Mi 12.04.2006
Der ÖGBB ist mit rund 1,3 Millionen Mitglieder eine potentiell mächtige Organisationn. Aber was tut der ÖGB damit? Die Basis hat im ÖGB nichts zu reden – Mitglieder können nicht mitdiskutieren, nicht mitentscheiden. Es ist z.B. im Statut des ÖGB nicht vorgesehen, das BetriebsrätInnen für führende Funktionen kandidieren können - da ist VertreterInnen des Apparates vorbehalten. Die Interessen der Basis sind nicht zentral wichtig für die Politik und Interessen der Führung.
Seit seiner Gründung 1945 sieht sich der ÖGB als staatserhaltende, sozialpartnerschaftliche Organisation und nicht als eine Klassenorganisation. Sie sehen sich als Teil des – bürgerlichen – Staates und versuchen das auch mittels „staatsmännischem Auftreten“ zu beweisen.
Die jüngsten Ereignisse rund um die Bawag sind ein Skandal – aber sie sind nur die Spitze des Eisberges und typisch für das Verständnis der ÖGB-Führung. Der Bawag-Verkauf wurde wiederrum in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an der Mitgliedschaft vorbei beschlossen und setzt diese Unsitte fort.
Seit den 80er Jahren können Regierungen fast unbehindert durch den ÖGB Privatisierung und Sozialabbau betreiben. Anfang der 90er Jahre hat der ÖGB sogar selbst Vorschläge für ein Sparpaket gemacht – wie auch 2003 mit seiner „Pensionsformel“, die v.a. für Frauen massive Verschlechterungen bedeutet.
Verzetnitsch hat sich 2000 für die Bank und gegen die Gewerkschaft entschieden – und damit typisch für den ÖGB gehandelt. Nicht nur, dass ÖGB Beteiligungen bzw. Besitz an einer Reihe von Unternehmen (Bawag, ÖNB, Lotterien, Börse...) besitzt. Er hat auch die Logik des Kapitalismus voll akzeptiert. In der Denkweise der ÖGB-Führung gibt es keine Alternative zum Kapitalismus – dh allerdings in Zeiten der Krise des Kapitalismus (und in einer solchen befinden wir uns) auch das Akzeptieren von „Sachzwängen“. Und so hat der ÖGB in den letzten Jahren Verlängerungen der Arbeitszeiten, der Prekärisierung von Jobs etc. entweder zugestimmt oder zumindest nichts ernstzunehmendes dagegen unternommen. Die durchschnittliche Arbeitszeit ist in Österreich heute 44,1 Stunden - allein durch den Abbau von Überstunden könnten 175.000 Vollzeitjobs geschaffen werden. Aber was hören wir von Kollegin Ledwinka, der ÖGB-Bundesfrauensekretärin, zur Frage von Arbeitszeitverkürzung (im Rahmen einer SLP-Veranstaltung am 9. März 2006, Anm.)? Es gäbe zwar eine aufrechte Beschlusslage des ÖGB zur 35-Stunden-Woche, aber „innerhalb des ÖGB keine Mehrheit dafür“. Dass kann nur bedeuten, dass sich die angestellten und von unseren Mitgliedsbeiträgen bezahlten ÖGB-FunktionärInnen nicht an die gefällten Beschlüsse halten!
Die mangelnde Demokratie, das völlig über die Mitgliedschaft hinweg agieren, uns wie unmündige kleine Kinder behandeln – das ist ein wichtiger Aspekt im Bawag-Skandal und der ÖGB-Krise. Spitzenfunktionären wie Verzetntisch & Co. haben ihr soziales Umfeld bei den Leitls & Co. – und übernehmen nicht nur ihren Lebensstil, sondern auch ihre politischen Ideen. Da ist es auch kein Wunder, wenn Verzetnitsch 2004 den Kok-Bericht unterzeichnet (ein EU-Dokument, Anm.), wo die Liberalisierung von Märkten wie Post und Eisenbahn, die Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs (Bolkestein) und Zurückhaltung bei Lohnforderungen gefordert wird.
Als der Druck der Gewerkschaftsbasis 2003 im Zuge der geplanten „Pensionsreform“ zu stark wurde, war selbst die ÖGB-Führung gezwungen, aktiv zu werden. Die Beteiligung von rund 1 Million ArbeitnehmerInnen an den Streiks 2003 – gegen die Pensionsreform und auch bei den ÖBB Ende 2003 - haben alle Behauptungen der Bürokratie, die ArbeitnehmerInnen würden nicht kämpfen wollen, Lügen gestraft. Aber 2003 hat die ÖGB-Führung ihre Macht missbraucht, um die Streiks abzubrechen, bevor sie Erfolg hatten.
Durch das Bekanntwerden des Bawag-Skandals ist der ÖGB nun in einer tiefen Krise. Allerdings wird Verzetnitsch gelobt, das er die Bawag gerettet hat – er selbst weist in seiner persönlichen Stellungnahme stolz darauf hin, dass er das Eigenkapital der Bawag verdreifacht und auch die Bilanzsumme massiv gesteigert hat. Die politische Bilanz von Verzetnitsch ist alles andere als positiv: in den letzten Jahren war der ÖGB im besten Fall lasch, Verzetnitsch hat – und das ist typisch für die ÖGB-Haltung – sich als Vermittler zwischen ArbeitnehmerInnen und Unternehmen gesehen und der ÖGB hat Mitglieder verloren.
Der Rücktritt von Verzetnitsch ändert aber nichts und löst auch nichts. Hundsdorfer ist ein deutliches Signal gegen einen Kurswechsel. Aber wir können uns eine solche Gewerkschaftsführung nicht mehr leisten! Niemand von uns geht mit 11.000 Euro in Pension, niemand kriegt einen gutdotierten Versorgungsposten, wenn er rausfliegt.
Regierung, Unternehmerorganisationen und Gewerkschaftsfeinde fahren nun eine Angriffskampagne gegen den ÖGB. Sie erhoffen sich Zugriff oder zumindest Informationen über die Finanzen der Gewerkschaften. Das BZÖ hofft verzweifelt, endlich ein Thema gefunden zu haben, wo sie sich profilieren können. Aber ihnen allen geht es nicht um die Gewerkschaftsbasis, sondern darum, die Gewerkschaftsbewegung zu schwächen. Sie wollen bei ihren künftigen Angriffen noch weniger Gegenwehr.
Die Angriffe auf Arbeits- und Lebensbedingungen der ArbeiterInnenklasse werden zunehmen – die wirtschaftliche Konkurrenz aus Osteuropa, aus Asien etc. nimmt zu. Der Druck auf die österreichischen Unternehmen beim Faktor Arbeit – d.h. bei unseren Einkommen – zu kürzen, steigt.
Für uns stellt sich die Frage: wie verteidigen wir unsere Rechte?
Das Konzept von Gewerkschaften ist nicht überholt, sondern „modern“. Wir müssen die Gewerkschaft verteidigen – gegen die immer dreisteren Angriffe von Regierung, Unternehmern und FPÖ. Aber das bedeutet nicht die Verteidigung der Gewerkschaftsbürokratie. Ganz im Gegenteil! Wir brauchen einen kämpferischen und demokratischen ÖGB – und das ist ein völlig neuer ÖGB. Wir brauchen eine Gewerkschaft, die sich an den Interessen und Bedürfnissen von ArbeitnehmerInnen, Jugendlichen, Arbeitslosen und sozial Schwachen und nicht an angeblichen neoliberalen „Sachzwängen“ orientiert.
Die 25 größten börsennotierten Unternehmen haben 2005 ca. 6 Mrd Euro Gewinn gemacht – allein 30% davon werden als Dividende ausgeschüttet. Aber die Gewerkschaftsführung gibt sich mit Kollektivvertrags-Erhöhungen zufrieden, die – wenn wir von den wirklichen Preiserhöhungen ausgehen – nicht einmal die Inflationsrate abdecken.
Wir brauchen eine Gewerkschaft, die eine kämpferische Politik betreibt. Die nicht vor Streik und auch Generalstreik zurückschreckt, wenn diese zur Verteidigung der Arbeits- und Lebensbedingungen der ArbeiterInnenklasse notwendig sind.
Und wir brauchen eine Gewerkschaft die eine politische Alternative zum den etablierten Parteien aufbaut – eine neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche. Unser Beitrag in diesem Prozess ist es auch, eine politische Alternative zum Kapitalismus aufzuzeigen: denn die Verteidigung der Interessen der ArbeiterInnenklasse ist letztlich nur durch einen Bruch mit dem Kapitalismus möglich.