, die versucht, BasisaktivistInnen der Gewerkschaft und BetriebsrätInnen zusammenzubringen. Es verbreitet Informationen über ArbeiterInnen im Kampf, um Unterstützung und Solidarität aufzubauen. Aber es kann auch selbst als Katalysator für Kämpfe fungieren, um durch die Basis Druck auf die Gewerkschaftsführung aufzubauen. Die Socialist Party (CWI in England & Wales) hat sofort das Potential einer solchen Basis-Gewerkschaftsorganisation in Zeiten heftigeren Klassenkampfes erkannt. Wir haben innerhalb des NSSN große Autorität und konnten AktivistInnen von unserer Strategie und Orientierung überzeugen. Die Perspektive hinsichtlich der potentiellen Rolle des NSSN beginnt sich zu bestätigen. Während die Streiks im Öffentlichen Dienst stocken, hat das Vorbild streikender GewerkschafterInnen und der bundesweiten Demonstrationen rund um die Verteidigung der Pensionen einer wachsenden Zahl von ArbeiterInnen im privaten Sektor Selbstvertrauen gegeben. Wir haben dieses Jahr eine ganze Reihe von lokalen und bundesweiten Auseinandersetzungen gesehen. Einige waren erfolgreich, wie die der ElektrikerInnen in der Bauindustrie, die verhindern konnten, dass ihre Löhne um 35% reduziert wurden. Ebenso bei den Londoner BusfahrerInnen, die sich mit dem ersten Streik seit 30 Jahren einen Olympia-Bonus sichern konnten.
Das NSSN hat durch konkrete Forderungen und Methoden, aber auch durch die harte Arbeit der Intervention vor Ort Autorität gewonnen. Das Minority Movement der 1920er sowie das „Liason Comittee for the Defence of Trade Unions“ in den 60er/70er Jahren, beide unter Einfluss der KP, konnten Tausende ArbeiterInnen mobilisieren. Das NSSN muss für eine ähnliche Position kämpfen, um eine entscheidende Rolle in der Verteidigung der Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung spielen zu können.